Carter, Jimmy:
We Can Have Peace in the Holy Land
A Plan That Will Work
Eine Rezension von Rudolf
Am 19. Oktober 2010 findet sich in den „Aachener Nachrichten“ der Hinweis, dass Osama bin Laden ein Buch des ehemaligen Präsidenten der USA Jimmy Carter empfiehlt. Osama bin Laden ist zu diesem Zeitpunkt der meistgesuchte Terrorist der Welt. Die Jagd auf ihn wird von den USA angeführt. Warum empfiehlt er einen amerikanischen Präsidenten zur Lektüre?
Der Hinweis führt zu dem Titel „We Can Have Peace in the Holy Land - A Plan That Will Work“. Er erschien im Jahre 2009. Autor ist der 39. Präsident der USA, Jimmy Carter. In seine Amtszeit fielen die Verhandlungen zwischen dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Assad und dem israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin in Camp David, aus denen ein Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel hervorging.
Der Autor richtet sein Buch an den 44. Präsidenten, Barack Obama, von dem er neue Impulse in den festgefahrenen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erwartet. Er zeichnet die Vision eines friedlichen Nahen Osten, in dem die Staaten (er erwähnt ausdrücklich auch den Iran) ihre Konflikte nicht militärisch lösen und in dem alle Staaten wirtschaftlich und kulturell kooperieren und prosperieren.
Das Interesse an dem kleinen Flecken Erde an der Ostküste des Mittelmeers erklärt der Autor mit seiner christlichen Erziehung, durch die er als Kind im Bibelunterricht vom Heiligen Land erfuhr. Er benutzt den Begriff für den Landstrich, den wir heute als Israel einschließlich Gazastreifen und Westjordanland kennen.
Mit den Wanderungen Abrahams beginnt die Geschichte des alten Israel 2000 Jahre vor Christi Geburt. Sie endet im Jahr 134 mit der Auflösung der römischen Provinz Judäa. 1948 beginnt sie neu mit der Gründung des heutigen Staates Israel.
Die Ereignisse der jüngeren Geschichte, die der Autor miterlebte und mitbeeinflusste, werden autobiografisch dargestellt. Indem der Autor selbst als Zeuge auftritt, gewinnt der Text eine hohe Überzeugungskraft. Er berichtet von persönlichen Begegnungen mit politischen Führern aller am Streit beteiligten Parteien. Zitate aus Gesprächen, Zeitungsartikeln und seinem Tagebuch bereichern den Text. So wird der Leser bis an die aktuelle Nah-Ost-Politik des Jahres 2009 herangeführt.
Das Existenzrecht Israels stellt der Autor nie infrage, aber er verweist darauf, dass Israel seit 1967 palästinensische Gebiete gegen internationales Recht besetzt hält und dass es bis heute nicht gelungen ist, die Palästinenser zu entschädigen, die durch die Gründung des Staates Israel ihre Heimat verloren haben. Im Gegenteil durch den Bau der Grenzmauer und das Siedlungsprogramm wird der Landraub systematisch fortgeführt.
Jimmy Carter macht sich für die Zweistaatenlösung stark, bei der den Palästinensern die besetzten Gebiete, Gaza-Streifen und Westjordanland, als eigenes Staatsgebiet überlassen werden.
Auch die Alternative wird betrachtet, bei der Israel die Kontrolle über die palästinensischen Gebiete im Rahmen eines einzigen Staates übernimmt. In der Folge müssten den arabischen Palästinensern demokratische Bürgerrechte zugestanden werden. Das Ziel eines jüdischen Staates wäre aufzugeben.
Schon heute ist ein Fünftel der Bevölkerung Israels arabisch geprägt. Für Jimmy Carter steckt Israel in dem Dilemma, entweder das Westjordanland gegen den Widerstand der Siedler aufzugeben oder in einem Apartheidsstaat zu enden. Israel ist nicht in der Lage, aus eigener Kraft aus dieser Situation herauszukommen. Zu zerstritten ist das politische und religiöse Leben von ultraorthodoxen Fanatikern bis hin zu modernen, weltlichen Menschen, die nur auf dem Papier Juden sind, zu weit spannt sich das Spektrum von radikalen Siedlern bis hin zu Friedensinitiativen, die den Ausgleich mit den Nachbarn suchen. Es bedarf Impulse von außen.
