Gegenschlag
Verstand vs. Irrsinn
Eine archivierte Kolumne von Melodia
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Von der blutleeren Schmonzette
Auf Grund des, seit letzten Donnerstag herrschenden, visuellem Dauernerven von diversen Plakaten, gibt es heute eine etwas andere Form der Gesellschaftskritik. Sie betrifft vor allem das Medium Film und den fragwürdigen Wandel des Geschmacks in Bezug auf alte Monstermythen. Ja, meine Damen, ich spreche von den „Twilight“-Filmen! Und ich spreche bewusst die Frauenwelt an, denn erstens kenne ich tatsächlich keinen Mann, der sich die Filme gerne angeschaut hat und zweitens sind Frauen die treibende Kraft hinter diesem „Werk“ gewesen. Warum? Wir werden sehen.
Leider kommt man nicht umher, sich mit dieser Franchise zu befassen, zuletzt auch wegen der damit verbundenen, riesigen Werbekampagne. Die gute Nachricht ist, dass die Filme endlich vorbei sind und man nicht mehr von Trailern, Teasern und Banner belästigt wird. Die schlechte: Es sind Ableger und Prequels geplant. Dabei gibt es in meinen Augen so viele gute Argumente dagegen. Es ist mir ohnehin ein Rätsel, wodurch diese Filme so beliebt geworden sind. Handlung? Das Script wurde in nur sechs Wochen zusammengezimmert und die Ideen sind zusammengeklaut. Aber das sind diese Weichei-Blutsauger-Filme ja nicht alleine, nicht wahr, Mister Potter?
Doch da Ideenklau nun mal zur Filmbranche gehört, werde ich noch andere Punkte aufzählen müssen. Zum Beispiel: Warum besudelt man das Erbe vom finsteren Fürsten Dracula damit, dass man dieses androgyne Bürschchen mit dem grenzdebilen Blick für die Hauptrolle engagiert? Nicht, dass sein Konkurrent da besser wäre, diese dauernd halbnackte Steroidenschleuder von einem Hündchen. Und so nebenbei sind er und seine Schnüffelkumpanen mit den steifen Nippeln keine Werwölfe, sondern Gestaltwandler. Werwölfe verwandeln sich nämlich nur bei Vollmond. Wenn man klaut, dann bitte richtig!
Mal ernsthaft, „vegetarische“ Vampire?!?! Die in der Sonne golden glitzern?!?! Vermutlich hoffen John Polidori und Bram Stoker inständig als Zombies oder Mumien zurückkehren zu dürfen; mitsamt angespitzten Holzpflöcken! Doch damit nicht genug. Denn unser Held mit der güldenen Haut möchte kein Monster sein und seine große Liebe nicht in ein solches verwandeln. Zunächst einmal, klingt das unglaublich logisch, wenn ein Unsterblicher behauptet, die Beziehung auch „normal“ führen zu können. Möchte sehen, wie er irgendwann die 80jährige Geliebte aufschultert und wie ein Eichhörnchen von Baum zu Baum hüpft. Und dann das Thema Monster. Bist du ein Vampir oder nicht? Dann verhalt dich verdammt noch mal auch so! Zumal seine Herzdame es doch möchte!
Womit wir beim weiblichen Hauptcharakter wären. Der Name „Bella Swan“, also „schöner Schwan“, ist nicht nur peinlich, sondern auch vollkommen unangebracht für die Besetzung: Eine Schauspielerin, die nur einen emotionslosen Blick kennt und in 90% aller Szenen den Mund offen hat. Und das ist eine Tatsache! Die Rolle ist vollkommen passiv und leidend, fast so blass wie ihr Geliebter außerhalb des Sonnenscheins. Beim Thema Namen muss ich auch unweigerlich an dieses Genie denken, der sich die deutschen Untertitel ausgedacht hat: Bis(s)… Ich fordere hiermit, dass diese Person zum Aderlass gezwungen wird! Dann gäbe es wenigstens ein klein bisschen Blut im Zusammenhang mit den Filmen.
Dass in diesem billigen Abklatsch einer Möchtegern-Romeo-und-Julia-Verfilmung nichts passiert, verwundert da wenig. Und wie es am Ende ausgeht, kann man sich die ganze Zeit über denken. Dazu läuft im Hintergrund in Dauerschleife diese fade Musik, dieser Pussyrock, der meine Ohren bluten lässt. Die Tatsache, dass die Autorin der Bücher eine Mormonin ist, hat auch kaum Einfluss auf die Handlung, oder? Zumindest lässt sich eine dezente reaktionäre Sichtweise nicht leugnen. Kein Sex vor der Ehe ist nur eines der Themen, die einem sofort einfallen. Diese, in den USA weit verbreitete Weltsicht, in mehreren Blutsauger-Filmen ausgedehnt. Wer möchte dafür nicht Geld ausgeben?
