Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Am Waldesrand - ein Kino!
von Dieter_Rotmund
Eine alte Treppe führt hinauf zum Platz für die Zuschauer, das Areal ist zur Talseite hin durch einen mit Patina überzogenen, schmiedeeisernen Gartenzaun abgetrennt. An drei Seiten des Platzes stehen Feldwände, die zum Teil von Grün überwuchert sind. Über dem Ganzen erhebt sich der Wald, dunkel dräuend.
Weit hinauf sind wir gefahren, um ein einmaliges Open Air-Kinoerlebnis zu genießen. Alte Villen vermögender Gründerzeitdynastien reihen sich dort an den Hang, die Sträßchen sind schmal, kein Obdachloser von unten aus der lärmenden Stadt voller ruheloser Partystudenten und markenbehangener Shopperinnen stört den Geldadel. Alles ist dezent gepflegt, das Privileg der hier Lebenden heißt Ruhe. Der alte Volkswagen ächzte, das Tal wurde schmaler und schmaler, je höher wir uns hinaufwanden und die letzten Häuser zurückwichen wie die hohen Stämme an einer Baumgrenze.
Dann sahen wir sie: Die Leinwand. Allzu groß war sie nicht, aber majestätisch. Sie trug sichtbar das Versprechen ins enge Tal, das hier für einen der Natur abgerungenen Abend Kultur einziehen möge. Schranken vor dem Forstwald verhinderten die Weiterfahrt in größere Höhen des engen Tals, aber wir waren ja angekommen: Freude schöner Kinofunken.
Gespielt wurde am Waldesrand Hunt for the Wilderpeople (NZL 2016): Ein ungleiches Paar auf der Flucht. Seit The Defiant Ones (USA 1958) ein beliebter cinematographischer Topos, und dann in L'Emmerdeur (F/I 1973, mit Lino Ventura), mehr noch in Les Fugitifs (F 1983, mit Gerard Depardieu) wurde das Thema gekonnt auf die europäische-komödiantische Ebene verlagert. Doch Hunt for the Wilderpeople-Regisseur Taikas Waititi setzt noch einen drauf: Die Flüchtenden sind ein Knattersack und ein pubertierender Ausreißer, die Handlung ist furios und mit guten Gefühl für den Rhythmus-Wechsel zwischen Action und Dialogen umgesetzt.
Wir amüsierten uns und tranken Weizenbier aus der Kühlbox. Herrlich!
Ricky Baker: I ran out of toilet paper, give me some of yours.
Hec: Eh?
Ricky Baker: I've gotta poop. I need to poop, you need to poop, we all poop.
Hec: Use a leaf.
Ricky Baker: A leaf? Ugh! I hate you.
[Ricky walks away]
Hec: And bury it!
Ricky Baker: I'll bury you.
Am nächsten Abend trieb es mich wieder ins Kino. Wieder sollte es ein ungleiches Paar sein, und dieses Mal war es nur ein schnödes Multiplex-Kino. Doch welch' Enttäuschung! In The Lost City (USA 2022) agieren die Schauspielerinnen und Schauspieler so überzeugend wie ein Spülschwamm, hätte dieser alle Rollen übernommen (Sorry to Spongebob Squarepants). Die an sich nette Geschichte wurde völlig seelenlos umgesetzt. Mehrere Male haderte ich mit mir, ob ich die Vorstellung nicht vorzeitig verlassen sollte. Doch zuhause lärmte noch bis spät ein dämliches Straßenfest, und so blieb ich. Wie gerne dachte ich in diesen Momenten doch an das Kino am Waldesrand zurück!
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(14.07.22, 12:03)
Das mit dem "Feldwänden" ist blöd, aber leider kann ich es nicht ändern, sorry.