Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 08. Januar 2013, 19:30
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Die Waffen des Staates

Was ist grün, hohl und tritt immer nur im Bündel auf? Nein, Schnittlauch ist es nicht, sondern die Polizei. Vielleicht liegt es an diesem alten Spruch, dass sich unser aller Freund und Helfer allmählich in Blau gewandet. Besser sieht es allerdings auch nicht aus und ernst nehmen kann ich sie noch immer nicht. Egal in welcher Farbe sie sich durch den Verkehr blitzen.

In einem utopischen Staat wäre eine solche Institution überflüssig, aber dass unsere Nation alles andere als optimal ist, erkennt man an den Leuten, die sie führen – und jede die diese gewählt haben. Die Polizei verteidigt den Staat. Aber als einfacher Bürger habe ich oft den Eindruck gehabt, dass die Polizei ihre Machtposition missbraucht; auf eure und meine Kosten. Gib einem kleinen Mann Macht und er wird sie missbrauchen. Sich vermutlich sogar erhaben fühlen.

Meine bisherigen Erfahrungen mit den Gesetzeshütern waren nicht positiv. Auch Freunde und Bekannte liefern ein einheitlich negatives Bild: Klischeebehaftete Schikane, kleingeistige Wichtigtuerei und klugscheißende Rechthaberei. An Beispielen dafür mangelt es mir wahrlich nicht.

Ich war 15 oder 16 Jahre alt und mit dem Zug auf dem Weg nach Italien für ein Praktikum und bei der Gelegenheit wollte ich auch Verwandte und Freunde besuchen. Nun, ich war stets etwas auffällig was Aussehen und Kleidung betraf. Mit einer Sporttasche voller Klamotten, einem Rucksack voller Bücher und Geschenke, einer Irokesenfrisur und einem Metalband-Shirt saß ich also gemütlich auf meinem Platz und harte freudig der Dinge. Bis zur deutsch - schweizerischen Grenze. Da begann nämlich der Zirkus. Im Wagon wurden nur drei Leute kontrolliert - das Pärchen mit den Dreadlocks und ich. Kontrolliert heißt, von oben bis unten alles durchsucht und gefilzt. Eigentlich fehlte nur noch der Gang ins Separee.

Gefunden haben sie nichts, weder die Deutschen noch die Schweizer. Hier scheint die Globalisierung auch zu funktionieren. Hat man mit Polizisten zu tun, egal wo, kann man davon ausgehen, dass sie einem das Leben schwerer machen, als nötig. Den schmierig dreinblickenden Typen mit zwei Golduhren am Arm, dem glänzenden Anzug a la Miami Vice und dem unscheinbaren Aktenkoffer haben sie nicht belästigt. Wenn sie schon nach Klischee vorgehen, dachte ich, wäre das Abbild eines Südstaaten-Dealers doch die richtige Beute. Aber Anzug und Aktenkoffer scheinen in der Alpenregion wohl einen seriösen Eindruck zu machen. Mal bei einer der Banken nachfragen….
An der schweizerisch – italienischen Grenze war ich wenigstens so schlau, meinen italienischen Pass vorzuzeigen. Dass ersparte mir immerhin einige nervige Fragen auf dieser Seite des Gebirges.

Noch so ein Zugerlebnis hatten mein Bruder und ich einige Jahre später. Wir hatten einige Stunden zuvor meine Oma beerdigt und waren auf dem Weg zurück nach Deutschland, da wir beide wieder in die Universität mussten, während der Rest der Familie noch einige Tage in Italien blieb. Kaum auf deutschen Boden, kamen auch zwei Vorzeigepolizisten: Der Junge sah aus wie frisch aus dem Ei gepellt, übermotiviert und versuchte streng zu schauen, während er aber schön die Klappe hielt. Sein Partner, der ältere, war eher eine Mischung aus Obelix und Walross, roch auch etwas nach Fisch und blökte bei unsrem Anblick gleich freudig los: Papiere, wo wart ihr und warum, wie lange? Wir antworteten wahrheitsgemäß. Nun war der dickliche Grenzbeamte wohl nicht überzeugt angesichts der Tatsache, dass da zwei junge Menschen vor ihm saßen, mit Rastafari-Frisur, legerer Kleidung, teils tätowiert und mit müden Augen, angesichts des langen und anstrengenden Tages. Ich rieche Klischee…

