Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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"Nach einer wahren Begebenheit"
von Dieter_Rotmund
"Nach einer wahren Begebenheit" liest man oft im Vorfeld eines Kinofilms. Dies gibt es schon seit vielen Jahren. Es scheint zu ziehen, als Zuschauermagnet für die Kinogänger. Doch ist es wirklich solch ein großer Pluspunkt, in einen Film, erzählt "nach einer wahren Begebenheit", zu gehen?
Ein Werk, "nach einer wahren Begebenheit" erzählt, hat gewisse inhaltliche Vorgaben zu erfüllen. Es soll möglichst nahe an dieser "wahren Begebenheit" erzählt werden. Nimmt sich der Film zu viele Freiheiten heraus, dann treten die wahren Protagonisten dieser "wahren Begebenheit" empört öffentlich auf und deklamieren: "Aber so ist es doch gar nicht gewesen!" - und das ist Kassengift für solch einen Film. Erzählerische Freiheiten, die aus einem zunächst vielleicht nur mittelmäßigen Stoff einen richtig guten und mitreißenden Film machen? Fehlanzeige.
Nehmen wir zum Beispiel Francois Ozons aktuellen Film Gelobt sei Gott (orig. Grâce à Dieu): Die Handlung um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Frankreich plätschert so vor sich hin, nimmt sehr langsam Fahrt auf, hat eher eine flache Hügelkuppe als einen steilen Gipfelgrat als Höhepunkt und plätschert dann gefällig aus. Keine der Figuren kann so aufgebaut werden, dass man richtig mitfiebern kann, dass tief gefallen wird und wiederaufgestanden. Überraschende Wendungen sind - wie im richtigen Leben - sehr selten, also auch Mangelware in einem Film "nach einer wahren Begebenheit". Im wahren Leben ist das Timing eben ein anderes, da gehen auch schon mal Wochen ins Land, bevor sich was tut. Ozon erzählt das in Grâce à Dieu solide herunter, aber mitreißend ist das bestenfalls für Hobby-Häretiker, die sich aus persönlichen Gründen an der Kirche abarbeiten müssen. Der normale Kinogänger verlässt nach Grâce à Dieu das Kino, ohne nachhaltig beeindruckt zu sein. So ging es auch mir, nach dem ich das nette, kleine Kino an der Bergstraße verließ und mir ein viel zu warmer Oktoberabend ins Gesicht schlug. Ein Dokumentarfilm mit Interviews und Originalaufnahmen wäre ein besserer Film geworden. Ozon vermeidet sogar explizite Darstellungen wie der Teufel das Weihwasser. Die Schauspieler bemühen sich redlich (herrlich eklig: Yves-Marie Bastien als junger Priester), aber die Grenzen dieses "nach einer wahren Begebenheit" sind eng. Top-Regisseur Michael Haneke hätte dieses unsägliche Attribut über Bord geworfen und aus dem Stoff einen Film gemacht, der uns noch tagelang schwer im Magen gelegen hätte. Tja, hätte, hätte, Fahrradkette.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(24.10.19)
Mit geht es um das Etikett.
heute habe ich mal den Rot(mund)stift gezückt, und los geht es:
Zeile 3, "in einen Film" muss es heißen, denn es bezieht sich auf "zu gehen".
Zeile 13 = die Klammer hinter "Dieu" fehlt.
Zeile 14, Inversion des Nachdrucks = "eine eher"
Zeile 15, "Keiner der" = "Keine der"
Zeile 19 "das gehen" = "da gehen"
Zeile 21 "mitreissend = mitreißend
Viel Vergnügen bei der Korrektur.
Ciao, Frank
Manchmal machen solche Fehler sogar erst den Reiz des Geschriebenen aus, eine Stilblüte wird Stilmittel, usw. usf.
Ausschlaggebend ist da wohl eher, mit welchem Anspruch an einen Text herangegangen wird, bzw. wie sich ein Verständnis dafür entwickeln lässt.