6. Kapitel
Text
von Pearl
Tim war besonders. Und er wusste es. Er war der Sohn einer Selkie Frau und eines Menschen. Es gab nur sehr wenige männliche Selkies auf der Welt: er war einer von ihnen.
Doch was den ein Meter siebzig großen, muskulösen Jungen wirklich auszeichnete, war sein goldenes Herz. Er setzte sich für die Rechtlosen und Schwachen ein. Seine eigene Geschichte lehrte ihn, Mitgefühl für Andere zu haben.
In bitterarmen Verhältnissen aufgewachsen, hatte er herrenlose Tiere auf der Straße aufgesammelt und großgezogen. Er war auf Demos gegen Reis und Mais an der Börse gegangen und wollte Arzt werden, um in der Dritten Welt den Ärmsten der Armen zu helfen.
Aber seine Eltern wechselten die Seiten, weil sie die Armut satt hatten. Sie fanden Arbeit in einer der Banken von Thomas L. Gresham. Finanziell ging es aufwärts. Doch nun wollten sie von ihm, dass er sich nur mit den Starken und Mächtigen einließ. Dass er die Schwachen piesackte.
Also lief er weg, wieder und wieder. Seine Familie spürte ihn mit der Hilfe der anderen dunklen Zwischenwesen immer auf. Und da sie Angst hatten, dass er sie verraten würde, ließen sie ihn für unzurechnungsfähig erklären und in die Geschlossene einweisen.
Von psychisch Kranken umgeben, schaffte er es, selbst gesund zu bleiben. Und im Grunde mochte er die Jugendlichen und Kinder in der Klinik lieber als die draußen. War er doch selbst sein Leben lang ein Außenseiter gewesen.
„Wir haben ihn gefunden“,
Arielle flatterte aufgedreht im Zimmer herum. Heute trug sie ein tiefblaues, enganliegendes Ballkleid und schwarze High Heels. Mein Gott, diese Frau war so etwas von fancy. Wenn Cynthia sie auch sehen könnte, würden die Beiden sich wohl blendend verstehen.
„Beruhige dich, Arielle. Wen habt ihr gefunden?“
„Den Selkie Mann! Er heißt Tim und seine Eltern haben ihn in die Psychiatrie sperren lassen, weil er zu den Guten gehört.“
„Tim? Selkie? Ich verstehe nur Bahnhof.“
„Selkies gehören zu uns Halbwesen. Eigentlich sind sie Robben. Doch sie legen ihr Fell ab, wenn sie an Land kommen.“
Sie verdrehte genervt die Augen. „Du solltest dich endlich weiterbilden: Märchen und Mythologien lesen... Jedenfalls hat eine Sirene, die als Psychiaterin in besagter Klinik arbeitet, ihn als Selkie identifiziert. Was nicht schwer war, denn er war Tag und Nacht in sein Robbenfell eingewickelt.“
Auf einmal schaute sie grimmig aus.
„Wie die Sirenen müssen Selkies regelmäßig in Salzwasser baden. Er wird sterben, wenn er nicht bald wieder ins Wasser kann. Seine Mutter wusste das. Sie hätte den Tod ihres eigenen Sohnes in Kauf genommen, um das Geheimnis der dunklen Mächte zu schützen.“ Angewidert spuckte sie aus.
„Sorry, aber das regt mich unglaublich auf. Er ist schon ganz ausgetrocknet und runzelig.“
Arielle sah mir tief in die Augen.
„Wir Halbwesen können uns unsere Liebe nicht immer selbst aussuchen. Manche von uns sind füreinander bestimmt. Tere, Tim ist dein Seelenpartner. Du musst dir Garett aus dem Kopf schlagen.“ Sie seufzte.
„Ich dachte du könntest noch ein bisschen Spaß haben, bevor wir ihn finden. Aber nun… dein Platz ist an seiner Seite. Es geht um mehr als um Liebe. Es geht um das gesamte Universum. Er wird dir helfen, den Kampf zu gewinnen.
Am nächsten Tag veranstalteten mein Kunstkurs und Garetts Biologiekurs einen gemeinsamen Ausflug in das Goddards House und seinen Garten. Das nennt man dann wohl echtes Timing.
Während unser Lehrer Mr. Smith uns Anekdoten aus dem Leben des Schokoladenfabrikanten Noel Terry erzählte und uns durch dieses wunderschöne Haus der 1920 - 30er Jahre führte, fühlte ich fortwährend Garetts Blick auf mir ruhen.
Als wir schließlich durch den Garten streiften und uns das Gewächshaus ansahen, stellte ich mich alleine an den Teich, beobachtete die surrenden Libellen und dachte daran, dass ich nur noch zwei Tage so zerbrechlich wie sie sein werde. Am Samstag war mein Geburtstag und ich würde mich in eine unwiderstehlich starke Sirene verwandeln.
