BlackHört
Un-Erhörtes aus der Musikwelt
Eine Kolumne von BLACKHEART
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Germany: Zero Points
Ich kommentiere heute (Samstag) live aus meinem Wohnzimmerstudio den Eurovision Songcontest. Viel Spaß beim Lesen am Dienstag.
20:20 Uhr: Mein Abendessen (Makkaroni aus der Mikrowelle) wird mir duch den Auftritt von UDO LINDENBERG & JAN DELAY mit "Reeperbahn" versüßt. Passend zur Pre-Show aus Hamburg, die bereits läuft.
Weitere Auftritte von PETER MAFFAY, UNHEILIG, MIA und TIM BENDZKO sollen noch folgen. Ob ich alles sehen werde, weiß ich noch nicht, weil ich jetzt erstmal aufs Klo gehen werde. Melde mich wieder, wenn die Show anfängt.
20:55 Uhr: Das "Wort zum Sonntag" wird kurzerhand durch "Seasons in the Abyss" von SLAYER ersetzt.
21:00 Uhr: Die Show beginnt mit der Eurovision-Hymne (der wahrscheinlich größten des Abends), es folgen ein Feuerwerk und eine aserbaidschanische Gesangs-, Artistik- und Tanzeinlage die Kultur und Moderne des Landes repräsentieren soll. Erinnert teilweise an Shows von MADONNA, LADY GAGA oder P!NK.
Das Ganze gipfelt in einer Performance des Siegerpaares vom letzten Jahr.
21:12 Uhr: ENGELBERT HUMPERDINK macht mit "Love will set you free" für das Vereinigte Königreich den Anfang. Klingt wie aus einem Disney-Zeichentrickfilm. Allerdings einem der besseren.
21:15 Uhr: Ungarn versucht es mit einem Elektro-Pop-Song, den DEPECHE MODE nicht mal als B-Seite verwendet hätten. Ganz mies. Da hilft auch alles headbangen der Instrumentalfraktion und die Versuche das Publikum zu animieren nichts.
21:19 Uhr: Albanien schickt eine Sängerin aus dem Kosovo ins Rennen. Tut mir leid, dass ich nicht alle Namen und Songtitel nennen kann, aber die werden nur so kurz eingeblendet.
Zurück zu der Frau mit dem Wollknäuel auf dem Kopf: So ungefähr stelle ich mir eine Hexe auf dem Scheiterhaufen vor. Abwechselnd schreiend und wimmernd.
Oh Mann, ich bin gerade froh, dass meine Biergläsersammlung diesen Ausbruch in stimmliche Höhen überlebt hat. Damn, ich brauch jetzt erstmal ein neues Bier.
21:23 Uhr: Litauen schickt einen Sänger mit Augenbinde ins Rennen, Passend zum Songtitel "Love is blind". Wenn er sich entscheiden könnte, ob er eine Operette oder einen Pop-Song performen will, wäre mein Urteil vielleicht klarer.
21:28 Uhr: Bosnien und Herzegowina setzen auf eine hübsche Frau, die klavierspielnd eine traurige Ballade schmachtet. Kommt an.
Hier gibt es keine große Show, sondern es zählt einfach nur die Stimme. Hat was von CELINE DION.
21:31 Uhr: Jetzt steht eins der Highlights an: Die russischen Omas backen Plätzchen auf der Bühne und machen "Party for everybody". Den Leuten gefällts. Und mir auch. Die könnten auch auf Wacken im Biergarten spielen und die Leute würden abgehen.
Einer meiner persönlichen Favoriten bislang.
Darauf wird eine Tüte Chips aufgemacht.
21:35 Uhr: Island hat ein Gesangsuett am Start, bei dem die Sängerin auch Geige spielt. Leider vergeigen sie es dann aber doch. Der Song ist zwar nicht schlecht, würde aber von einer Rockband gespielt noch mehr wirken. Klassische Powerballade. Würde meiner Meinung nach ganz gut zu AXXIS passen. AVANTASIA könnte ich mir mit dieser Nummer auch vorstellen. Auch wenn TOBI SAMMET das sicher noch besser komponiert hätte.
21:40 Uhr: Könnte mal bitte jemand Zypern aus den 90ern ins 3. Jahrtausend holen? Zumindest scheinen sie da musikalisch stehengeblieben zu sein. Inklusive dem so vielsagenden Songtitel "La La Love". Next!
Nach diesen beiden Performances bin ich auch fast reif für die Insel.
Kann nur besser werden. Oder?
21:43 Uhr: Frankreich setzt auf die 3 "B"s: Beats, Busen und Bodenturnen. Ich setze nur auf ein "B": Bier. Prost!
21:47 Uhr: Beschiss! Italien hat AMY WINEHOUSE geklont! Trotzdem (oder gerade deswegen) ist die Soul-Nummer aber gar nicht mal so schlecht.