Aber auch außerhalb Israels herrscht keine Einigkeit. Jimmy Carter zeigt auf, dass die Position der amerikanischen Juden nicht die der amerikanischen Regierung sein muss. Palästinensische Organisationen wie Fatah und Hamas blockieren sich gegenseitig. Die Nachbarstaaten, die europäischen Staaten, die Vereinten Nationen: alle vertreten eigene Positionen zu dem Konflikt im Heiligen Land, aber nie passen sie ganz zusammen und reichen für ein einheitliches, geschlossenes Vorgehen.
Für das Israel heutiger Ausprägung sieht der Autor keine Überlebenschance. Der Staat ist zu sehr auf Hilfe von außen angewiesen. Täglich müssen die USA 10 Millionen Dollar überweisen, die Zuwanderung von Juden, die nach der Öffnung Russlands noch einmal anschwoll, versiegt. Die Demografie spricht gegen den jüdischen Staat Israel, da die arabische Bevölkerung schneller wächst als die jüdische.
Die Aussagen im Text werden durch fünf Karten verdeutlicht. Sie zeigen, wie weit der Landraub im Westjordanland durch den Bau der Grenzmauer und der Siedlungen vorangeschritten ist. Die Karten geben die von den Vereinten Nationen anerkannten Staatsgrenzen wieder und sie zeigen die Masse an militärischen Kontrollpunkten im Westjordanland. Der im Genfer Abkommen von 2003 vorgeschlagenen Landtausch zwischen Israel und dem zukünftigen Staat Palästina wird ebenso verdeutlicht.
Im Anhang des Buches werden dem Leser Texte angeboten, auf die die zerstrittenen Parteien Bezug nehmen. Darunter ist die Resolution 242 der Vereinten Nationen, das Friedensangebot der Arabischen Liga und die Antwort der israelischen Regierung darauf. Das schnelle Finden von Informationen wird dem Leser durch einen 14-seitigen Index erleichtert.
Die Aussage im Titel „We Can Have Peace in the Holy Land - A Plan That Will Work“ erscheint am Ende des Buches sehr hochgegriffen. Der Autor listet die heute strittigen Punkte auf und stellt einen groben Aktionsplan dar, wie sie zu lösen sind. Indem er aber gleichzeitig aufzeigt, wie weit die Positionen der streitenden Parteien auseinanderliegen und wie viele Akteure miteinander versöhnt werden müssen, ist am Ende fraglich, ob dieser Plan aufgehen kann. „A Plan That will Work“ entspringt dem Traum von einer Menschheit, die Probleme gewaltlos, durch Verhandlungen löst. So verwundert es nicht, dass Barack Obama seit Amtsantritt nichts zur Lösung des Konfliktes unternommen hat. Das Säbelrasseln gegen den Iran zeigt umgekehrt, dass er den Friedensnobelpreis 2009 zu Unrecht bekam. Er haftet dem alten Denken an, das auf militärische Stärke setzt.
Viel plausibler erscheinen Aussagen im Text, dass das heutige Israel sich langfristig wieder auflösen wird, da der arabische Einfluss schneller wächst als militärische Einsätze ihn zurückbomben können. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Heilige Land den Juden verloren ginge.
Zu loben ist, dass der Autor sich nicht in Klischees über verwirrte, religiöse Fanatiker verliert. Sachlich zählt er auf, dass Israel palästinensisches Gebiet besetzt hält, dass Flüchtlingen die Rückkehr oder Entschädigung verweigert wird, dass arabische Israelis systematisch gegenüber jüdischen Israelis benachteiligt werden, die Provokation durch den Verlauf der Grenzmauer auf palästinensischem Gebiet, die Siedlungen, Wasserrechte, Menschenrechtsverletzungen, Inhaftierungen von 14.000 Palästinensern in israelischen Gefängnissen, militärische Angriffe auf zivile Ziele. Die Liste ist lang. Umgekehrt wird anerkannt, dass Israel sich gegen Übergriffe von palästinensischer Seite und den Nachbarstaaten schützen darf.