„Es ist sehr schön hier. Nicht wahr?“
Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass Garett neben mich getreten war.
„Doch ja.“
Mein Atem stockte. Was sollte ich ihm sagen?
„Du bist Teresa, stimmt`s?“
Oh, er kannte meinen Namen.
„Und du bist der berühmte Garett Gresham.“
Ich lächelte unwillkürlich. Doch meine Worte schienen ihm peinlich zu sein, denn er wurde puterrot.
„Sorry, das habe ich nicht böse gemeint. Es ist nur so, seit du zu unserer Schule gehörst, bist du das Gesprächsthema Nummer eins.“, erklärte ich mich.
„Besser wir wechseln das Thema.“ Nun lächelte auch er. „Ich habe gehört, dass du eine sehr begabte Pianistin bist.“
Nun war es an mir, rot zu werden. Es überraschte mich, wie viel er von mir wusste.
„Ja, ich spiele sehr gerne Klavier. Ob ich begabt bin, weiß ich aber nicht. Spielst du denn ein Instrument?“
„Ja!“ Er schien sich über meine Frage zu freuen.
„Ich bin Schlagzeuger. Als wir noch in New York lebten, war ich auch in einer Band. Doch hier in England… ehrlich gesagt, habe ich noch keine Freunde gefunden.“
Das machte mich traurig. Denn ich wusste, dass die anderen Jungs unglaublich eifersüchtig auf ihn waren. Es würde hier nicht einfach für ihn werden, neue Freunde zu finden. Doch dann fiel mir jemand ein.
„Was ist mit, ähm, Sirin?“, fragte ich ihn, während sich mein Gesicht wieder in eine Tomate verwandelte.
Das schien ihn nun zu amüsieren. Er schmunzelte.
„Sie ist eine Freundin meiner Familie. Doch ich würde sie nicht als wirkliche Freundin von mir bezeichnen.“
„New York fehlt dir wohl sehr?“
Ich versuchte meine Freude über seine Aussage zu Sirin zu verbergen.
„Ich meine, hier musst du dich unglaublich langweilen.“
„Na ja, ich muss zugeben, anfangs wollte ich nur noch zurück.“
Nun blickte er auf den Boden, doch klar und deutlich meinte er:
„Seit ich dich aber gesehen habe, will ich an keinem anderen Ort in diesem Weltall mehr sein.“
Doch was den ein Meter siebzig großen, muskulösen Jungen wirklich auszeichnete, war sein goldenes Herz. Er setzte sich für die Rechtlosen und Schwachen ein. Seine eigene Geschichte lehrte ihn, Mitgefühl für Andere zu haben.
In bitterarmen Verhältnissen aufgewachsen, hatte er herrenlose Tiere auf der Straße aufgesammelt und großgezogen. Er war auf Demos gegen Reis und Mais an der Börse gegangen und wollte Arzt werden, um in der Dritten Welt den Ärmsten der Armen zu helfen.
Aber seine Eltern wechselten die Seiten, weil sie die Armut satt hatten. Sie fanden Arbeit in einer der Banken von Thomas L. Gresham. Finanziell ging es aufwärts. Doch nun wollten sie von ihm, dass er sich nur mit den Starken und Mächtigen einließ. Dass er die Schwachen piesackte.
Also lief er weg, wieder und wieder. Seine Familie spürte ihn mit der Hilfe der anderen dunklen Zwischenwesen immer auf. Und da sie Angst hatten, dass er sie verraten würde, ließen sie ihn für unzurechnungsfähig erklären und in die Geschlossene einweisen.
Von psychisch Kranken umgeben, schaffte er es, selbst gesund zu bleiben. Und im Grunde mochte er die Jugendlichen und Kinder in der Klinik lieber als die draußen. War er doch selbst sein Leben lang ein Außenseiter gewesen.
„Wir haben ihn gefunden“,
Arielle flatterte aufgedreht im Zimmer herum. Heute trug sie ein tiefblaues, enganliegendes Ballkleid und schwarze High Heels. Mein Gott, diese Frau war so etwas von fancy. Wenn Cynthia sie auch sehen könnte, würden die Beiden sich wohl blendend verstehen.