21:51 Uhr: Estland: "Kuula" Typ, "Kuula" Song? Nicht wirklich. Singen kann er zwar, aber was "kuula"res als diese Ballade hätte es schon sein dürfen.
21:55 Uhr: Norwegen schickt überraschenderweise weder eine Black Metal, noch eine Glam Rock Band ins Rennen, sondern einen iranischstämmigen Pop-Schönling. Meiner Meinung nach hätte eine Band aus einem der erstgenannten Genres größere Chancen als dieses komische Rumgehopse.
22:01 Uhr: "When the Music dies" spielt Aserbaidschan? Naja, zumindest ist die Sängerin ganz hübsch anzuschauen. Genauso wie ihr Kleid, das als Projektionsfläche für Licht- und Videoeinspieungen dient. Kein Wunder, das die Leute ausrasten.
22:05 Uhr: Der rumänische Beitrag kommt mir irgendwie spanisch vor. Nichts gegen Globalisierung und so, aber gibt es in Rumänien keine guten Sänger/innen mehr, oder warum muss man sich eine kubanische Combo einkaufen?
Aufruf an ATTILA DORN: Rette die Ehre deines Heimatlandes und tritt nächstes Jahr mit POWERWOLF für Rumänien an!
22:09 Uhr: Endlich Instrumente auf der Bühne. Und wer bringt sie? Natürlich ein skandinavisches Land. Der dänische Beitrag weiß durchaus zu gefallen. Aber lasst mich den Song mal 2 Wochen lang 3 mal täglich im Radio hören. Dann sieht mein Urteil vielleicht anders aus. Aber für den Moment ganz okay. Und Radiopotential ist auch vorhanden.
22:13 Uhr: Griechenland ist so arm, dass sie sich noch nicht mal einen eigenen Act für den ESC leisten können. Stattdessen schicken sie ein zypriotisches Pop-Sternchen als "Aphrodisiac". Naja, zumindest optisch passt es.
22:17 Uhr: "Euphoria"! Schweden ist dran. Viele großartige Bands kamen und kommen aus diesem Land. Dieses offensichtlich verwirrte Etwas, das gerade auf der Bühne Ausdruckstanz (drückt aus: "kann nicht tanzen") zu DAVID GUETTA-artigen Beats betreibt, gehört aber ganz gewiss nicht dazu.
22:21 Uhr: Die Türkei schickt einen Juden? Mutig. Genau wie die englisch-türtische Seemannsperformance, die auf mich wie eine Kreuzung aus HANS ALBERS und VILLAGE PEOPLE wirkt.
22:26 Uhr: Singt die Spanierin schon? Ah doch, jetzt hör ich sie auch. Das Klavier war anfangs doch zu dominant. Aber jetzt, im 2. Teil des Songs, wo sie es nicht mehr nötig hat, wird sie von Background-Sängerinnen unterstützt. Andersrum wärs besser gewesen.
22:30 Uhr: ROMAN LOB, "Unser Star für Baku" ist dran. Wir alle kennen seinen Song "Standing still". Ich persönlich denke aber "Sei doch still"! Hab den Song einfach zu oft auf Arbeit im Radio gehört. Und da klang er auch besser, als er gerade hier live vorgetragen wird. Sorry, aber so wird das nichts. Die Tatsache, dass sein Stage-Acting zu sehr aufgesetzt wirkt, trägt da auch nicht gerade positiv zum Gesamtbild bei.
22:35 Uhr: Malta hat auch einen DAVID GUETTA-inspirierten Song. Nur warum da auch noch Instrumente und Menschen, die so tun, als würden sie sie benutzen, auf der Bühne stehen, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben.
22:39 Uhr: Mazedonien setzt auf eine klassische Gesangsperformance. Keine jungen "Hüpfer", sondern eine routinierte Sängerin. Eine Freude für Augen und Ohren, weil es endlich mal wieder was "Echtes" gibt. Ein Großteil der vorigen Acts wirkte doch zu sehr gekünstelt und aufgesetzt. Bin mal gespannt, ob das von den Jurys und den Zuschauern auch entsprechend gewürdigt wird.
22:42 Uhr: Hat die IRA in Irland etwa die Vorauswahl für den ESC übernommen? Anders ist der visuelle Terroranschlag, in Form der Hüpfbrüder von JEDWARD nicht zu erklären. Na, wenigstens haben sie diesmal ihre Hochfrisuren eingefahren. Oder haben Al Kaida da etwa ihre Hände mit im Spiel? Wir werden es wohl nie erfahren.
22:46 Uhr: Klavier, Geige und Klarinette leiten das serbische Kontrastprogramm ein. Aber auch hier ein Rätsel: Warum laufen die Musiker, die gerade nichts zu tun haben, bei dieser Ballade im Hintergrund wie ferngesteuert durchs Bild?
