Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Montag, 31. Oktober 2011, 18:57
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Indem die Lebendigen schweigen

von  AlmaMarieSchneider


Beim Einkaufen im Supermarkt fiel mir das riesige Angebot an Grabgestecken auf und die vielen kleinen Laternchen. Das Meiste davon billige Massenware, doch es gab auch einige Laternchen, die in ihrer filigranen Art richtig schön waren. Plötzlich fiel es mir ein. Am 1. November ist ja Allerheiligen, am 2. November Allerseelentag und am 21. November der Totensonntag der Evangelischen. An diesen Tagen gedenken die Menschen ihrer Verstorbenen, legen kleine Blumengebinde auf die Gräber und stellen diese Laternchen auf. Die Nachfrage schien zumindest groß zu sein.

Aber was, wenn man gar nicht gerne an einige Verstorbene denken mag, weil man ihnen schon zu Lebzeiten lieber aus dem Wege ging? Über Tote soll man nicht schlecht reden, sagte meine Mutter damals als im Dorf ein Mann starb und meine Tante in ihrer offenen Art meinte, dass diesem Dreckskerl wohl keiner hinterher weinen würde. Für mich war dieser Ausspruch meiner Mutter prägend und nach ihrem Tod waren alle Menschen gut. Der Säufer, der seine Frau und Kinder schlug, der Vorgesetzte, der seine Mitarbeiter demütigte, ihnen ihre Existenz nahm, weil er Lust darauf hatte und der Mörder genauso wie der Dieb oder der Ungerechte. Auf keinem Grabstein habe ich bisher gelesen, dass hier ein Mörder oder Tierquäler, ein Räuber oder Betrüger ruht. Im Tod sind alle gleich, lernte man und schweigt über begangene Untaten, so als hätten diese Menschen nur gute Seiten gehabt. Oft wird von den Angehörigen ein wunderliches Gebäude an Entschuldigungen und verdrehten Tatsachen errichtet. Die Wunden und Toten, die der Tote hinterließ wird es wohl nicht heilen. Aber ist der Spruch im Evangelium Matth. 8,22 nicht zu großzügig „Lasset die Toten ihre Toten begraben“, steht dort.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 loslosch (01.11.11)
doch! die römer waren da ziemlich brutal und offen.

der bibelspruch wird von den gottesforschern gewunden gedeutet:

"Denn in dem Spruch von Toten, die ihre Toten begraben sollen, geht es nicht mehr um unsere üblichen "religiösen Fragen": ob man einer Kirche zugehört oder nicht, ob man aktiv ist oder nicht. Hier geht es darum, wem wir nachfolgen, woran wir uns binden, wieviel wir unseren Hoffnungen zutrauen und wie sehr wir uns von dem, was wir erhoffen, jetzt schon in Anspruch nehmen lassen."

Prof. Claus-Peter März, Theologische Fakultät Erfurt

wahre theologei. lo

 EkkehartMittelberg (01.11.11)
Deine schwierige Schlussfrage treibt mich um, Alma Marie.
Die Skrupel fest im Glauben stehender Christen sind nicht meine.
Atheisten und Agnostiker sollten mit ihrer ehrlichen Meinung nicht zurückhalten, so, wie es deine Tante getan hat. Da es viele Ungläubige gibt, kann man sicher sein, dass Schweine nach ihrem Tode als solche bezeichnet werden.
Ekki

 AlmaMarieSchneider (15.11.11)
Danke loslosch und Ekki.

Die Toten können IHRE Toten nur begraben, indem die Lebendigen schweigen. Warum steht auf keinem Grabstein: "Er war der Mörder von..." oder beim Opfer "Wurde am ... ermordet von..."
So wird geschwiegen und vergessen. Vergessen ist begraben.
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