Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
(bisher 4.451x aufgerufen)
We are Family
von Lala
Wie angedroht geht es in dieser Folge, um die Next Generation des Star Trek Universums. Wie gehabt kümmert sich der Autor nicht darum wer, was, wie schon zum Besten gegeben hat.
Haben wir das Kirksche Universum in der ersten Folge als ein männlich, solipsistisches Universum kennengelernt, welches auch autistisch zu nennen ist, kommt nun der Franzose Picard, der neue Kirk, Jean Luc zwar mit einem alten Schiff - zumindest vom Namen her – aber er kommt mit einer echten Crew auf den Schirm.
Jean-Lucs Team, die Crew, nicht die „Mannschaft“, ist nicht mehr sternförmig um den Captain, den Sonnenkönig und Kaiser, angeordnet. Deutlichstes Zeichen hierfür: Wir haben eine Nummer Eins an Bord, aber es ist nicht der Captain.
Während sich auf der alten Enterprise alles um den ersten Butler seines Schiffes, vollnamentlich: James Tiberius Kirk, drehte, ja alles Kirk war und außerhalb dieses Kirkenschiffes nichts galt, gilt bei Jean-Luc, dem neuen „mon capitan“, das Prinzip: „We are Family“.
Möglicherweise ist Picard auch deshalb Franzose, um den altmodischen Kirkschen Testosteron - und Männlichkeitswahn zu durchbrechen. „We are Family“ im Sinne eines „Cage aux Folles“ auf dem Enterprise-Narrenschiff.
Wenn Picard seinen Standardsatz: „Machen sie es so“ sagt, dann liegt er unten und nicht oben. Auf der alten Enterprise hat nur einer gemacht und missioniert: Kirk, James T. Delegieren war nicht angesagt, denn delegieren geht nicht in einem autistischen Universum.
The Next Generation vertraut dagegen auf ein emanzipiertes Ensemble der Charaktere. Den Figuren wird Entwicklungsraum gelassen. D.h. sie werden nicht nur auf eine Funktion für Kirk, im Sinne von Auge, Ohr, Gefühl, Verstand, beschränkt, sondern man lässt sich die Möglichkeit offen, diese Figuren zu entwickeln.
Figur ist überhaupt das Stichwort für die Abenteuer der Crew unter dem Kommando von Picard und keine Figur ist so gut geeignet, um das zu illustrieren, wie die Figur des Roboters Data. Der Automat Data strebt, wie die Puppe, die Figur des Pinocchio nach Vollendung. Es möchte Mensch werden, was in meinem unterstellten Sinne heißt: Es möchte ein Charakter werden und nicht auf Funktion, auf Data beschränkt bleiben, wie es auf einem Kirkschiff oder anders gesagt: wie es im Mittelalter, wie es in einem feudalen System nicht anders denkbar ist.
Wer könnte einer solchen Pinocchio-Figur ein besserer Pate sein, als ein britischer Charakterdarsteller und Theatergott wie Patrick Stewart, der als Darsteller des Jean-Luc Picard gewonnen werden konnte? Niemand.
Das Zusammenspiel der Figuren Picard und Data, wenn man sich die Zeit nimmt, das über mehrere Folgen hinweg zu beobachten, ist in meinen Augen, eines der seltenen Glücksfälle der Unterhaltungskultur wo sich scheinbar simple Zusammenhänge und Dramaturgien, durch das gekonnte (Zusammen)-Spiel der Figuren, getragen von Skripten, die sich auf Augenhöhe mit Thema und Sujet beschäftigt haben, eine Größe, Tiefe, Spielkunst und, am Ende des Prozesses, also schon in der Reflektion, sogar allerfeinste Ironie offenbaren. Derartige Glücksmomente hätte ich bei SAT 1., Nachmittags zwischen drei und fünf, nie vermutet. Ein Lehre, die mich demütig machte, vor der sogenannten U-Kultur.
Aber bevor ich auf dieses Duo (Data/Picard) wieder zurückkomme, muss ich zuvor auf die große Familie der neuen Enterprise zurückkommen. Übrigens das Schiff, die neue Enterprise, welches ja eigentlich nur der Körper des alten Kommandanten Kirks war, ist nicht mehr der gesunde, stolze und ehrfüchtig bewunderte Körper. Bestens zu erkennen an der Eröffnungs-Sequenz des ersten Kirk Kinofilms: „Star Trek: The Movie“. Dort wird die Enterprise riefenstahlbrekerbombastpopmäßig verherrlichend in Szene gesetzt – ein Motiv übrigens, welches sich in dem sogenannten Prequel von J. J. Abrams aus dem Jahre 2010 übrigens 1 a wiederholt -.nur dass das Schiff – Prequel halt - dort noch in Bau ist. Bei der Next Generation ist die Enterprise nur noch ein Schiff. Ein Werkzeug. Keine heilige Kuh mehr und wird auch folgerichtig geschlachtet, wie wir gleich sehen werden.