Insofern wird die Empfehlung von Osama bin Laden verständlich. Es ist ein lesenswertes Buch für alle, die sich einen umfassenden Überblick über die jüngste Geschichte im Nahen Osten verschaffen wollen, auch wenn der Titel zu hoch gegriffen scheint.
Der Hinweis führt zu dem Titel „We Can Have Peace in the Holy Land - A Plan That Will Work“. Er erschien im Jahre 2009. Autor ist der 39. Präsident der USA, Jimmy Carter. In seine Amtszeit fielen die Verhandlungen zwischen dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Assad und dem israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin in Camp David, aus denen ein Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel hervorging.
Der Autor richtet sein Buch an den 44. Präsidenten, Barack Obama, von dem er neue Impulse in den festgefahrenen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erwartet. Er zeichnet die Vision eines friedlichen Nahen Osten, in dem die Staaten (er erwähnt ausdrücklich auch den Iran) ihre Konflikte nicht militärisch lösen und in dem alle Staaten wirtschaftlich und kulturell kooperieren und prosperieren.
Das Interesse an dem kleinen Flecken Erde an der Ostküste des Mittelmeers erklärt der Autor mit seiner christlichen Erziehung, durch die er als Kind im Bibelunterricht vom Heiligen Land erfuhr. Er benutzt den Begriff für den Landstrich, den wir heute als Israel einschließlich Gazastreifen und Westjordanland kennen.
Mit den Wanderungen Abrahams beginnt die Geschichte des alten Israel 2000 Jahre vor Christi Geburt. Sie endet im Jahr 134 mit der Auflösung der römischen Provinz Judäa. 1948 beginnt sie neu mit der Gründung des heutigen Staates Israel.
Die Ereignisse der jüngeren Geschichte, die der Autor miterlebte und mitbeeinflusste, werden autobiografisch dargestellt. Indem der Autor selbst als Zeuge auftritt, gewinnt der Text eine hohe Überzeugungskraft. Er berichtet von persönlichen Begegnungen mit politischen Führern aller am Streit beteiligten Parteien. Zitate aus Gesprächen, Zeitungsartikeln und seinem Tagebuch bereichern den Text. So wird der Leser bis an die aktuelle Nah-Ost-Politik des Jahres 2009 herangeführt.
Das Existenzrecht Israels stellt der Autor nie infrage, aber er verweist darauf, dass Israel seit 1967 palästinensische Gebiete gegen internationales Recht besetzt hält und dass es bis heute nicht gelungen ist, die Palästinenser zu entschädigen, die durch die Gründung des Staates Israel ihre Heimat verloren haben. Im Gegenteil durch den Bau der Grenzmauer und das Siedlungsprogramm wird der Landraub systematisch fortgeführt.
Jimmy Carter macht sich für die Zweistaatenlösung stark, bei der den Palästinensern die besetzten Gebiete, Gaza-Streifen und Westjordanland, als eigenes Staatsgebiet überlassen werden.
Auch die Alternative wird betrachtet, bei der Israel die Kontrolle über die palästinensischen Gebiete im Rahmen eines einzigen Staates übernimmt. In der Folge müssten den arabischen Palästinensern demokratische Bürgerrechte zugestanden werden. Das Ziel eines jüdischen Staates wäre aufzugeben.
Schon heute ist ein Fünftel der Bevölkerung Israels arabisch geprägt. Für Jimmy Carter steckt Israel in dem Dilemma, entweder das Westjordanland gegen den Widerstand der Siedler aufzugeben oder in einem Apartheidsstaat zu enden. Israel ist nicht in der Lage, aus eigener Kraft aus dieser Situation herauszukommen. Zu zerstritten ist das politische und religiöse Leben von ultraorthodoxen Fanatikern bis hin zu modernen, weltlichen Menschen, die nur auf dem Papier Juden sind, zu weit spannt sich das Spektrum von radikalen Siedlern bis hin zu Friedensinitiativen, die den Ausgleich mit den Nachbarn suchen. Es bedarf Impulse von außen.
