KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Donnerstag, 04. März 2021, 23:24
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Erste Impressionen (JJ)

756. Kolumne

ULYSSES von James Joyce
Die mythologische Folie, die seinem ULYSSES untergelegt ist, hat Joyce einem Freund erläutert, und durch diesen ist sie später bekannt geworden: die Odyssee Homers, und dies bot nun für die philologische Forschung große Anreize. Aber sie sind für das Verständnis des Romans nicht primär wichtig - es ist eine subtile intellektuelle Spielerei, aber ein Telemach, ein Odysseus und eine Kalypso bzw. Penelope springt da nicht wirklich heraus. Man kann natürlich sagen: Joyce hat den Odysseus (und entsprechende Gesänge der Ilias) heruntergebrochen auf die normalbürgerlichen Verhältnisse unserer heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse. Diese Bezüge sind oft weit hergeholt, also kaum erkennbar. Und es kommt auf sie nicht so sehr an. Viel wichtiger ist die neu wirkende Erzählweise, die zwar in ihren Einzelheiten nicht neu ist, aber in ihrer Massierung und Intensivierung so noch nie da war; und ihre Wirkung auf die moderne Literatur ist weit größer als die Wirkung auf die meisten ULYSSES-Leser. Groß ist das parodistische, satirische Erzählen. Ich muss oft lachen. Enorm ist die sprachliche Varianz (Wortwahl, Syntax, stream of consciousness, Neologismen, Anspielungen, Sprachebenen: Kneipenjargon, Hochsprache, ...), auch die Verweigerung einer konventionell spannenden Handlung. Für die Zeit von 1922 war es etwas Besonderes, einen Juden zur Hauptfigur zu machen; dieser Aspekt spielt eine Rolle, auch für Joyce‘ Kritik an Irland. Allerdings wird der nichtirische Leser nicht gleich merken, dass der Roman die Iren und Dublin zwischen den Polen von Hass und Liebe (vielleicht eine spezielle Form der Trauer über ein damals noch unfreies Volk) darstellt. (So gesehen sind die topografischen Einzelheiten nur von geringer Bedeutung.)
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