Versicherungsbetrug oder Schmierkäsekriminalität?

Satire zum Thema Engel

von  apocalyptica

Immer wenn du lügst, fällt ein Engelchen vom Himmel, sagte meine Mutter. Damals, als ich ein kleines Kind war. Damit hatte sie mich, denn ich wollte schließlich nicht daran schuld sein, dass eines dieser zarten Wesen von seiner Wolke stürzt. Klar von der Wolke, denn wo sollten die sonst da oben wohnen?

Und dennoch, irgendwie bekam ich ziemlich schnell Zweifel an der ganzen Sache. Denn lügen war doch auch wiederum was ganz Normales, also wo waren all die Engel? Ich hatte noch nie einen auf der Erde gesehen, oder suchte ich was Falsches?

Das waren doch aber diese Geschöpfe mit den blonden Locken, dem Kringel um den Kopf und den Flügeln hinten am Rücken, oder? Ja, und sie trugen meistens weiße Kleider, mit so einem bisschen Gold dran! Nee, so was hatte hier keiner an. Aber…Moment, gerade in der Weihnachtszeit konnte man die Engel doch überall sehen…auf diesen kitschigen Weihnachtspostkarten, in Weihnachtsmärchen, als Christbaumschmuck…Sollte das etwa heißen, gerade kurz vor Weihnachten wurde ganz besonders viel gelogen? Aber nein, die waren alle nur gemalt oder gebastelt, ich hatte ja selber schon welche davon aus Papier ausgeschnitten, im Kindergarten. Solche Engel konnte meine Mutter nicht gemeint haben, die waren ja nicht vom Himmel gefallen und direkt auf den Bildern gelandet, da musste es noch etwas anderes geben!

Vorsichtshalber blieb ich aber immer noch bei der Wahrheit, man konnte ja nie wissen!

Und dann kam der große Tag! Ja, jetzt oder nie würde ich einen Engel fallen sehen! Ich war inzwischen in der ersten Klasse, und an dem besagten Tag hatte meine beste Freundin ihre Hausaufgaben nicht erledigt, das hatte sie mir vor der Schule erzählt. Als die Lehrerin ihr Heft sehen wollte, log…ja, sie log…meine Freundin, sie hätte nicht gewusst, dass wir diese Aufgaben erledigen sollten! Ich rannte sofort nach draußen, verließ einfach den Unterricht, diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen! Ich stand auf dem Schulhof und schaute nach oben in den Himmel. Jetzt, genau jetzt, musste doch der Engel fallen! Und rat mal, was passierte?! Nichts, so lange ich auch guckte! Da waren Wolken ohne Ende am Himmel, aber nirgendwo sah ich von einer Wolke Beine baumeln, nirgendwo einen Engel abstürzen…alles, was ich sah, war endloser Regen! Hm…sollte ich den Engel wieder verpasst haben?

Oder sollte meine Mutter etwa…nein, konnte nicht sein, denn dann hätte sie ja…dann wäre ja…
Wie auch immer, vorläufig blieb meine Suche erfolglos. Das änderte sich auch nicht, als ein Nachbarskind starb und mir meine Mutter erzählte, es würde jetzt zu einem Engelchen. Wenn die von da oben nicht runter fallen, wie sollte dann die Nathalie da rauf kommen? Etwa auf dem gleichen unsichtbaren Weg?? Halt…unsichtbar…war das das Stichwort? Waren Engel unsichtbar? Konnte aber wiederum auch nicht sein, woher sonst sollte meine Mutter…oder konnte sie unsichtbare Wesen sehen? Diese Frage blieb genauso unbeantwortet wie meine Frage nach einem ‚gefallenen Engel’, von dem ich später einmal las. Von wegen, wer viel fragt, kriegt auch viele Antworten…ich kriegte keine! Nur einen bösen Blick.

Auch später im Religionsunterricht, als ich lernte, dass die Engel Botschafter Gottes seien, hatte ich so meine Zweifel, denn wie sollte mir jemand eine Botschaft überbringen, wenn er für mich unsichtbar war? Die Stimmen in meinem Kopf sagten mir nichts dazu! Gar nichts! Und langsam, im Laufe der Jahre, vergaß ich die Frage nach den Engeln. Meistens zumindest.

