KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Die Moral in Zeiten des Moralismus
833. Kolumne
Ärger und Zorn ...
Das Gendern nervt. Ich hoffe, es ist nur eine Mode innerhalb unserer Wohlstandsverwahrlosungsphänomene, die eingebettet sind in ein entsetzlich übertriebenes moralisches Bewusstsein, gepaart mit einem alles verschlimmernden Perfektionismus - und so schauen wir im Spiegel in die Fratze eines dümmlichen Moralismus, der von den wesentlicheren Dingen ablenkt. Ich weiß nicht, ob dieser Spuk bald vorübergeht - da die ein und andere Intention ja berechtigt ist. Ich halte es jedenfalls für unrealistisch und unnötig, unsere Sprache und unser Bewusstsein so zu verbiegen, dass unsere Seele knirscht und quietscht und unsere Sinne sich verklemmen. Jüngste Bestrebungen, sensitivity readers einzusetzen zur Bereinigung und Tugendverbesserung älterer Werke der Literatur, sind derzeit noch eher von ökonomischen als Vernunftgründen geleitet ... Diese ganze Gemengelage ist schwiemelig, schmerzvoll und wehleidig. Hinzu kommen die Rücksichtnahme auf sexuelle Identitäten, die wie Primeln aus dem Winterboden sprießen und auf alle denkbaren Empfindlichkeiten - es gilt zunehmend der Grundsatz, dass keiner in seiner Empfindung verletzt werden soll, so dass also viele Realitäten und Wahrheiten des Lebens nicht mehr genügend dargestellt werden sollen.
Dass der Rektor da mitmacht, zeigt leider auch die Verunsicherung der Autoritätsstrukturen, die Angst davor hat Fehler zu machen, die eine nervös erregte allgemeine Öffentlichkeit gehässig brandmarkt. Diese Zustände, die der Demokratie dienen sollen, schwächen sie in Wahrheit.
Das Interessante: Diese Bewegung kommt nicht von oben, sondern sie wächst hier und dort,oben und unten, oben unterwirft sich unten, auch hier eine dialektische Gemengelage. Ein zweites Kuriosum besteht darin, dass der Wille zu moralisch richtigem Verhalten zunehmend in das umschlägt, was er bekämpft - und so wächst aus dem Antirassismus ein neuer Rassismus, aus dem Antisexualismus eine neue Unterdrückung von Sexualität; wir erleben also Perversionen der Tugenden, nicht immer, aber oft genug.
Dieses nicht unberechtigte Zeitalter von Achtsamkeit, Rücksichtnahme, Gleichberechtigung und Respekt sucht derzeit krampfhaft nach dem rechten Maß.