„Beruhige dich, Arielle. Wen habt ihr gefunden?“
„Den Selkie Mann! Er heißt Tim und seine Eltern haben ihn in die Psychiatrie sperren lassen, weil er zu den Guten gehört.“
„Tim? Selkie? Ich verstehe nur Bahnhof.“
„Selkies gehören zu uns Halbwesen. Eigentlich sind sie Robben. Doch sie legen ihr Fell ab, wenn sie an Land kommen.“
Sie verdrehte genervt die Augen. „Du solltest dich endlich weiterbilden: Märchen und Mythologien lesen... Jedenfalls hat eine Sirene, die als Psychiaterin in besagter Klinik arbeitet, ihn als Selkie identifiziert. Was nicht schwer war, denn er war Tag und Nacht in sein Robbenfell eingewickelt.“
Auf einmal schaute sie grimmig aus.
„Wie die Sirenen müssen Selkies regelmäßig in Salzwasser baden. Er wird sterben, wenn er nicht bald wieder ins Wasser kann. Seine Mutter wusste das. Sie hätte den Tod ihres eigenen Sohnes in Kauf genommen, um das Geheimnis der dunklen Mächte zu schützen.“ Angewidert spuckte sie aus.
„Sorry, aber das regt mich unglaublich auf. Er ist schon ganz ausgetrocknet und runzelig.“
Arielle sah mir tief in die Augen.
„Wir Halbwesen können uns unsere Liebe nicht immer selbst aussuchen. Manche von uns sind füreinander bestimmt. Tere, Tim ist dein Seelenpartner. Du musst dir Garett aus dem Kopf schlagen.“ Sie seufzte.
„Ich dachte du könntest noch ein bisschen Spaß haben, bevor wir ihn finden. Aber nun… dein Platz ist an seiner Seite. Es geht um mehr als um Liebe. Es geht um das gesamte Universum. Er wird dir helfen, den Kampf zu gewinnen.
Am nächsten Tag veranstalteten mein Kunstkurs und Garetts Biologiekurs einen gemeinsamen Ausflug in das Goddards House und seinen Garten. Das nennt man dann wohl echtes Timing.
Während unser Lehrer Mr. Smith uns Anekdoten aus dem Leben des Schokoladenfabrikanten Noel Terry erzählte und uns durch dieses wunderschöne Haus der 1920 - 30er Jahre führte, fühlte ich fortwährend Garetts Blick auf mir ruhen.
Als wir schließlich durch den Garten streiften und uns das Gewächshaus ansahen, stellte ich mich alleine an den Teich, beobachtete die surrenden Libellen und dachte daran, dass ich nur noch zwei Tage so zerbrechlich wie sie sein werde. Am Samstag war mein Geburtstag und ich würde mich in eine unwiderstehlich starke Sirene verwandeln.
„Es ist sehr schön hier. Nicht wahr?“
Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass Garett neben mich getreten war.
„Doch ja.“
Mein Atem stockte. Was sollte ich ihm sagen?
„Du bist Teresa, stimmt`s?“
Oh, er kannte meinen Namen.
„Und du bist der berühmte Garett Gresham.“
Ich lächelte unwillkürlich. Doch meine Worte schienen ihm peinlich zu sein, denn er wurde puterrot.
„Sorry, das habe ich nicht böse gemeint. Es ist nur so, seit du zu unserer Schule gehörst, bist du das Gesprächsthema Nummer eins.“, erklärte ich mich.
„Besser wir wechseln das Thema.“ Nun lächelte auch er. „Ich habe gehört, dass du eine sehr begabte Pianistin bist.“
Nun war es an mir, rot zu werden. Es überraschte mich, wie viel er von mir wusste.
„Ja, ich spiele sehr gerne Klavier. Ob ich begabt bin, weiß ich aber nicht. Spielst du denn ein Instrument?“
„Ja!“ Er schien sich über meine Frage zu freuen.
„Ich bin Schlagzeuger. Als wir noch in New York lebten, war ich auch in einer Band. Doch hier in England… ehrlich gesagt, habe ich noch keine Freunde gefunden.“
Das machte mich traurig. Denn ich wusste, dass die anderen Jungs unglaublich eifersüchtig auf ihn waren. Es würde hier nicht einfach für ihn werden, neue Freunde zu finden. Doch dann fiel mir jemand ein.
„Was ist mit, ähm, Sirin?“, fragte ich ihn, während sich mein Gesicht wieder in eine Tomate verwandelte.
Das schien ihn nun zu amüsieren. Er schmunzelte.
„Sie ist eine Freundin meiner Familie. Doch ich würde sie nicht als wirkliche Freundin von mir bezeichnen.“
„New York fehlt dir wohl sehr?“
Ich versuchte meine Freude über seine Aussage zu Sirin zu verbergen.
„Ich meine, hier musst du dich unglaublich langweilen.“
„Na ja, ich muss zugeben, anfangs wollte ich nur noch zurück.“
Nun blickte er auf den Boden, doch klar und deutlich meinte er:
„Seit ich dich aber gesehen habe, will ich an keinem anderen Ort in diesem Weltall mehr sein.“