22:50 Uhr: Der ukrainische Beitrag heißt "Be my Guest", ist eine tanzbare Pop-Hymne, die von einer Sängerin mit individueller Note in der Stimme vorgetragen wird und durchaus auch zur Eröffnung der EM gespielt werden könnte. Nur, warum bewegt sich die Hand der Sängerin bei den Worten "Be my Guest" so merklich in Richtung ihres Schrittes?
22:54 Uhr: Moldawien ist der letzte Kandidat im Rennen. Beswingt, locker und fröhlich kommt der Song daher. Macht echt Laune. Das karibische Flair des Songs tut da sein Übriges. Einer der besten Songs des Wettbewerbs. Frei nach dem Motto: Das Beste kommt zum Schluss.
Ob es aber auch das Beste war, wird sich noch entscheiden. Mein Favorit steht fest und für den werde ich jetzt auch eine SMS schicken.
23:01 Uhr: SMS geschickt. Jetzt heißt es: "Abwarten und Bier trinken."
23:12 Uhr: Beim 2. Schnelldurchlauf konnte ich nicht mehr an mich halten und hab auch noch eine SMS für die russischen Omas geschickt. Die sind einfach zu kultig.
23:17 Uhr: Die Votingphase ist durch. Aber bevor es zur Verkündung der Ergebnisse kommt, darf erst noch der Schwiegersohn des Präsidenten, der zufälligerweise auch der größte Popstar des Landes ist, als musikalischer Lückenfüller auftreten. Hier wird alles aufgefahren, was das musikalisch Repertoire hergibt: Von traditionellen Instrumenten, über Schlagzeug bis hin zu Streichern wird hier alles geboten. Und auch wenn der Song nur durchschnittlicher Pop ist, ist er doch besser, als ein Großteil, der Sachen, die vorher auf dieser Bühne zu sehen waren.
23:52 Uhr: Halbzeit bei den Punktevergaben. Schweden führt schon deutlich vor Serbien und Russland. Ich drück jetzt den Großmütterchen aus Russland die Daumen, dass sie wenigstens noch 2. werden. Mein Favorit ist weit abgeschlagen. Hat gerade mal einen Punkt bislang.
23:57 Uhr: Hätte mich beinahe an meinem Bier verschluckt, als Portugal allen Ernstes 10 Punkte für Deutschland gegeben hat.
00:01 Uhr: Nochmal 10 Punkte für Deutschland aus Estland. *kopfschüttel*
00:03 Uhr: Okay, die 10 Punkte aus Dänemark versteh ich.
00:06 Uhr: Der beste Punktevergeber überhaupt: MR. LORDI für Finnland.
00:10 Uhr: Anke Engelke ist die einzige Punktevergeberin, die auch ein wenig Politisches in ihr Grußwort mit einfließen lässt. Wenigstens eine, die sich traut.
00:13 Uhr: Ich sags ungern, aber 10 Punkte für Deutschland aus Ungarn.
00:14 Uhr: Wieso nimmt Israel als nicht-europäisches Land am EUROvision Song Contest teil? Ich war bislang der Meinung, dass ich ein ganz gutes geographisches Verständnis hätte. Aber anscheinend ist dem nicht so.
00:16 Uhr: Die 10 Punkte aus Irland hieven Deutschland doch tatsächlich noch auf Platz 8. Gut, dass ich nicht gewettet hab.
Ich geh pissen.
00:21 Uhr: Der Sieg von Schweden spiegelt den musikalischen Zeitgeist wieder. Elektronische Beats siegen über handgemachte Musik und Bühnenshow über Bühnenpräsenz.
Naja, wenigstens haben die kultigen Babuschkas noch Platz 2 geholt. Nach After-ESC-Party ist mir allerdings nicht zumute. Aber getrunken wird trotzdem.
In diesem Sinne:
Haltet die Ohren offen!
Zum Beispiel für meine TOP 5 der besten ESC-/Grand Prix-Sieger aller Zeiten:
Platz 5: LENA MEYER-LANDRUT mit "Satellite" (2010)
Platz 4: JOHNNY LOGAN mit "What's another Year" (1980)
Platz 3: OLSEN BROTHERS mit "Fly on the Wings of Love" (2000)
Platz 2: ABBA mit "Waterloo" (1974)
und
Platz 1: LORDI mit "Hard Rock Halleluja" (2006)
Danke fürs Reinhören.
Euer BLACKHEART
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Israel nimmt auch im Sport an zahlreichen europäischen Wettkämpfen, Meisterschaften und Ligen teil, weil die Araber es nicht mitspielen lassen wollen...
Dass hier dann weniger aufs Tor als vielmehr aufeinander geschossen werden würde, und dass die Kontinentalen Verbände das vermeiden wollen, ist auch absolut logisch.
Allerdings gibt es meines Wissens nach kein asiatisches Pendant zum ESC, bei dem man Israel schützen müsste. Also brauchen sie auch nicht bei Europa dabei zu sein. Irgendwo muss auch mal Schluss sein.