Psychiatrie-Tagebuch, Teil 3
Tagebuch zum Thema Psyche
von Koreapeitsche
Seite 25
Die Leute aschen auch ins Geschirr, dass sie mit in den Raucherraum nehmen. Wäre ich nicht in dieser prekären Lage, hätte ich mich deshalb beschwert oder sogar gebeten, das Geschirr wegzuwerfen und stattdessen Ascher aufzustellen. Es ist zum Kotzen! Dr. Kruse sagte am Mittwoch in dem Vierergespräch, ich hätte eine Erkrankung aus dem Schizophrenen Formenkreis bzw. eine polymorphe Störung. Er nannte als Medikation Haloberidol und Risperdal. Der Ex-Wrongs Schlagzeuger sitzt wieder an der Pforte. Ich kann
Seite 26
ihn von hier aus – vom Tisch in Zimmer 1 – sehen.
Sa. 21.02.2009
Ich bin nach wie vor auf der geschlossenen Station der Psychiatrie in Kiel untergebracht. Gestern Abend dachte ich erst, ich bekäme die Risperdal für den Abend nicht. Doch gegen neun Uhr erhielt ich sie doch. Die vergangene Nacht war die bisher ruhigste hier.
Seite 27
Gestern Abend lief Tarzan II auf Super RTL. Corinna aus Wellsee hatte offensichtlich einen Kopfhörer mit Kabel dabei. Ich musste meinen Kopfhörer letzten Montag abgeben. Auch das Kabel des Radios meines Zimmernachbarn Marcel erregt keinen Ärger. So ernst scheinen die es hier offensichtlich mit der Suizidgefahr nicht zu nehmen. Das Kabel ist ca. 1,20 m lang. Holstein Kiel hat heute Nachmittag 1:1 gegen Magdeburg gespielt. Es ist jetzt 17.05 Uhr. Es gibt in ca. 25 Minuten Abendbrot.
Seite 28
So. 22.02.2009
Heute durfte ich zum ersten Mal draußen einen Spaziergang machen, Schwester Jenny ging mit Fr. Rahn, Marcel, einem Jugendlichen und mir einmal um die Klinik. Ich war sehr überrascht, dass ich mitdurfte. Später spielten wir ein Spiel, bei dem Begriffe (Komposita) erraten werden sollten. Eine Person sollte zwei Bilder zeichnen, die für die beiden Bilder standen, die das Kompositum konstituieren. Ansonsten machte ich heute 100 Zukis, machte Drehübungen und Yoga. Morgen kann ich am Frühsport
und an der Musiktherapie teilnehmen.
Seite 29
zu So. 22.02.2009
Mit Jennifer Pries – der Schwester Jenny – unterhielt ich mich kurz über Feldenkrais, sagte, dass der mal Judo machte, was auf Deutsch „der sanfte Weg“ bedeutet. Ich sagte ihr „Do“ heißt Weg, „Go“ heißt Spiel, erwähnte auch „Godo“, der „spielende Weg“ von Dr. Greb aus der Beseler Allee. Heute Morgen schrieb ich einen Brief ohne Adressaten, schilderte darin, in welchen Bereichen ich Handlungsbedarf sehe. Heute hat Fr. Sauerbruch, eine russische Ärztin, hier Dienst. Sie grüßte mich kurz. Ich unterhielt mich eine Weile mit Fr. Lambrecht und einer ihrer Töchter. Die Tage vergehen wie im Fluge. Wir haben eine neue Patientin hier auf Station, die anscheinend versuchte, sich von der Levensauer Hochbrücke zu stürzen. Sie kannte den Fall Stelck. Ich brachte kurz
Seite 30
wieder die Selbstmordthese auf, da das Hinterrad blockierte und dies nicht zu einem Überschlagen des Fahrrads führen könne. Auch diese Frau kam mir bekannt vor. So wie es aussieht, komme ich übernächsten Freitag hier heraus. Das passt mir deshalb, da ich bis zum Ende des Monats nur noch rund 30 € auf dem Konto habe. Finanziell müsste ich einigermaßen über den Berg sein. Das was jetzt allerdings belastend wirkt, ist die Tatsache, dass meine Schwester mich als Parasit bezeichnet hat (vor zwei Jahren), und dass das jetzt erst wirkt, da ich jetzt in einer Situation bin, in der ich auf Kosten anderer lebe, indem ich hier im Krankenhaus kein eigenes Geld auszugeben brauche. Gleich läuft ein Tatort mit Eva Mathes, wie Fr. Rabe erzählte. Seitdem ich hier im Zip auf der
Seite 31
geschlossenen Station P4 bin, habe ich es schon mehrmals gehabt, dass ich den Geruch von Blähung wahrnehme, obwohl ein Furz nicht in meiner unmittelbaren Nähe gelassen wurde. Das klingt zwar peinlich, ist wahrscheinlich eine nasale Wahrnehmungsstörung. Eben gab es ansatzweise Streit, da Rene etwas anderes sehen wollte als „Tatort“, ohne zu wissen was genau. Danach verabschiedeten
