andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 30. August 2007, 04:03
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schlagende Argumente

Sitte und Moral sind der Mode und einer kontinuierlichen Entwicklung unterworfen. Spätestens seit 1972 ist das allgemein bekannt (oder sollte es sein), denn in dem Jahr kam der Film “Deep Throat“ auf den Markt.
Ein Kultfilm, ohne Zweifel. Und das, obwohl er in der Hälfte der US-amerikanischen Länder verboten war (oder wurde er gerade deswegen so berühmt?).
Deep Throat gilt als einer der Wegbereiter der sexuellen Revolution, der Freiheit, der sexuellen Unabhängigkeit. Er machte Pornografie gesellschaftsfähig. Nur wenige Filme oder Bücher können sich solch einen Einfluss auf die Fahne schreiben.

Für das deutsche Rechtssystem ist es im Zuge der Liberalisierung nicht leichter geworden das Recht in Worte zu gießen. Dabei sind Vorlagen für die Gussformen inzwischen ziemlich eindeutig, etwa wenn es um Freiheit und Freizügigkeit in der Sexualität geht. So auch beim Thema Pornografie: erlaubt ist, was alle Beteiligten freiwillig tun, solange es nicht gewisse Grenzen sprengt (mal ist schon der Besitz strafbar (Kinderpornos), in anderen Fällen ist der Vertrieb oder die Produktion verboten; man bedenke: Deutschland ist der zweitgrößte Porno-Produzent weltweit – und immer ist der Jugendschutz zu beachten).
Das hört sich relativ einfach an und funktioniert bei Fotografien und Filmen ganz gut, treibt aber gewisse Stilblüten in Literatur und Forschung. Trotzdem haben auch die Filme mit gewissen Problemen zu kämpfen, denn: woher weiß man, dass es freiwillig passiert ist?
Nun gut … bei Snuff-Videos ist es klar. Was aber, wenn in einem Schwulen-Porno über einen weiß- und einen dunkelhäutigen Darsteller erst im Nachhinein bekannt wird, dass zumindest einer nicht freiwillig mitgemacht hat? Was, wenn das auch noch der Dunkelhäutige wäre?

Da gingen die Wogen sicherlich sehr hoch. Sofort wäre das Wort “Rassismus“ in aller Munde und die Branche würde einbrechen. Immerhin nehmen wir den Minderheitenschutz sehr wichtig und quälen uns seit langem mit den Kleidungsfragen muslimischer Frauen herum, leiden unter den Migrationsproblemen und finden keine guten Antworten auf die intoleranten Einstellungen einiger Mitbürger.
Außerdem hätten wir auch noch den hohen Anteil derer, die sofort den Das-haben-wir-davon-Satz aussprechen würden. Und nicht zu vergessen: die Moralapostel, die Homophobiegeplagten, die Neo-Nazis, die religiösen Eiferer …
Selbstverständlich würde so ein Video verboten und - soweit der Rechtsbruch in Deutschland verfolgt werden könnte - die Schuldigen angeklagt. So etwas darf einfach nicht passieren … Man stelle sich vor, was als Nächstes käme: Fremdenhass, erlaubte Ausländerattacken, ein Spielfilm vielleicht, in dem einer der Schauspieler dazu gezwungen wird sich verprügeln zu lassen? Echte Vergewaltigungen, die mit einem Honorar vergütet würden?

Aber nein! Es ginge hier um böse Handlungen gegen Minderheiten, nicht um “normale“ Straftaten.
Nehmen wir doch nur den oben genannten Kultfilm: 1980 veröffentlichte die Hauptdarstellerin das Buch “Die Wahrheit über Deep Throat“, in dem sie ausführlich ihr Martyrium (so auch der Originaltitel) vor und während der Dreharbeiten schildert. Demnach handelte es sich nicht um eine plumpe Vergewaltigung, sondern um fortgesetzte Folter, Zwangsprostitution und Verletzung der Menschenwürde …

Aber was soll’s. Sie ist halt nur eine Frau und gehört zu keiner schützenswerten Minderheit. Der Film ist darum auch nicht verboten, darf unter den üblichen Pornobestimmungen gezeigt werden und wird noch immer als Kultfilm angepriesen. Nicht einmal bei Wikipedia fand das bisher jemand erwähnenswert.

Das gibt dem Begriff “Kultfilm“ eine wirklich zwingende Schlagkraft!



 besonders empfehlenswert

 Buch

 Wikipedia

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