Das Schwimmdock aus dem Baltikum

Kurzgeschichte zum Thema Krieg/Krieger

von  Koreapeitsche

Das Schwimmdock aus dem Baltikum

 

Ich wollte einen Bericht über unseren Stadtteil für den offenen Kanal erstellen und telefonierte deshalb mit einer Geschichtslehrerin, die im Nachbarstadtteil wohnte. Sie erzählte davon, dass kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs mit einem Schwimmdock KZ-Häftlinge aus Stutthof über die Ostsee nach Kiel transportiert wurden. Das geschah im Rahmen des sogenannten Todesmarsches. Das Schwimmdock wurde zuvor in der Stadt Memel, heute Klaipeda, demontiert und sollte nach Kiel überführt werden. Bisher lautete die Darstellung der demontierten Werft, dass die Familien der Arbeiter mit dem Schwimmdock nach Kiel transportiert wurden. Doch das widerlegte die Lehrerin in dem Telefonat. Sie sagte, dass das Schwimmdock im damaligen Gotenhafen einen Zwischenstopp einlegte, wo im Rahmen des Todesmarsches die Häftlinge auf das Schwimmdock getrieben wurden. Von Gotenhafen ging es über die Ostsee bis Kiel-Holtenau zum Tiessenkai. Dort betraten die Häftlinge das Land. Das Kriegsende stand kurz bevor. Die Menschen müssen temporär irgendwo in der Region weiter inhaftiert gewesen sein, wahrscheinlich in den Baracken der nahen Arbeitslager. In der Stunde Null wurden sie jedoch freigelassen, oder, anders ausgedrück, das Wachpersonal wurde abgezogen und die Tore waren nicht mehr verriegelt. Daraufhin geisterten die ausgemergelten Menschen noch in Häftlingskleidung durch den Ort. Darüber gab es Augenzeugenberichte von Anwohnern, mit denen die Geschichtslehrerin sich unterhalten konnte. Die Menschen wurden von den Einwohnern mit dem Nötigsten versorgt und aufgepäppelt, bis schließlich die britischen Truppen unter Generalfeldmarschall Montgomery die Region unter ihre Kontrolle brachten.

Ich wusste zunächst nicht, was ich von der Geschichte halten sollte, bis ich in einem Café in der Innenstadt eine Polen kennenlernte, der mir unabhängig von der Geschichtslehrerin die gleiche Version von der Reise des Schwimmdocks über die Ostsee erzählte, ebenfalls mit dem Zwischenstopp in Gotenhafen, dem heutigen Gdynia.

Die Werft hingegen, die sich früher im Baltikum befand und seit Ende des Krieges ausschließlich in Kiel Schiffe baute, hält weiterhin an der Auslegung fest, dass ausschließlich Arbeiterfamilien mit dem Schwimmdock nach Kiel transportiert wurden. Diese Darstellung teilen auch die lokalen Medien, allen voran die große Lokalzeitung. Es gibt also noch etwas aufzuarbeiten und klarzustellen.



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