KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Der Glanz der Kloake
539. Kolumne
Venedig ist für mich eine besondere Reise unter vielen anderen sehr verschiedenen. In der Tat sind die Realien so, wie der Film, den du sahst, sie schilderte. Der Reisende sucht in Venedig - wie auch woanders im Ausland - nicht primär den Kontakt mit einer originär dort lebenden Bevölkerung. Ich denke, in Venedig trifft sich der ästhetische Zauber der Lagunenstadt mit den Vorstellungen des Reisenden, die er von diesem lebendigen Kunst-Museum hat. Der Zauber liegt in der optischen Schönheit der Architektur und der großartigen Stimmung, die der Reisende dort erlebt. Er empfindet meist nicht den Reiz des Widerspruchs: dass eine Kloake so schön sein kann, sondern eher nur eine meist vage Vorstellung von der Morbidität der Stadt und ihrer dem Untergang geweihten Gebäude, die er mit dem eigenen Leben vergleicht, und zwar in sehr allgemeiner Weise, so dass er nicht darunter leidet, weil das Ende noch vor ihm liegt. Unsere Fortpflanzungsorgane weisen ein ähnliches Doppelwesen auf: Die gleichen Organe, die Samenwege sind, sind auch Ausscheidungsorgane - Zeugen und Löschen, ein Gegensatz wie Feuer und Wasser (so Sigmund Freud). Natürlich denken wir in Venedig nicht - oder nicht immer - so weit, jedenfalls ncht als Reisende, die das Schöne suchen. - Thomas Mann hat in seiner großen Novelle „Der Tod in Venedig“ die Epidemie als bildhafte Konkretion des Todes erzählt und der Liebe des Schriftstellers Aschenbach zur Schönheit des Knaben Tadzio gegenübergestellt, wo der Eros als ästhetisches Stimulans mit einer körperlichen und einer geistigen Seite wirkt; hier wird der homoerotische Aspekt verwandelt in einen autoerotischen - und vielleicht gewinnt der Leser dem Tod das Schöne ab, wie Aschenbach durch Venedig sich selbst erkennt und erschrickt. - Ich fahre nach Venedig, um die Kunst in den wunderschönen Kirchen wiederzusehen und neu zu entdecken, aber auch, um auf den Plätzen entspannt beim Espresso oder Eis zu sitzen. Ich liebe die großartige Accademia und das Guggenheim-Museum. Ich liebe einige gute Restaurants. Und vor allem die Kunst-Biennale und die Kunstausstellungen in einigen Palazzi, von denen ich den Palazzo Fortuny besonders hervorheben will. In Venedig gibt es zum Glück genügend Orte, wo man dem aggressiven Massentourismus entgehen kann. Schon wenige Meter neben den Hauptwegen hat man Ruhe.
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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Ich war auch schon dort, war nett, bin aber kein Venedig-Fan geworden. Kolumne dennoch gerne gelesen.
(16.12.16)
Donna Leon wird von allen Venezianern, wenn nicht sogar Italienern, verschmäht! Eine Aneinanderreihung von billigen Klischees... aber gut, wer Kriminalromane schreibt....
LG