Um den Sinneswandel und den Zeitenbruch, weg vom patriarchalischen Kirk, hin zum Familien- und Teamplayer, hin zur These, dass der Star das Team ist, noch mehr zu verdeutlichen, beginnt der erste Film der New Generation, Treffen der Generationen, auf einem – wenn auch virtuellem - Segelschiff. Einem Holzschiff. Nüscht besonderes. Es beginnt auf einem virtualisierten Schiff, auf dem die neue Crew, im besten Sinne eines Segelschulschiffs, das Segeln trainiert. In oder auf einem Körper also, der aufs Teamplay angewiesen ist.
Bei Segel, Dreispitzhüten, Tampen und Bugspriet muss ich auch immer an Captain Hornblower und (die) Victory denken, aber auch an Captain Bly und die Bounty.
Die Meuterei der New Generation zeigt sich darin, dass dieses vermeintlich stolze Schiff, die Enterprise, gleich im ersten Kino Film mutwillig in Untertassen- und Antriebssektion auseinandergebrochen wird.
Während die Antriebssektion einem Angriff geopfert wird und explodiert, wird die Untertassensektion der Enterprise zusätzlich, quasi als filmische Antithese zur oben erwähnten pathetischen Einführungssequenz der Enterprise im ersten Star Trek Film, mit ebenso großer Wucht und sehr ausgiebig in Szene gesetzt, auf den harten Boden der Tatsachen gedonnert – aber deren Insassen, die Crew, gerettet. Diese Bruchlandung kommandiert der als Nachfolger für die Rolle des Abenteurers und Helden vulgo Kirk installierte Commander: William T. Riker. Man beachte das T. im Namen und denke an Captain James T. Kirk.
Riker wird vor allem, wenn nicht sogar ausschließlich, von Papa Jean-Luc „Nummer Eins“ gerufen. Aber diese Nummer Eins, sie ist nicht Schmidt, sie ist Schmidtchen. Sie ist ein kastrierter Kirk. Der möglicherweise disharmonisch verlaufende Vater Sohn Konflikt zwischen der „Nummer Eins“ und dem Papa-Schlumpf Picard wird leider nicht an- oder auserzählt. Die Figur des Rikers entwickelt sich nicht, obwohl sie das Potential dafür hätte.
Daran scheint – bei meiner Lesart dieses Universums – eine sadistische Ader der Drehbuchautoren schuld zu sein, die scheinbar jedem, der ein T. im Namen trägt, für tot und schlapp erklärt.
Dafür aber gewinnen auf der neuen Enterprise, die weiblichen Figuren mehr an Bedeutung und an Raum. Zum einen in der Gefühlsexpertin oder Schiffspsychologin mit übersinnlichen Fähigkeiten: Deanna Troi und zum anderen: die moderne, alleinerziehende Mutter und Schiffsärztin Beverly Crusher. Bei der einen lernen wir die Mutter kennen, bei der anderen ihren Sohn. Enterprise goes Lindenstraße.
In der ersten Staffel der Next Generation wagte man es sogar – ausgerechnet - den so gar nicht esoterischen Waffenoffizier des Schiffes mit einer weiblichen Figur zu besetzen: Tasha Yar. Ich befürchte, dass nicht nur im Star Trek Universum, eine konzentrierte Essenz von Bösartigkeit Schuld am Tod dieser Figur ist.
Zurück zu Data und Captain Picard. Paradoxerweise spielt der, der die Puppe spielt facettenreicher seine Rolle, als der Shakespeare Darsteller. Der agiert oft so schematisch wie Computer Programme, die beim Turing Test durchfallen: „Machen Sie es so.“, „Energie“ oder das demonstrative glattziehen seiner Uniform. Während mir bei dem Roboter Data spontan keine derartigen Verhaltensschemata einfallen. Allerdings gelingt es Steward, die Figur nicht albern werden zu lassen. Im Gegenteil. Die Neugier Datas menschliche Verhaltensweisen zu verstehen bzw. nachzuahmen (sei es die Haustierhaltung oder eine Beziehung einzugehen) führt zu Situationen, die menschliches Verhalten oder das was dafür gehalten wird recht absurd erscheinen lässt. Spätestens wenn Picard feststellt, dass Data, der Roboter, über ein Selbstbestimmungsrecht verfügt und kein Ding ohne eigenen Willen ist, ist klar, dass Pinocchio nicht Mensch werden muss, um als Figur bestehen zu können. Er ist es schon. Er hat die Holzpuppe längst hinter sich gelassen und hängt an keinen Strippen mehr. Er ist. Dieses Sein, die Existenz und Realität einer Figur, wird nochmals in einer einzigen Folge „Ship in a bottle“ durchgespielt.
