KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Freitag, 07. Februar 2020, 15:14
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BRIEFE AN HERRN ANDRÉ ÜBER DIE LITERATUR 11

708. Kolumne

Lieber Fabian André,
so früh am Morgen sind Sie schon wach! Genau zu dieser Zeit, fast auf die Minute genau, fahre ich meist nach Münstereifel. Heute las ich mit den Schülern den Vorsatz und den Beginn des ZAUBERBERGS ... Das ist mein Lieblingsroman. Er hat viel mit mir und meinem ganzen Leben zu tun, auch wenn ich kein Hans Castorp bin. Ich freue mich sehr, dass Sie auch so in der Literatur aufgehen. Wie Sie aus dem Seitenzimmer der Lesung im Schluss zusahen ... ich bemerkte es aus dem Augenwinkel, das zeigte Sie als einen Theatermenschen, es erinnert mich an die Theateraufführungen des Marquis de Sade im Hospiz zu Charenton ... Ich überlasse Ihnen sehr gern die Reihenfolge der Arthurgeschichten. Holger Benkel sollten Sie in der Tat noch zu weiterer Kürzung bewegen - Ihr Argument, dass nur bei entsprechender Länge (in der Kürze liegt die Würze) seine Gedanken wirken, unterstütze ich. Ich habe HB schon oft gesagt, dass er manchmal zu ausführlich schreibt. Alle Ausführungen, die etwa mit Walter Benjamin (oder anderen weit entfernten literarischen Assoziationen) zu tun haben, können getrost entfallen. Gerhard Zurbaran kam mir in diesem Jahr - im Unterschied zum Sommer 2003 - sehr sehr alt vor. Er ist gewiss ein liebenswerter alter Herr, ich schrieb und schreibe ihm gern, aber er läuft mir sehr nach, sucht mich und das was ich schreibe ohne großen Erkenntniserfolg zu verstehen. Er ist kein Schriftsteller. Er war bestimmt ein guter Realschulrektor. Er schrieb auch ein alles in allem nicht einmal so übles Erinnerungsbuch. Das Sterben seiner Frau stellt er mir allerdings zu sublimiert dar. Wenn GB nichts Neues lesen kann, wenn Sie ihn nicht gern lesen lassen, was ich gut verstehe, dann gibt es nur diese Lösung: Sie stellen ihn immer wieder rühmend als Ehrenmitglied des Forums vor und als Preisträger - mehr aber nicht. Natürlich keinen Bruch, aber eine gewisse Auseinandersetzung riskieren, das können Sie im Interesse der ganzen Sache tun, Sie sollten immer wieder junge und neue Leute vorschieben. GB ist verdammt eitel, das kann er nicht verbergen. In seinen Briefen an mich betont er immer wieder en passant, aber deutlich genug, für wie wichtig er sich hält. Von seinen immer wieder aufgewärmten Gedichten halte ich nicht viel. Ich verstehe andererseits, dass Sie ihm nicht wehtun wollen. Ein nicht leicht zu lösender Fall. Ich wünsche Ihnen eine gute Weihnachtszeit! Herzlichst: Ihr Damonte

… die Matinee bei Bentzel-Sturmfeder beginnt um 10.30. Alles andere konsequent um 18.30 h an einem Freitag. Das hat sich nun mal bewährt. Textur 10 scheint mir von den Beiträgen her ungefährdet. Sie, Benkel und Autoren wie Jakob Anderhandt werden das Niveau nach oben abrunden, ebenso Bernd Lange, A.R. - falls da was kommt. Inhagens Essay zu Neruda ist beachtlich. Benkel rief mich gestern Abend an. Die angedrohten 10 Seiten kommen in den nächsten Tagen. Schön, das bei Ihnen zunehmend Normalität einkehrt. Das Leben ist es nicht dazu gegeben, um es in Tristesse - es sei denn, es wäre eine künstlerisch-fruchtbare, eine kreative Melancholie - zu vergeuden. Nun sind Sie schon Großpapa! Das kann mir auch blühen. ... Es fällt mir zunehmend schwer, etwas außerhalb der Literatur sonderlich wichtig zu nehmen. Das Leben ist einfach zu kurz - und im Grunde auch ganz schnell vorbei. ... Es wiederholt sich alles, ganz schnell. Das Leben braucht uns nicht wirklich. Es inszeniert sich selber via Triebe. Bei der Literatur ist es ein wenig anders. Da werden Leute wie wir schon noch gebraucht ... Ihnen noch einen schönen Weihnachtssonntag wünschend! Ihr Fabian André

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