Den ersten Film habe ich mir aus Neugierde angeschaut, die nächsten zwei zur Belustigung. Dann reichte es mir aber auch. Die Bücher werde ich definitiv nicht lesen. Wie gut können diese schon sein, wenn sie im Ein-Jahrestakt erschienen sind? Zum Vergleich: Bram Stoker schrieb sieben Jahre an seinem Dracula, einem Meisterwerk. Darin gab es auch eine Liebesgeschichte. Eine realistische. Außerdem weigere ich mich Zeilen von einer Frau zu lesen, die nicht nur streng-religiös und stockkonservativ ist, sondern darüber hinaus noch die Hauptsponsorin für die Anti-Homosexuellen-Bewegung ihrer Kirche ist. Da frage ich mich, ob sie sich schon mal die Plakate zu den Verfilmungen angeschaut hat? Eine Gruppe junger, glattrasierter Männer, die gemeinsam oben-ohne posieren. Da bekommt der Film „300“ schon Konkurrenz, wobei die Spartaner sich wenigstens nicht so anstellen, wenn es um das Blutvergießen geht.
Diese sehr spezielle Liebesschnulze hat auch den darin erwähnten Indianerstamm der Quileute verärgert, die sich auf ihrer Homepage ständig Fragen zu Werwölfen und Ähnlichem erwehren müssen. Außerdem haben sie keinen einzigen Cent von den Einnahmen aus Büchern und Filmen bekommen. Ja, die Mormonin hört nicht einfach bei den Homosexuellen auf. Ich habe keine Ahnung wie der literarisch-visuelle Graus nach allen Teilen ausgegangen ist, aber ich wette, auf Grund der obigen Ausführungen, dass am Ende der Vegie-Vamp die Scheintote bekommt. Ich meine, er ist aus „gutem Hause“, kultiviert und der Vater ist Arzt. Der Widersacher ist ein armer räudiger Welpe aus der indigenen Bevölkerung. Hauptsache der starke Feminismus wird von Frau Meyer stets hervorgehoben.
Denn genau das ist es, was uns Autorinnen solcher Werke vermitteln wollen. Und wer mag solche Bücher und Filme? Ich behaupte, kleine Teenie-Mädchen, die zu alt für Walt Disney sind, der Zeit und dem Kitsch aber nachtrauern und unbefriedigte Hausfrauen im mittleren Alter, für die bereits eine zufällige Berührung im Supermarkt einen Anflug von Erregung erzeugt. Aber warum muss man dafür Vampire missbrauchen? Stephanie Meyer ist nicht die erste Autorin, die ihre Phantasien in dieser Welt auslebt. Anne Rice ist die Vorreiterin mit ihrer „Chronik der Vampire“. Im Übrigen ist diese Autorin ebenfalls sehr religiös und schreibt sogar Bücher über Jesus Christus, wenn sie nicht gerade unter einem ihrer Pseudonyme ihre Bondage-SM-Fantasien auf das Papier bringt. Ich wittere ein gewisses Schema. Die Verfilmung zu „Interview mit einem Vampir“ mag zwar Kult sein, aber hat ihn sich in letzter Zeit noch mal jemand angesehen? Überzeugend ist anders.
Was ist aus den Vampiren geworden? Wo bleiben die Max Schrecks, Bela Lugosis und Christopher Lees? Vampir-Verfilmungen sind selbstverständlich nicht immer gut, wie uns leider „Van Helsing“ bewiesen hat. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Trash und Müll, zwischen B-Movie und seichter Blutleere. Filme wie „Lost Boys“, „Fright Night“ oder „From Dusk Till Dawn“ sind vielleicht keine Meilensteine der Filmgeschichte, aber sie versuchen es auch nicht zu sein. Es sind abgedrehte Streifen mit schwarzem Humor und kernigen Dialogen. Der großartige Leslie Nielsen als lustiger Fürst in „Dracula–Tot aber glücklich“ vom Komödienmeister Mel Brooks; da weiß man wenigstens, was einen erwartet. Die „Blade“- und „Underworld“-Reihen sind düster, blutig, teils innovativ und abgedreht. Auch mit unterschiedlicher Qualität, schon klar. Übrigens wären die Werwölfe, oder Lykaner, der „Underworld“-Filme ebenfalls Gestaltwandler, allerdings machte man sich hier die Mühe, eine Hintergrundgeschichte auszubauen. Aber als religiöse Dame hinterfragt man wohl selten etwas. Sich selbst am wenigsten.