Was meint ihr, was der Wonneproppen ernsthaft fragte? Mit gewichtiger Miene bellte er uns an: „In dieser Kleidung wart ihr auf einer Beerdigung?“ Bei angemessener Antwort hätte ich vermutlich lebenslänglich bekommen. Meine Antwort fiel etwas dezenter aus: „Nein, wir haben unsere Anzüge im Koffer, denn so ist es bequemer. Außerdem wäre es unserer Oma egal gewesen, wie wir auf ihrer Beerdigung erschienen wären. Aussehen ist schließlich nicht alles, nicht wahr? Und etwas mehr Pietät wäre durchaus angemessen!“

Mein Bruder hat sich nach etlichen Jahren die langen Rastas übrigens abgeschnitten. Er hatte keine Lust mehr, bei jeder Autofahrt von der Polizei angehalten und gefragt zu werden, ob er mit einem Drogentest einverstanden sei. Ich sollte hinzufügen, dass mein Bruder seit Jahren für das DRK arbeitet und sowohl Kinder als auch Behinderte fährt. Soviel zu den kognitiven Fähigkeiten unserer Schnittlauchbündel. Übrigens hat mein Bruder noch nie in seinem Leben irgendwelche Drogen zu sich genommen. Dasselbe Schicksal teilte auch ein anderer Bekannter von mir. Dieser trinkt noch nicht einmal Alkohol oder Kaffee!

Wie kommt es eigentlich, dass die meisten Polizisten, die mir bisher über den Weg gelaufen sind, als etwas fülliger zu bezeichnen sind? Gerade die sportlichen Anforderungen für eine polizeiliche Ausbildung sind meinem Wissen nach recht anspruchsvoll. Ich habe eine Theorie die den Beamtenstatus involviert: Kaum hat man diesen, kann man sich gehen lassen. Was soll schon passieren? Viele Lehrer machen das auch nicht anders, wenn ich an mein Zeit am Gymnasium zurückdenke und den 50% strafversetzten Erziehern. Feuern ist nicht. Ich wäre mal dafür, dass man den Beamtenstatus etwas überarbeitet. Nur so ein Gedanke….

Solche Wuchtbrummen waren es auch, die mich einmal nachts angehalten haben, weil ich gejoggt bin. Freunde von mir und ich waren auf einer Geburtstagsfeier und ich wollte nur schnell meinen Rucksack aus dem Auto holen, damit wir schnell weiter konnten. Hatte ich mir so gedacht. Kaum am Auto angekommen hielt direkt hinter mir eine Streife. Mit drei gewichtigen Menschen darin. Im doppelten Sinne. Mein erster Gedanke war, drei Polizisten in einer Streife? ABM greift schon im Staatsdienst! Einer dieser Herren stieg sogleich aus und fragte mich, was ich in das Gebüsch geworfen hätte? Fantasie haben sie zweifelsohne gehabt. Da konnte er noch so lange mit seiner Taschenlampe nach etwaigen Dingen suchen. Nach der Übergabe des Personalausweises ging die Befragung weiter:
„Warum sind Sie gerannt?“ „Ich bin gejoggt, um schnell meinen Rucksack zu holen. Meine Freunde warten da vorne an der Brücke.“
„Haben Sie getrunken?“ „Ja. Wir kommen gerade von einer Geburtstagsfeier.“
„Und sie wollten noch Auto fahren?!“ „Ich sagte doch bereits, dass ich nur meinen Rucksack holen wollte.“
„Hier ist Parkverbot.“ „Das scheint die anderen 40 Fahrzeughalter aber nicht zu stören.“
„Jetzt werden Sie nicht frech!“ „Sie halten mich hier doch ohne Grund fest.“
„Sie wissen ja nicht was heute in der Stadt passiert ist!“ „Was denn?“
„Das geht Sie nichts ans!“ „Dann kann ich nicht helfen. Bekomme ich jetzt bitte meinen Ausweis wieder? Meine Freunde warten, hoffentlich, immer noch.“
Sichtlich enttäuscht, dass ich keine Vorstrafen hatte (und habe) wurde mir nach guten zehn Minuten der Zeitverschwendung nur sehr widerwillig der Perso zurückgegeben. Einen Strafzettel wegen Falschparkens habe ich übrigens am nächsten Tag nicht an der Windschutzscheibe gefunden.