Und noch später, viel später, lüftete sich dann endlich das Geheimnis, fast wenigstens. Nämlich in der Fernsehwerbung. Riesendank an die Medien! Da gab es plötzlich zwei Werbespots. Einmal den mit dem Engel, blond gelockt, weißes Kleid, Flügel hintendran...ja, der Engel oder besser die Engelin sitzt auch auf der Wolke, entspricht also genau dem Klischee, und mampft sahnig-cremigen Schmierkäse!

Dann den Spot mit der Versicherung und dem Schutzengel, der immer dabei ist, dieser Engel ist aber ein Mensch aus Fleisch und Blut und hat mit dem Bild aus meinen Kindertagen nun mal überhaupt nichts zu tun!
Und endlich weiß ich genau, wie solch ein Engel aussieht: Es kann nur der sahnig-cremige Käseengel sein, denn von Versicherungsbetrug spricht jeder und keiner macht was dran, aber hast du jemals etwas von Schmierkäsekriminalität gehört?

Außerdem muss diese Käsewerbung die Wahrheit sagen, denn sonst würde ja der blonde Engel mitsamt der Käseschachtel aus allen Wolken fallen…

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Kommentare zu diesem Text

Nunny (73)
(10.08.06)
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seelenliebe (52)
(10.08.06)
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 rela (10.08.06)
Klasse erzählt. Bin immer noch am schmunzeln über die
Schmierkäse schlemmenden Himmelswesen. Sei zufrieden
wenn man Dir nur von Engeln erzählte. Bei uns kam immer
der schwarze Mann. Huch war das gruselig. Der sitzt jetzt bestimmt in der Hölle und mampft Lakritz *lach* Liebe Grüße, Rela

 GillSans (10.08.06)
hihi...supertext...gefällt mir sehr:-)

 AndreasG (10.08.06)
Hach ja ... eine schöne Geschichte, die sofort Geschichten aus meiner Kindheit in meinen Kopf zaubert ... Bienchen und Blüten, von denen meine Mutter mir erzählen wollte (und ich schaute doch Biene Maja!) ... Engel, die ein Kind überwachen und sofort strafend einschreiten sollten, doch ständig versagten ... "Wenn ich zwischen Weihnachten und Neujahr Wäsche hängen habe, dann stirbt jemand aus der Familie" - was meine Oma nicht daran hinderte reihenweise Familienmitglieder dahin zu metzeln (aber es starb nie jemand) ... das Christkind, das extra zu uns nach Hause kommen sollte, während die Nachbarskinder den Weihnachtsmann hatten (sehr verwirrend) ... die Sache mit dem Osterhasen (habe ich nie begriffen: kein Vogel und bringt Eier, kein Daumen und bemalt Eier, hoppelt nur, aber verliert keine Eier ...) ... und dann diese hässliche Sache, als ich meine Mutter daran erinnerte, dass sie gesagt hatte: "Die hat sich zurecht gemacht wie ein Pfingstochse." und darum zu Pfingsten etwas vom Ochsen erwartete (ging voll daneben) ...

Ja, ja ... die Kindheit. Gut, dass sie vorbei ist.

amüsiert grüßt,
Andreas
Gini (57)
(10.08.06)
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 Néniel (12.08.06)
hab ich dir schon mal gesagt das ich deine geschichten mag? okay falls ja, sag ich es dir auch nochmal, du hast einen schönen erzählstil und man kann bilder sehen, vor allem wo du auf dem schulhof standest, ich musste herzlich schmunzeln und mag solche geschichten. da fühlt man sich doch glatt "jünger" *gg sei herzlich gegrüßt in dein we, deine kleine. :))
Elaine (21)
(07.09.06)
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 apocalyptica meinte dazu am 07.09.06:
Ich freu mich, wenn du Spaß beim Lesen hattest und dank dir für den Komm! Wenn du nochmal lachen willst, versuchs vielleicht mal mit meinem heutigen Text..."Miropicadalidinsky"...da hab ich beim Schreiben schon Tränen gelacht.....
Liebe Grüße,
die -bea ;)
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