KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Dienstag, 18. Mai 2010, 12:35
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Kafkas Katze

198. Kolumne

Felix Malberg
8. Klasse

In Kafkas Fabel besteht die Absurdität des Seins darin, dass man geboren wird, nur um eines Tages nach einem Leben voller Entscheidungen, die durch das System, in dem wir leben, durch unseren wirtschaftlichen Status und durch den angeborenen Selbsterhaltungstrieb beeinflusst manchmal nur einen Weg zulassen, egal ob es uns gefällt oder nicht.
Kafka will mit seiner Fabel ausdrücken, dass man mit jedem Tag des Lebens der Erkenntnis, dass der Mensch nicht frei sein kann, näher kommt und so langsam die Grenzen der Freiheit wahrnimmt. Anfangs nur selten, doch je länger man sich mit dem Thema beschäftigt, umso deutlicher wird man die Mauern der Einschränkung wahrnehmen, die jeden Menschen bei jeder Entscheidung umgeben. Absurderweise hat man in der Zeit, in der man die Mauern am wenigsten wahrnimmt, Angst vor der schier unendlichen Vielfalt der Wege, mit denen man die Entscheidungen so oder so ‚lösen’ kann. In dieser Zeit, der Kindheit, scheint es den meisten so, als könnten sie in dieser unendlichen Weite verloren gehen, doch diese Weite wird mit der Zeit immer kleiner werden, bis nur noch ein letzter Weg ans Ziel der langen Reise des Lebens führt; dieser Weg führt unaufhaltsam in den Tod.
Bei Kafka besteht die Absurdität des Seins darin, dass man geboren wird, um früher oder später zu sterben. Bei Ionesco aber besteht die Absurdität des Seins darin, dass wir mit unserem Leben nichts erreichen und sogar die früheren Errungenschaften des Lebens einfach zerfallen lassen.



St. Michael-Gymnasium Bad Münstereifel
KLASSENARBEIT DEUTSCH 8A (BERGMANN) 30.4.2010

Ionesco, Die kahle Sängerin (1948)

Wähle eine der folgenden Aufgaben:

1. Interpretiere Kafkas „Kleine Fabel“ (1920) und vergleiche kurz die hier gemeinte Absurdität des Seins mit der Absurdität bei IONESCO (vor allem 8. Szene)!

2. Schreibe eine Szene, in der die kahle Sängerin auftritt!
(Thema: Verlust und Austauschbarkeit der Identität, Sinn und Unsinn von Rolle und Individualität)

3. Erläutere die Gedanken Ionescos zu seinem Stück „Die kahle Sängerin“!

4. Schreibe eine Szene, in der nur Mary und der Feuerwehrhauptmann auftreten! (Thema: Liebesstreit. Gib die Stelle an, wo diese Szene eingefügt werden soll!)

5. Analysiere und interpretiere die vierte Szene!

6. Analysiere / interpretiere die Rolle Marys!


Franz Kafka, Kleine Fabel

„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe. „Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.
(1920)


Eugène Ionesco über sein Stück „Die kahle Sängerin“:

Die „Kahle Sängerin“ sollte die Negation einer Komödie sein, die Negation des falschen Spaßes, also des falschen Theaters. Ich hatte mir vorgenommen, die Worte ihres Sinnes zu entleeren, der Sprache die Bedeutung zu nehmen, Denkbarkeit abzuschaffen. Ich versuchte, die abgenutztesten Klischees zu finden, die Seinsleere, die Leere selbst, kurz, das Unsagbare zu sagen. Während ich das Stück schrieb, das das Publikum heiter und komisch fand, empfand ich richtigen Ekel. Heute verwechselt man oft Inszenierung und Interpretation , der Gehalt meines Stückes wird von lauter Gags in den Schatten gestellt; die beste Interpretation erreicht die Inszenierung, nach der das Stück ganz ernst gespielt wird: Wie eine Tragödie!
(1978)

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (25.05.10)
Schon in der achten Klasse wird man mit dem ollen Kafka konfrontiert? Langsam geht mir der Prager auf die Nerven. Wo hat Felix abgeschrieben? Text schon gegoogelt? Nun ja, ich bin aber froh, dass Ionescu als Alternative gefunden wird. Die zweite Aufgabe ist aber wohl kaum in 3 (?) Stunden zu lösen, oder? Ich könnte es jedenfalls nicht.

 Bergmann (25.05.10)
1. Der Junge konnte nicht abgeschrieben haben, weil mit Kafka gar nicht zu rechnen war.
2. Kafka ist mit vielen kleineren Texten sehr gut geeignet auch für junge Menschen.
3. Es gibt immer wieder, wenn auch selten, junge Leute, die mit 14 Jahren Aufsätze in einer Sprache und Gedanklichkeit schreiben, zu der die allermeisten ihr Leben lang nicht gelangen.
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