Vampir. Ein untotes Geschöpf, das Angst und Schrecken verbreitet, Blut aussaugt und Leichen hinterlässt. Selbst das reale Vorbild für Stokers Dracula, Vlad Tepes, entsprach diesem Bild. Denn „Tepes“ ist ein Beiname: Der Pfähler. Doch was machen wir daraus? Was wird uns von wirren Kreativköpfen vorgesetzt? Serien wie „Buffy“ oder „Vampire Diaries“. Spiegelt sich in der „Verharmlosung“ von Vampircharakteren und –geschichten die moderne, aufgeklärte Welt wieder? Nein. Dafür gibt es genug Gegenbeispiel, wie auch das blutrünstige und sexuell geprägte „True Blood“, das zumindest „vampirischer“ daherkommt.
Doch langweilige, lahme Vampire treten heute in Werbungen der Sparkasse auf oder dienen als Höschenbefeuchter. Das Bild wird zu einem eigenen Ideal verzerrt und uns als neues Nonplusultra vorgesetzt. Hier wird eine Fantasie der Fantasie in die Realität kolportiert. Aber müssen wir das alles ertragen? Neuerungen in einem Genre setzen keine Verniedlichungen oder vollständige Veränderung voraus.
Oder möchte jemand schwule Cowboys sehen? Oh.. naja. Im Original übrigens eine Kurzgeschichte. Von einer Frau geschrieben. Natürlich, anders erträgt die Damenwelt einen „Wild West“-Streifen auch nicht.
Von Schießfilmen ganz zu schweigen. Aber es gibt zum Glück auch Ausnahmen!
Dann muss das Blut in meinen Andern auch nicht wieder kochen!
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Was Harry Potter und Brokeback Mountain und so angeht kann ich zwar nicht ganz die hier vertretene Meinung teilen, aber... hach ja. Nummer Eins war eben meine primäre Kindheitslektüre, und ich finde es um Längen innovativer als den Bissmüll, und für Nummer Zwei bin ich wahrscheinlich zu sehr Mädchen... hach, und Heath Ledger und Jake Gyllenhaal... hach.
Ansonsten hat mir deine Kolumne aber sehr gut gefallen, ich musste doch das ein oder andere Mal böse, böse schmunzeln ("my crooked smile" ) und mich daran erinnern, wie ich mich durch Band vier gequält habe, siebenhundert Seiten von denen mindestens fünfhundert leeres, umständliches, überflüssiges Gesülz sind. Das ist wirklich ein Schinken, den man zehnteln könnte und es ginge inhaltlich nichts verloren.
Bitte mal mehr von so bööösen Lästerkolumnen! Ich mag das!
LG
(28.11.12)
@ranky: ich hatte schon sorge, dass es zu böse ist, von daher freut es mich, dass der text größtenteils ankam. die gute frau stewart sieht zwar stets doof aus, aber sie hat auch gute rollen gespielt, wie "into the wild" oder "on the road". aber die nervige rolle wird sie nie wieder los werden! was "harry potter" und "brokeback mountain" betrifft... „quod erat demonstrandum“^^ auch hier findet man interessanterweise eher frauen, die die filme mögen. männer schauen sich da lieber "der herr der ringe" und "true grit" an.
aber respekt dafür, dass du dich durch die bücher gequält hast!
lg
@fragilfluegelig: geschmäcker sind zum glück verschieden und das geschlecht spielt in vielen fällen tatsächlich eine rolle; ob man möchte oder nicht. was die anne rice betrifft: die bücher habe ich nie gelesen, ich ging rein von der thematik ihrer werke aus und vom film. das der film nicht der vorlage entspricht, habe ich mir aber fast gedacht. aber so, wie du ihre vampir-bücher beschreibst (melancholisch, schwer) klingt es tatsächlich wieder nach frauen-lektüre. damit ein mann solch ein buch liest oder film schaut, auf dem diese beschreibung passt... da müsste es z.b. um einen alkoholiker, etc. gehen.. "21 gram", "smoke", "The wrestler" sind filmbeispiele...
rowling (und anscheinend auch rice) können wenigstens schreiben, aber was ich an kritiken über frau meyer lesen musste... da schüttelt es mich. zu potter und geklaut: das wäre ine längere liste... es gibt so viele unzählige elemente, die ich schon in anderen büchern oder filmen entdeckt habe... aber vielleicht geht es auch nur mir so. aber wie ich schon ranky geschrieben habe: in meinem freundes- und bekanntenkreis sind es zu 90% frauen die auf potter stehen; egal ob buch oder film.
hmm zu deiner letzten frage, das musst du wohl selbst wissen, meine meinung kennst du ja^^
lg
freut mich um so mehr!
lg und vielen dank!