Aber auch außerhalb Israels herrscht keine Einigkeit. Jimmy Carter zeigt auf, dass die Position der amerikanischen Juden nicht die der amerikanischen Regierung sein muss. Palästinensische Organisationen wie Fatah und Hamas blockieren sich gegenseitig. Die Nachbarstaaten, die europäischen Staaten, die Vereinten Nationen: alle vertreten eigene Positionen zu dem Konflikt im Heiligen Land, aber nie passen sie ganz zusammen und reichen für ein einheitliches, geschlossenes Vorgehen.
Für das Israel heutiger Ausprägung sieht der Autor keine Überlebenschance. Der Staat ist zu sehr auf Hilfe von außen angewiesen. Täglich müssen die USA 10 Millionen Dollar überweisen, die Zuwanderung von Juden, die nach der Öffnung Russlands noch einmal anschwoll, versiegt. Die Demografie spricht gegen den jüdischen Staat Israel, da die arabische Bevölkerung schneller wächst als die jüdische.
Die Aussagen im Text werden durch fünf Karten verdeutlicht. Sie zeigen, wie weit der Landraub im Westjordanland durch den Bau der Grenzmauer und der Siedlungen vorangeschritten ist. Die Karten geben die von den Vereinten Nationen anerkannten Staatsgrenzen wieder und sie zeigen die Masse an militärischen Kontrollpunkten im Westjordanland. Der im Genfer Abkommen von 2003 vorgeschlagenen Landtausch zwischen Israel und dem zukünftigen Staat Palästina wird ebenso verdeutlicht.
Im Anhang des Buches werden dem Leser Texte angeboten, auf die die zerstrittenen Parteien Bezug nehmen. Darunter ist die Resolution 242 der Vereinten Nationen, das Friedensangebot der Arabischen Liga und die Antwort der israelischen Regierung darauf. Das schnelle Finden von Informationen wird dem Leser durch einen 14-seitigen Index erleichtert.
Die Aussage im Titel „We Can Have Peace in the Holy Land - A Plan That Will Work“ erscheint am Ende des Buches sehr hochgegriffen. Der Autor listet die heute strittigen Punkte auf und stellt einen groben Aktionsplan dar, wie sie zu lösen sind. Indem er aber gleichzeitig aufzeigt, wie weit die Positionen der streitenden Parteien auseinanderliegen und wie viele Akteure miteinander versöhnt werden müssen, ist am Ende fraglich, ob dieser Plan aufgehen kann. „A Plan That will Work“ entspringt dem Traum von einer Menschheit, die Probleme gewaltlos, durch Verhandlungen löst. So verwundert es nicht, dass Barack Obama seit Amtsantritt nichts zur Lösung des Konfliktes unternommen hat. Das Säbelrasseln gegen den Iran zeigt umgekehrt, dass er den Friedensnobelpreis 2009 zu Unrecht bekam. Er haftet dem alten Denken an, das auf militärische Stärke setzt.
Viel plausibler erscheinen Aussagen im Text, dass das heutige Israel sich langfristig wieder auflösen wird, da der arabische Einfluss schneller wächst als militärische Einsätze ihn zurückbomben können. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Heilige Land den Juden verloren ginge.
Zu loben ist, dass der Autor sich nicht in Klischees über verwirrte, religiöse Fanatiker verliert. Sachlich zählt er auf, dass Israel palästinensisches Gebiet besetzt hält, dass Flüchtlingen die Rückkehr oder Entschädigung verweigert wird, dass arabische Israelis systematisch gegenüber jüdischen Israelis benachteiligt werden, die Provokation durch den Verlauf der Grenzmauer auf palästinensischem Gebiet, die Siedlungen, Wasserrechte, Menschenrechtsverletzungen, Inhaftierungen von 14.000 Palästinensern in israelischen Gefängnissen, militärische Angriffe auf zivile Ziele. Die Liste ist lang. Umgekehrt wird anerkannt, dass Israel sich gegen Übergriffe von palästinensischer Seite und den Nachbarstaaten schützen darf.
Insofern wird die Empfehlung von Osama bin Laden verständlich. Es ist ein lesenswertes Buch für alle, die sich einen umfassenden Überblick über die jüngste Geschichte im Nahen Osten verschaffen wollen, auch wenn der Titel zu hoch gegriffen scheint.
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