Peter Handke:

Die linkshändige Frau

Eine Rezension von  S4SCH4
veröffentlicht am 20.12.25

Wenn das aus der Jugend mitgebrachte Feuer erlischt und die Fackel aber weitergetragen werden muss

Rezension zum Buch „die linkshändige Frau“ von Peter Handke


Eine Erzählung über Menschen die psychisch entfernt sich betragen und sich physisch doch so nah stehen.
Und so ist es auch keine Nebensächlichkeit, dass Handkes Text später mit einem Goethe Zitat aus dem Werk „Wahlverwandtschaften“ abschließen soll. Doch eins nach dem anderen.

Die Erzählung beginnt mit Scheitern, Scheitern der Ehe von Marianne (30) und Bruno, die ein Kind haben (Stefan). Im ersten Drittel überwiegt die unnahbare Beschreibung dieser Ehe, und wo nicht die Unfähigkeit einer Kommunikation zu Tage tritt, da doch mindestens das Zurückzucken, das aus kurzen und grässlich ehrlichen Worten resultiert, Worte die ungeschönt und fast schon (un)menschlich-automatisch rüberkommen, nach einem Schema der Marke ´wir kennen uns und wollen das gar nicht (mehr)´. Es ist ganz so, als hätte sich diese Ehe ausgelebt, als hätte man sich satt, obwohl der Magen leer bleibt.

Der erste Teil des Textes lässt den Leser trotz oder gerade wegen Handkes deskriptiven Duktus mit vielen Fragen zurück: Gibt es Ehrlichkeit, wenn die Notwendigkeit dazu wegen Mangel an einer jahrelang kultivierten (Liebes)Lüge wegfiele? Was wollen diese klaren zielgerichteten Worte der scheidenden Eheleute wirklich mitteilen und ist so etwas etwa das Resultat aus Vorwürfen ala `sei doch mal ehrlich zu dir´? Etwas, was beim jungen Erwachsenen in seinen Zwanzigern nicht selten vorkommt.  

Im Verlauf der Geschichte treten weitere Personen auf und finden sich schließlich ganz natürlich bei Marianne im Haus ein. Da ist zum Beispiel der Verleger, sein Fahrer, eine Verkäuferin, ein Schauspieler. Dieses Einfinden und der Umgang der Gäste miteinander sind naiv und fast schon infantil, während das eigentliche Kind in der Erzählung, Stefan, in dem Trubel der Veranstaltung dabei mit dem Würfelbecher spielt. Was zählt Erwachsensein, wenn die Erfahrungen und die Kommunikation sich in eine Sackgasse manövrierten? Käme man je gesund zurück zum innerlichen Kind, zurück zum eigenen Kindsein, um daran wieder zu heilen und zu reifen? 

Die psychologisch hochinteressante Darbietung widert fast schon an mit ihrer kalten Beziehungswelt, dem abgestellt empathischen, der naiven Aggression und dem scheinbaren Kampf um eine Selbstbestimmung, von der die Hauptprotagonistin zwar wahrscheinlich weiß, dass es sie gibt, die aber für sie verloren scheint und paradoxerweise auch verloren sein soll. Verloren sein, um gerade dadurch zu gelten! Diese widersprüchliche und fast schon schizophren anmutende Erwartung an eine Beziehung ist das Armutszeugnis einer innerlichen Leere, die sich bereits gelebt zu haben scheint. 
Wie entsteht dieses von Marianne gewünschte ´nicht-länger-abhängig-sein´ in einer durchorganisierten und perfekten Welt, die scheinbar gerade doch (!) davon lebt, dass wir voneinander abhängig sind und bleiben?

Handkes Werk ist mir eine Schilderung, die das Wesen der Dinge Liebe und Sehnsucht an ihrer Verfalls- und Vernichtungsgrenze besucht, ohne es zu untersuchen. Es zeigt sich durch Marianne eine ferne Erinnerung an Zuneigung, etwas, das nur noch kühl und entleert und nahezu lethargisch herumgeistert, unbeholfen versucht, sich wieder an eine fruchtbare Unschuld zu erinnern. Das Geschehen skizziert einen glasklareren und fast schon krankhaften Hilfeschrei, der ab dem jungen Erwachsenenalter und nach einer ersten großen Liebe vielleicht nicht selten ist, der so stumm wie radikal durchschaubar und kläglich ist, dass er jedem nur wehtun kann, der nicht schnell genug davon käme.

Um auf das anfangs Erwähnte zurückzukommen: Wie Goethe mit den Wahlverwandtschaften wirkende menschliche Bindungen zeigt und das Feuer zur allchemischen Beziehungskiste stets lodern lässt, so karg und erloschen scheint die Flamme um die Beziehungsatome in Handkes Werk. Ein willentlicher Gegenentwurf zum großen Werk Goethes. Gekonnt und ein wenig verstörend.
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Kommentare zu dieser Rezension


 Walter (20.12.25, 14:32)
Gibt es heutzutage hierzulande überhaupt noch andere als unreif  gescheiterte Liebespaarbeziehungen?

"Europa wird eine Mischung aus Verlies, Zirkus und Bordell."  (N. Gomez Davila)

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