Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Belfast
von Dieter_Rotmund
Liebe hier noch keine Texte veröffentlicht habenden Personen unbekannten, nicht-binären, diversen, nicht anerkannten oder grammatisch im Deutschen nicht darstellbaren Geschlechts auf keinverlag.de,
dies ist die wöchentlich erscheinende, nicht-analoge, literative, keinen Anspruch erhebende, im Deutschen paraphrasierbare Unisex-Kolumne über Film*innen und Fußballer:innen in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1937 auf keinverlag.de. Gästinnenkolumnen sind herzlich willkommen.
„Belfast“ ist ein Film des britischen Regisseurs und Schauspielers Kenneth Branagh („Murder on the Orient Express“ 2017, „Thor“ 2011 oder „Mary Shelley’s Frankenstein“ 1994), der noch vor dem zeitgleich laufenden „Death on the nile“ (2022), ebenfalls von Branagh, in den letzten Wochen in den bundesdeutschen Kinos gezeigt wurde. Was anfängt wie ein Werbefilm der nordirischen Tourismus-Behörde (und in seiner Seelenlosigkeit auch ähnlich abschreckend für ein Kinopublikum) ist ein halb-biographisches Werk des Regisseurs.
„Belfast“ nimmt die Perspektive des neunjährigen Buddy (Jude Hill) ein, der eine Welt wahrnimmt, die 1969 in der nordirischen Stadt zunehmend vom dem gewalttätigen Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken geprägt ist. Barrikaden und gewaltsame Demonstrationen gehören zum Straßenbild und verändern Buddys Alltag, wenn auch eher indirekt: Die Eltern denken darüber nach auszuwandern. Es ist ein Kampf zwischen Gefühl (Heimatverbundenheit) und Verstand (praktisch überall bessere Arbeits- und Umweltbedingungen als in Belfast), den der junge Buddy erlebt. Branagh flicht auch einige irische Folksongs in die Handlung ein (das bekannte „Danny Boy“ wird allerdings nur gegrölt), was aber etwas unbeholfen und unpassend wirkt. Wirklich besser gelingt dem Regisseur die Verbindungen von Buddys Leidenschaft für Filme mit dem tatsächlichen Geschehen auf der Straße zu verbinden. Zu den besten Szenen des Films zählt ein Duell zwischen Buddys Vater und dessen Widersacher inmitten zweier Phalanx von Polizisten und inmitten von fliegenden Steinen. Dazu kombiniert Branagh die Musik aus Fred Zinnemanns „High Noon (deutsch „Zwölf Uhr mittags“) von 1952 – ein herrlicher Anblick.
Der Regisseur entzieht sich auch weitgehend der Versuchung, Buddy allzu oft Plappereien á la „Kindermund tut Wahrheit kund“ zu äu0ern. Sehr viele Text-Zeilen hat Jung-Mime Jude Hill ohnehin nicht, dafür reden seine Film-Großeltern Pop (Ciaran Hinds) und Granny (Judy Dench) umso mehr, und man hört ihnen bei ihren schrulligen Weisheiten gerne zu.
Fazit: Erst letzte Woche schimpfte ich hier an dieser Stelle über Filme, die zu sehr dem spezische urbanen Lokalkolorit verbunden sind, nun gehe ich just in solch einem Film! Das prangere ich selbst an!
Doch Kenneth Branagh ist es gelungen, genug Distanz zu diesem für ihn sehr persönlichen Thema aufzubauen, was dem Film sichtlich gut tut (auch wenn die Straße, in der Buddy wohnt, sehr nach Studiokulisse aussieht).
Außerdem im Open Air-Kino gesehen: Einen Film namens Quistreham, dessen deutscher Verleihtitel Wie im echten Leben auch nicht viel besser ist (sondern weitaus dämlicher). Der internationale Titel Between two worlds macht es noch am besten, finde ich. In diesem Spielfilm von 2021, der seltsamerweise nicht in der wikipedia-Filmographie von Hauptdarstellerin Juliette Binoche auftaucht (wohl aber ihre Mitwirkung im 2022-Werk Avec amour et acharnement), geht es um folgendes journalistisches Grundproblem: Inwieweit darf eine/e Journalist:in inkognito recherchieren ohne seine eigene persönliche Integrität aufs Spiel zu setzen?
Außerdem im Kino gesehen:
The Tribe (Ukraine/Niederlande 2014). Verwahrloste Jugendliche, die derart verwahrlost sind, dass sie sich eine kriminelle Profit- und Ordnungsstruktur geschaffen haben, sodass sie nach außen hin unauffällig bleiben. Aber einer will mehr und alles kollabiert. Der Film hat sehr heftige Szenen, das ist nichts für Zartbesaitete! Außerdem ist der ganze Film in/mit Gebärdensprache, ohne Voice-Over, ohne Untertitel, wie krass ist das denn??? Sehr gerne gesehen, auch wenn ich oft schlucken musste.
Der Mann der die Welt aas (D 2022). Kleiner Film über einen großen Unsympathen. Mit anschließendem Filmgespräch.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(28.04.22, 07:52)
Orginalfassung: OF.