Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Die Entdeckung des Fußballs
von Dieter_Rotmund
Gastkolumne von eiskimo
Habt ihr von dem schweizerischen Regisseur gehört, der erstmals schier Unfassbares auf die Bühne seines Theaters bringen möchte? Die spektakulärsten und dramatischsten Szenen aus den weltbesten Fußball-Spielen. Mich hat das sofort elektrisiert, hat mir Szenen wachgerufen, die sich eingraviert haben in mein Fußballer-Herz. Helmut Rahn 1954 mit seinem historischen Tooor, Tooor, Tooor für das neue, nicht mehr mit den Nazis gleichgesetzte Deutschland; Pele 1958 in Schweden, aufglühender WM-Star als kaum 18jähriger; dann – oh Schande - 1966 Wembley mit dem Finale und dem dritten englischen Tor, das vielleicht gar keins war; die WM in Mexiko mit dem „Kracher“ Frankreich : Deutschland, das erst in der Verlängerung entschieden wurde; der zweite deutsche WM-Titel durch Gerd Müllers 180°-Dreher gegen die armen Holländer – es gäbe hochdramatischen Stoff in Hülle und Fülle, fest gemacht an strahlenden Helden und höchst tragischen Verlierern – denken wir nur Maradonas „Hand Gottes“, oder besser noch an Zinedine Zidane und seinen Knock-Out gegen Matarazzi 2006! Was für ein Absturz, was für ein epochaler finaler Dialog zweier schicksalhafter Hauptdarsteller, der eine in der perfiden Rolle des „Anstifters“ und Provokateurs, der andere, der in seiner Ehre gekränkt wird und zerrissen ist zwischen dem zum Greifen nahen Sieg... oder der Schmähung seiner geliebten Mutter. Tragödie vom Feinsten!
Aber warum sollten sich da nur die Torschützen und entscheidenden Mittelfeld-Strategen auf der Bühne neu entfalten dürfen – ein immenses dramaturgisches Potential hätten auch die Torhüter - ein Jaschin, ein Olli Kahn, ein Buffon, die für sich alleine Jahrhundert-Spiele entschieden haben, nein, nicht immer, indem sie über sich hinauswuchsen.... Ich höre ihn förmlich schon, diesen fast todesnahen inneren Monolog nach dem Kullerball, der tatsächlich den Weg ins Tor gefunden hatte, unter den fangbereiten Armen hindurch ….Und dann stände ein Olli Kahn allein auf einer schwarzen Bühne, die Torwarthandschuhe lässt er kraftlos fallen, die nackten Fäuste reckt er anklagend gegen den Himmel mit der Frage: „Warum?“ Aristoteles hätte keine stärkere Szene ersinnen können für die Nähe zwischen göttlicher Weihe und Höllenschmerz. Ja, der Fußball ist für die Bühne gemacht, dessen bin ich mir sicher!
Zur szenischen Überhöhung, vielleicht auch als retardierendes Moment vor der alles entscheidenden Szene, könnte man die Trainer „einspielen“. Sie spiegeln das Geschehen, zeigen in ihren Gesichtern den Spannungsbogen, suchen Worte für die tragische Verkettung von individuellen Fehlern, von Pech und menschlichem Unvermögen – das wären Rollen für die ganz großen Charakterdarsteller unserer Zeit!
Will man das allzu Tragische auflockern durch ein bisschen Comedy, hätten die Spielerfrauen ihre glamourösen Auftritte – wobei: das könnte allzu platt und prollig werden.
Wichtiger fände ich es dann, auch die Schiedsrichter ins Rampenlicht zu holen: Die alles entscheidenden Sekunden mit der Rückfrage an den Linienrichter – „Nein, doch kein Tor,“ oder „ja, ich gebe den Elfmeter ...“ - das ist doch „Schicksal pur“ wie auf dem Tablett serviert. Das Publikum kann gar nicht anders als sich identifizieren, Partei ergreifen, sich zur „Fan-Kurve“ verwandeln.
Und von dieser hoch emotionalisierten Zuschauer-Kulisse zu Schmäh-Gesängen, Verbal-Injurien hin zu ersten Flaschen-Würfen und Pyro-Technik wäre es nicht weit. Was für ein Schauspiel ... diesmal nicht im Stadion, nein im Theater! Die Licht-Technik, die modernen Möglichkeiten der Beschallung, ja, sogar das Einspielen von Original-Filmsequenzen aus der „Sportschau“ , das könnte die Inszenierungen zu ungeahnter Zuspitzung und Verdichtung führen.
Muss ich die Theater-Macher darauf hinweisen, dass sie mit der „Entdeckung des Fußballs“ eine ganz neue Klientel in ihre Häuser locken würden? Ganze Fan-Klubs kämen mit Bussen angereist, und schon in der passenden Kostümierung würden sie die Säle füllen. Ich würde dann auch wie in den Stadien, das Rauchen und Trinken erlauben – Theater muss schließlich die Realität abbilden, auch die krachledernen Seiten eines Massensports.
Was mich an dieser Fußball-Theater-Idee natürlich ganz besonders anfixt: Man könnte auf der Bühne die Fußball-Geschichte ja auch korrigieren, das heißt in eine gerechte Fassung bringen: Das Wembley-Tor wird nicht gegeben, Zidane kann sich im letzten Moment doch noch beherrschen, Olli Kahn hat keinen Aussetzer... Mich juckt es förmlich in den Fingern, um gleich mit den wichtigsten Richtigstellungen zu beginnen.
Frage am Ende: Wie halten wir es mit der FIFA – sollen wir die nach irgendwelchen Rechten fragen? Oder gehört der Fußball nicht uns allen? Ich sag mal ganz selbstbewusst: Was da entstanden ist zwischen den Akteuren, dem Publikum und ganzen Nationen, die stets aufs Neue mitfiebern, das ist „Produkt und Objekt des öffentlichen Interesses“ - das kann keiner für sich reklamieren geschweige als „seine Ware“ vermarkten. Fußball ist Emotion, ein zauberhaftes Miteinander, magisch – da mag ich keine FIFA, weniger denn je.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Auf der Theaterbühne ist natürlich eher das Spiel ohne Ball gefragt bzw. mit einem imaginären, denn ansonsten hätte man Robin Zentner nachgeahmt.
Die Angelegenheit klingt jedenfalls spannend und bietet viele dramatische Möglichkeiten.
(17.05.18)
Das mit den Regisseur aus der Schweiz ist erdichtet, oder? Ich hab's gegoogelt und nichts gefunden ...
Mein Favorit, klar, ist Sandro Wagner, ein Mann mit Rückgrad! Nicht wie die beiden Türkenäffchen.
Zur Romantik: Nur wenn ich die Herzen erreiche, lässt sich was bewegen....
Zu Erdogans "Äffchen": Lass sie mal das alles entscheidende Tor machen, dann fragt keiner mehr nach irgend einer politischen Haltung...
Im Übrigen wäre genau dieser Sandro Wagner im Kontrast zu den beiden anderen Figuranten "Stoff" für ein hoch brisantes Theaterstück! Da transportiert "Fußball" zentrale Werte bzw. zeigt, wie man sie mit Füßen tritt