Die lange ersehnten Schlittschuhe lagen tatsächlich unter dem Weihnachtsbaum, ich war elf Jahre alt. Die einfachen natürlich, zum Drunterschnallen unter einen festen Schnürschuh. Komplette weiße Stiefel besaß nur ein Mädchen im Dorf, und deren Vater ... na ja, spielt ja heute keine Rolle mehr.
Das Problem in jenem Winter war: Es wollte partout nicht genügend frieren. Die vielen Gräben und der große Dorfteich, auf dem wir sonst begeistert unsere Runden drehten und die Jungs Hockey spielten und uns auf die Seite scheuchten, froren wochenlang nicht ausreichend zu. Ich glaube, ich habe die Schlittschuhe dann erst im nächsten Winter wirklich ausprobieren können.
Einige Jahre später begannen dann die Geschenke für die Aussteuer. Wenn die Oma am Heiligabend mit ihrem alten schwarzen Pappkoffer mit den Metallecken zu uns kam, der schon bei der Flucht dabei gewesen war, ahnte ich schon den Inhalt: Ein oder zwei Sätze weiße Bettwäsche ("Damast!" wie Oma betonte), vielleicht sogar noch von ihr mit Monogramm versehen. Auch das Sammeln eines 12-teiligen Silberbestecks gehörte seit der Konfirmation dazu.
Ich habe beides gehasst. Und ließ mich mit den Worten trösten, dass ich später („Wenn du mal verheiratet bist!“) einmal froh sein würde, solche guten Sachen zu besitzen. Was hätte ich dagegen einwenden sollen? Ich wusste ja auch, dass die Oma viel Geld dafür ausgegeben hatte, und wollte nicht undankbar sein.
Sowohl die Bettwäsche als auch das Besteck verblieben nach meinem Auszug jahre-, wenn nicht jahrzehntelag im Haushalt meiner Eltern. Als sie dann sehr viel später meinten, nun sei es wohl doch an der Zeit, auch ohne Heirat mit dem Schatz herauszurücken, hatte ich endgültig keine Verwendung mehr dafür. Es gab so viele schöne bunte Bettwäsche, wer wollte denn in langweiliger weißer (Damast-!)Wäsche schlafen? Und in meinem kleinen Haushalt wäre auch niemals Gelegenheit für eine Bewirtung mit einem 12-teiligen Silberbesteck gewesen.
Das Besteck habe ich heute noch, wenn auch nicht genutzt. Ich könnte es mal wieder putzen, bevor ich es endgültig ins Sozialkaufhaus gebe. Die Bettwäsche ist im Laufe der Jahrzehnte irgendwie abhanden gekommen. Aber bei der Wohnungsauflösung meiner Mutter vor einigen Jahren fand ich noch einen komplett Original-verpackten Satz weißer Bettwäsche mit dem Aufkleber eines Stettiner Wäschehauses.
Es waren solche Werte, die man früher für wichtig hielt und für die man sparte. Was sollte man dem heute noch entgegensetzen? Materielle Dinge schenken wir uns schon lange nicht mehr.