Das berühmte Holodeck der Enterprise, in der sich alle möglichen virtuellen Welten „realisieren“ lassen, wird von einer im Computerprogramm des Holodecks gespeicherten Figur, Professor Moriarty, gekapert und die eigentliche Crew der Enterprise merkt zunächst nicht, dass sie in einer Simulation dieser Figur gefangen sind und beginnen zu glauben, dass Moriarty „real“ geworden ist. Und das ist er in gewisser Weise auch. Am Ende dieser Folge erhält Moriarty das Schiff und seine Freiheit (natürlich nicht wirklich), aber als Zuschauer bleibe ich mit der Frage zurück wie real man selbst und die Simulation ist, in der man gefangen zu sein scheint. Aber nicht nur das, ich fragte mich auch, wie real diese Trekkie Figuren eigentlich geworden sind? Mir scheint, dass das Star Trek Universum so real geworden ist wie die Milchstraße. In diesem Sinne: Machen wir es so! und Energie.
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
Das mit Data und seiner Entwicklung und Picards Verhalten hast Du sehr schön geschildert, finde ich. Data ist eine erstklassige Erfinden der Autoren, und geht in seinem Facettenreichtum deutlich über Spock hinaus. - Obwohl ich natürlich an Mr. Spock hänge, so als Klassiker *g*.
Tasha Yar war eine gute Figur - nicht so das Weibchen, sondern zielorientiert, nüchtern und klar.
Die Familie Crusher hingegen könntest Du mir vor die Haustür legen, und ich würde Leuten Geld anbieten, damit sie woanders hin gebracht werden, gerne in einen anderen Kontinent. Ich finde beide unangenehm. Der Sohn ist so ein untypischer Jugendlicher, immer korrekt, immer organisiert, brav wie sonstwas, gehorcht immer, er hat einfach nullkommanull Ausstrahlung (der Sohn von Captain Sisko dagegen war wesentlich glaubwürdiger).
Mutter Crusher nervt. Diese Ich-habe-ganz-tolle-Haare-und-auch-immer-Verständnis-Attitüde - boah, nee.
Leider durfte die Ersatzärztin nur eine Staffel (meines Wissens) mitspielen, weil die andere Schauspielerin da nicht konnte. Dr. Pulaski war total klasse, fand ich. Sie hatte Persönlichkeit, einen eigenen Kopf, und mehr als einmal verdrehte Picard die Augen... viel lebendiger und unterhaltsamer als die Crushers.
Ryker war meiner Meinung nach anfangs ein recht hölzerner Schauspieler als Nr. 1, er bewegte sich immer, als ob er einen kleinen Stahlträger in seinem Rückgrat hatte. Ein paar Jahre später, in diesem Spielfilm mit ähm... *nachschlag* Dr. Cochrane (ein herrlicher Schauspieler), da war Ryker langsam lockerer in seinen Bewegungen. Aber von Funktion und Charakter passt Deine Beschreibung gut - ein wenig bissig, aber gut .
Ach, bevor ich es vergesse - es gibt eine schöne Seite namens "Spock is not impressed", wo immer die gleiche Spock-Figur in alles Mögliche reinkopiert wird. Manches ist durchschnittlich, aber es gibt auch Highlights (Ich sag nur "Queen Elisabeth"):
http://spockisnotimpressed.tumblr.com/
das Problem beim Schreiben war, dass mir Form und Faden verloren ging. Das Ding wuchs und wuchs und wurde uferlos und irgendwie hatte ich noch immer nicht alles drin. Dann kürzte ich und so richtig geworden ist es auch nicht. Aber ich finde es ist nicht nichts geworden - Abschnittsweise. Wahrscheinlich ist mir die Distanz verlorengegangen. Mit dem Kopf in der Kiste verliert man den Überblick.
Familie Crusher ist auch nicht mein Ding, aber es gibt sie, es gibt Kinder und Soap ähnliche Versatzstücke. Mutti Troi ist auch so ein Element. In der ersten Staffel waren m. E. alle Figuren deutlich hölzerner, nicht nur Riker und der fiel - trotz Bartwuchs - für mich immer gegenüber den anderen ab. Danke - gerade weil es nicht impressed hat, fürs lesen und kommentieren.
So, jetzt muss ich mich wieder um S-Vergleiche und F-Paraden kümmern
Gruß
Lala