Die Liste ließe sich noch endlos weiter führen. Warum schießen Polizisten bei friedlichen Anti-Studiengebührendemos mit Tränengas? Oder knüppeln Studenten nieder? Alles schon erlebt. Diese „Gesetzeshüter“ tragen noch nicht einmal einen Namen oder sonstige Erkennungszeichen, womit man sie überführen könnte. Aber wehe man filmt die Geschehnisse! Jemand vom Fach hat mir sogar mal erzählt, dass bei der polizeilichen Ausbildung auffällige Personen, sprich jene, die laut psychologischem Gutachten Aggressionsprobleme etc. haben, gezielt zu den Sondereinheiten geschickt werden. Ach ja, die bewaffneten Einheiten für den Schutz machen ihren Beruf gut. Beschützt die oberen Zehntausend, vor Studenten, die sich ihr Studium nicht leisten können. Da ist hartes Durchgreifen natürlich gefragt!

Selbstverständlich gibt es auch gute und nette Polizisten - ich kenne nur leider keine. Es ist auch nicht so, dass sich automatisch eine Apathie ihnen gegenüber hege, trotz aller Erfahrungen. Aber leicht wird es mir nicht gerade gemacht. Mittlerweile mache ich mir ein Hobby daraus gemacht und freue mich schon jedes Mal, wenn ich kontrolliert werde. Sie können sich wichtig fühlen und ich kann sie an der Nase herumführen.

Humor macht so vieles erträglicher.

Ein italienischer „Carabinieri“ –Witz:
Ein Carabiniere kommt zur Kaserne rein, in den Händen einen großen Hundehaufen und sagt begeistert zu seinen Kollegen: „Jungs schaut mal, wo ich fast rein getreten wäre!“

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Skala (09.01.13)
Ach ja, die Freunde von der Bahnhofsmission... ups! Aber meine Mutter sagt immer, in den neuen Uniformen sehen die genau so aus, und ich muss sagen, das stimmt. :)
Hatte bis jetzt Gott sei Dank nur einmal unangenehmen Kontakt. Das war, als ich mich das erste mal mit unserem Auto in eine Großstadt gewagt habe (Dortmund mit dem Auto geht GAAAR nicht!) und beim Spurenwechsel aus Versehen jemandem die Vorfahrt genommen hab, den ich weder im Rück- noch im Seitenspiegel gesehen habe. Was ganz Normales also, was täglich vorkommt. Nur war der andere leider ein Streifenwagen. Blinklicht an, "Bitte folgen" und mitten auf der vierspurigen Straße angehalten, drei Blaumännchen aus dem Auto. Die Nette erklärt meiner Schwester auf der Beifahrerseite den Weg, der Glatzkopf (durchtrainiert!) sagt nichts und setzt sich auf unsere Motorhaube, und die Fletzige kommt zu mir und putzt mich runter. Und will Geld. Autsch. Kommentar meiner Mutter: "Lehrgeld muss jeder mal zahlen." Ich fand es trotzdem kleinkariert.
Fand ich alles nicht so klasse. Seitdem frage ich mich auch, ob die einfach nur Langeweile haben. Ich meine, sicher, die mögen auch manchmal ihre Sache gut machen. Aber das was du hier erzählst, zum Beispiel die Sache mit den Haaren und den Klamotten, das ist schon verdammt frech.
Um doch noch was Positives loszuwerden: Ich kenne ein, zwei nette Polizisten. Unsere Dorftschakos können manchmal recht human sein. Und das trotz der ganzen frisierten Mofas. :)

 Melodia (09.01.13)
HA das mit der Bahnhofsmission ist ja geil!^^

Tja, natürlich gibt es gute... aber: es bleiben einem auch nur die negativen Erlebnisse im Kopf. Wie bei vielem anderen Dingen.
Manchmal glaube ich, dass die falschen Menschen Polizisten werden; solche, die ohnehin heimliche Machtfantasien haben.
Und drei Leute in einer Streife finde ich noch immer lächerlich... ist doch kein SWAT-Team!?!?

Ja, Vorurteile und Klischeedenken scheint leider ein weitverbreitetes Problem in der Truppe zu sein. Haben wohl zu viel amerikanische 80er-Jahre Krimis gesehen...

Außerdem fällt mir bei Polizeikontrolle immer das hier ein^^:

 Götz Widmann - Zöllner vom Vollzug abhalten

lg
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