sich sowohl Fr. Rabe als auch ich in unsere Zimmer. Trotzdem finde ich diese Riechstörungen seltsam. Rene ließ zwar einen fahren, doch ich roch Blähungen, obwohl ich bereits das Fenster geöffnet hatte, und auch noch hier in Zimmer 1 vernahm ich kurze Zeit noch Blähungsgeruch. Ich habe meine Tablette noch nicht bekommen, werde mich aber gleich ins Bett legen und im Time-Magazine lesen. Ich finde es grausam, dass ich als un-
Seite 32
gewollter Patient hier im Zip scheinbar wie geplant und vorauskalkuliert weichgekocht werden soll. Das ist eine bittere Therapie, die genau in die abgrundtiefe Trennung in „wohlhabend“ und „verarmt“ in diesem Staat passt. Die armen Intelligenten werden noch extra gedemütigt, denn etwas anderes scheint das hier im Zip nicht zu sein. Den Krankenpfleger in seiner „Laissez faire“ Kleidung im Street-Fight Style scheint das nicht wirklich zu kümmern, obwohl ich wegen des Streits persönlich bei ihm vorsprach. Ich finde das sehr primitiv, dass ich so auch von dem als Idiot verkauft wurde. Das Leben ist halt pervers. Wahrscheinlich gibt es in dieser Klinik auch irgendwo eine Luxus-Suite für Unternehmer. Die jüngere Tochter von Fr. Lambrecht arbeitet
Seite 33
in Kiel-Friedrichsort in der sogenannten Club of Rome Schule. So wie mir der Ort dieser Schule beschrieben wurde, befindet sie sich an der ehemaligen Heinrich-von-Stephan Schule. Ich habe zufälligerweise insgesamt drei Time-Ausgaben mit hier im Zip. So gesehen habe ich genug Englischsprachiges zum lesen. Ich habe bereits ein paar Vokabeln herausgeschrieben, werde damit fortfahren.
Seite 34
Mo. 23.02.2009
Ich soll noch bis zum 10.3.2009 hier bleiben. Das ist sehr krass. Die Leute werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Eine effektive Beratung findet nicht statt. Viele Gespräche zwischen Personal und Patienten sind einfach nur absurd. Rene fragte eben: „Wer ist für mich Ansprechpartner?“ Die Sozialpädagogin antwortete: „Es gibt für Sie keine Ansprechpartner.“ Ich will jetzt das Fax ans Amtsgericht schicken. Das Telefonbuch mit der Faxnummer ist nicht mehr aufzufinden. Die Sozialpädagogin sagte mir, sie schicke die Faxe immer „über die Schleife Amtsgericht, das kommt so immer an!“ Es wird hier immer absurder. Niemand will den Patienten hier wirklich heraushelfen. Ich habe jetzt endlich das Fax an die richtige Stelle im Landgericht faxen lassen, nachdem
Seite 35
ich von der Sozialpädagogin (?) Fr. Kuntzler eine falsche Faxnummer erhalten hatte. Ich schrieb vorhin auch einen Brief an Prof. Aldenhoff, den ich morgen aufgeben werde. Bei der Visite heute Morgen sagte mir Dr. Kruse, dass er sich mit mir um 13.30 Uhr unter vier Augen unterhalten wolle. Es ist jetzt 11.31 Uhr. Es gibt jetzt Mittag. Eben hat die Landesrichterin Frau Dittmers angerufen. Ein Pfleger reichte mir das schnurlose Telefon. Ich unterhielt mich mit der Frau rund zehn Minuten, versuchte ihr klarzumachen, dass ich mich als Mobbingopfer fühle. Sie kam wieder und wieder auf meinen „Verfolgungswahn“ zu sprechen. Ich stellte sofort klar, dass ich keinen Verfolgungswahn habe, mich jedoch von verschiedenen Leuten provoziert und damit gemobbt fühle. Ich sagte, dass Ärzte zum Teil
unerwartet auf mich reagieren und ich manchmal
Seite 36
vermute, dass das daran liegt, dass ich einen Doktortitel habe. Das hielt sie nicht für möglich, dass es da einen Zusammenhang gibt. Sie relativierte das Gesagte damit, dass sie hinzufügte, ein Doktortitel
sei einfach zu bekommen, viele Ärzte ließen sich die Doktorarbeit von anderen Schreiben.
Ich sollte schließlich den Hörer an einen Pfleger weitergeben. Kurz darauf erfuhr ich, dass die Richterin morgen um 11 Uhr morgens hier vorbei kommt und eine Entscheidung treffen wird. Gleich gibt es hier Abendbrot. Ich war gerade in einem Schachspiel gegen den dicken blonden Pfleger, dass jedoch so gut wie verloren war. Mein Pullover riecht nach Schweiß. Ich müsste ihn mal per Hand waschen. Während des Gesprächs, dass Dr. Kruse heute gegen 14 Uhr mit mir führte, sollte es in erster Linie um meinen Werdegang gehen. Als er
(Fortsetzung folgt)