KENNETH, DER SHERIFF UND CHUCK BERRY

Kurzprosa zum Thema Leben

von  Sekundärstille

KENNETH, BONNY AND CLYDE

Die Hitze sorgte dafür, dass der Horizont sonderbar schimmerte. Die Straße, die nach East Village führte, schien sich endlos auszubreiten. Bis auf das Diner, das ziemlich verlassen in der Einöde stand, war da nichts, was einen an diesem Ort gehalten hätte.
Kenneth bewegte sich vorsichtig, denn sein Arm schmerzte.
Er hatte sich ein weißes Hemd über den nackten Oberkörper gezogen, damit man die Einschusswunde nicht sehen konnte. Ihm lief der Schweiß übers Gesicht und er hinkte.

Kenneth riss die Türe des Diners auf. Es war leer bis auf eine Blondine, die an der Bar saß und dem Barkeeper, der in Zeitlupe ein Glas polierte. Dream Lover lief aus einer Mono-Box.

Langsam verfärbte sich das weiße Hemd am Oberarm blutrot.
Er hievte sich auf einen der Hocker neben die Blondine, die an ihrem Milchshake nippte und ihn im Augenwinkel musterte. Mit dem unverletzten Arm griff er sich an den Gürtel, zog einen chromglänzenden .38er Revolver heraus und legte ihn vor sich auf den Tresen.
„Was ist mit Deinem Arm passiert?“ flüsterte die Blondine.
„Das waren die Cops. Verdammt, das hätte nicht passieren dürfen.“
Der Barkeeper füllte ein Colaglas mit Leitungswasser und stellte es vor Kenneth auf den Tresen.
Kenneth trank in großen Schlucken. Er fixierte den Barkeeper und dann die Blondine.
„Merkt Euch meinen Namen. Heute Abend bin ich in Vegas und dann wird die ganze Stadt von mir sprechen.“
„Nimm Cassy mit“, sagte der Barkeeper. Und zu der Blondine gewandt: „das war doch immer Dein Traum, nach Vegas zu kommen.“
„Ja, nimmst Du mich mit, wir zwei, Bonny und Clyde?“ Cassy fixierte ihn mit funkelnden Augen.

Draußen waren quietschende Reifen zu hören. Im Spiegel über der Bar Blaulicht.
„Sieht wohl nicht gut aus?“ stellte der Barkeeper nüchtern fest.

DER SHERIFF

Guy Peachcroft, genannt Officer Pomadenhaar, der mit 33 schon alles erreicht hatte, was man in diesem Wüstenkaff im Dienste der Polizei erreichen konnte, hielt mit quietschenden Reifen.
Seelenruhig nahm er seinen Cowboyhut vom Beifahrersitz, setzte ihn auf, kontrollierte den perfekten Sitz im Spiegel.
Peachcroft liebte Chuck Berry. Seine Hände trippelten auf dem Lenkrad zu „Roll over Beethoven“.
Es hätte heute ein schöner, sonniger Tag werden können. Wie immer. Wäre da nicht dieser verdammte Bankräuber gewesen.

Er war gerade dabei, mit Linda Walter, der unwiderstehlichen Sekretärin zu knutschen, als die Türe zum Sheriffbüro aufflog. Irgendein Deputy stürmte hinein und berichtete aufgeregt von einem Schusswechsel in der Filiale der 1st Republic Bank.
Peachcroft schenkte der sichtlich erschrockenen Linda sein schönstes, weißestes Strahlelächeln und sagte „Baby, Amerika braucht mich. Ich bin schneller wieder da, als Du Dein Kleid ausziehen kannst“. „Pass auch Dich auf“ hauchte sie.

Und nun war er hier. In dieser verdammten Einöde vor diesem verdammten Diner.
Hinter ihm hielten die anderen Polizeiwägen. Warum stellten sie die Sirenen nicht ab?
Er wäre am liebsten zu Chuck Berry da rein getrippelt, hätte den Typen dingfest gemacht und fertig. Diese Sirenen störten den ganzen Flow.
Peachcroft nahm eine Pepsi aus dem Getränkehalter, genehmigte sich ein paar Schlucke, schob die goldgeränderte RayBan zurück, griff nach dem Colt und stieg aus.

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