Dienstags bei Inge
Ansichten übers Leben und Sterben und den Rest dazwischen
Eine archivierte Kolumne von IngeWrobel
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Wer schläft, sündigt nicht – oder etwa doch?
Von Somnambulismus las ich zum ersten Mal in Günter Grass’ „Blechtrommel“. Er spricht von der „großen Somnambule“ in liebevollem Ton, sodass ich meinte, das müsse etwas Erstrebenswertes sein. Als ich es genau wissen wollte, wurde ich schnell ernüchtert, da die Angehimmelte schlicht und ergreifend eine Schlafwandlerin war.
Allgemein bekannt ist das Bild des Schlafwandlers, der in tranceähnlichem Zustand durch die Wohnung läuft, und manchmal vermeintlich unsinnige Dinge tut. Dabei ist sein Gesichtsausdruck starr und zeigt keinerlei Emotionen. Am nächsten Morgen weiß der Mensch nicht mehr, was er nachts gemacht hat. War sein Wandeln von körperlichem Handeln begleitet, ist er entsprechend müde und entkräftet – zum Beispiel, wenn er Möbel verrückt hat oder handwerkliche Arbeiten beendete, die er am Tag nicht mehr geschafft hat.
Gefährlich wird Somnambulismus in der Regel nur für den Schlafwandler selbst, da er den Drang hat, geradeaus zu „wandeln“ – auch wenn dieser direkte Weg zur Tür oder zum Fenster hinaus führt. In der Regel, wie gesagt.
Doch da lässt mich eine Meldung von stern.de aufhorchen:
http://www.stern.de/panorama/einmaliger-fall-schlafwandler-erwuergt-ehefrau-verfahren-eingestellt-1523451.html
Hier wird von dem Fall des Brian Thomas berichtet, der seine Frau erwürgte, und nun nach knapp einem Jahr Untersuchungshaft ohne Strafe wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft in Swansea, Großbritannien, attestierte ihm, für seine Tat nicht verantwortlich zu sein, da er sie „während eines Alptraums“ begangen habe. Thomas gab an, unter Schlafstörungen zu leiden, und seine Frau für einen Eindringling gehalten zu haben. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sprach von einem „einmaligen Fall unter einmaligen Umständen“.
Eigenartig an der Sache ist, dass ein Schlafwandler normalerweise nur während der ersten Tiefschlafphase aktiv wird – also in der Phase des Schlafablaufs, in der nicht geträumt wird.
Der Fachmann Prof.Dr.med. Volker Faust weist als Ursache für das Schlafwandeln bei Erwachsenen auf „unverarbeitete psychosoziale Konflikte“ hin.
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/schlafwandel.html
Psychosoziale Probleme hatte wohl auch Jules Lowe, auch GB, dessen Stiefmutter gerade gestorben war, als er – angeblich schlafwandelnd – seinen Vater mit einem Hammer erschlug.
http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/uk_news/4362081.stm
Und dann gibt es da noch den Fall von Kenneth Parks, diesmal nicht aus dem UK, sondern aus Kanada, der seine Schwiegereltern attackierte und dabei seine Schwiegermutter erstach.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kenneth_Parks
Lowe landete auf unbestimmte Zeit in einer psychiatrischen Verwahrung. Parks und Thomas wurden freigelassen, da man sie aufgrund von Somnambulismus für unschuldig erklärte.
Ich finde den Umstand, dass diese drei Tötungsdelikte im engsten sozialen Umfeld, nämlich der eigenen Familie, geschahen, zumindest nachdenkenswert. Schwelte da schon lange ein Hass, eine gewalttätige Phantasie, die nun im Zustand der Trance in Aktivität umschlug?
Mein Rat: Hüten Sie sich vor somnambulen Verwandten, denen sie Böses getan haben. Diese könnten sich „mit schlafwandlerischer Sicherheit“ nächtens an Ihnen rächen.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Ich glaube, Frauen morden anders: geradeheraus und hellwach und in dem Bewusstsein, dass sie dafür bestraft werden. Nix mit Amnesie, mangelnder Schuldfähigkeit oder so ....
Die "literarische Gegenmaßnahme" weiß ich bei Dir in bewährten Händen. *lach*
Und Dich, lieber Detlef, wollte ich gewiss mit meinem Bericht nicht auf-, aber mit Sicherheit auch nicht anregen! (nicht, dass ich noch wegen Anstiftung ... usw. ...*g* )
Liebe harmlos schläfrige Grüßle an Euch!
Inge