Wortbrücken regenbogengleich
Reden möchte ich mit dir, doch bleiben mir nur Zeilen. Ihre Stimme trägt meine Gedankensprache. Mein Leben lang vertraut, selbst als ich noch nicht sprechen konnte, gab es schon diese alles durchdringende Stimme. Sie trägt kein Gesicht, so, wie deine Zeilen keine Töne tragen. Aber sie ist bei mir, seit mein Gehirn seine Aufgabe übernommen hat, seit dem malt es Bilder vor meinem inneren Auge, noch bevor alles was ich sah, überhaupt einen Namen hatte. Es war, als das Gefühl laufen lernte, als es versuchte sich Momentfotos anzuziehen, um sich sichtbar zu machen, um Gestalt zu bekommen. Nun verbinden mich viele Bilder mit meinen Gefühlen. Ein Herz steht für Liebe, Tränen für Traurigkeit und Tierversuche auf Titelseiten fürs Kotzen.
Es wird gemalt und gemalt, denn nur was sichtbar vor einem liegt, kann man besser verstehen. Vergleichbar mit einer Krücke, an der man sich halten kann. Der Stock, an dem die Seele geht. Brücken bauen, ja, ich möchte Brücken bauen. Wieviele sind nötig, um dich zu erreichen?
Besonders stabil müssen sie nicht sein, denn sie müssen ja nur meine Wünsche tragen, nicht mein Lebendgewicht. Mein Körper muss nicht dabei sein. Er bleibt außen vor. Dieses fehlerhafte Gebilde ist nur der Sammelbehälter, mein Schrank, mit tausend Schubladen, wo alles was gedacht, gefühlt, gelitten und gelebt wurde, seinen Platz findet. Seinen ureigenen Platz, genau an der Stelle des Geschehens, also bei mir, bei dem was mich darstellt, was meine Seele sichtbar macht- meinen Körper! Nun frage ich mich, woraus man solche Brücke bauen könnte, wenn sie nur Wünsche tragen sollen? Der Wunsch dich zu hören, auch ohne Stimme. Eigentlich möchte ich viel eher, das du mich hörst. Weil ich dir so viel erzählen will. All das, was noch in den Schubladen liegt, unter der Beschriftung: Noch zu bearbeiten. Ja, es gibt noch offene Dinge. Solche, vor denen ich die Augen geschlossen hab, weil es mich ekelte. Ich fühlte mich nicht stark genug. Mein Körper hätte mich gestraft mit Magenschmerzen oder Depressionen. Er hat furchtbare Möglichkeiten sich an mir zu rächen. Aber ich muss sie in Ordnung bringen. Ich hasse unerledigte Angelegenheiten, sie nehmen Platz weg, verstauben und entziehen mir kostbare Lebensenergien. Umwandeln müsste ich sie. Dafür brauche ich Augen, die sich diesen Problemen stellen, die sich nicht davor verschließen, so wie meine. (elende Feiglinge) Vielleicht hab ich die Hoffnung, dass du das kannst. Einfach deshalb, weil du vieles anders siehst. Dort, wo ich schwarz ausmache, erkennst du grau. Ist das nicht ein Fortschritt? Weil du andere Geschichten schreiben kannst, die sie im anderen Licht erstrahlen lassen, so dass sich plötzlich, bei deiner Sichtweise, ihren Schrecken verlieren. Blass sollen sie werden, blass und schwach. Damit sie mir nichts mehr anhaben können. Und vielleicht, ja vielleicht, kann ich dann sogar noch Mitleid für sie empfinden. Für diese unausgelebten Gefühle, oder vergangenes, was mich fast auf dem Gewissen hätte. Ich war damals noch zu schwach dafür. Für dieses Grauen, das ich nicht ins Gesicht sehen konnte. Erträglichkeit hat Grenzen.
Und nun, nun gibt es dich, und schon hat mein Gehirn wieder Bilder gemalt. Diesmal malt es weiße Tauben und Brücken, die Flügel haben. Ja, vielleicht gibt es Brücken, die gar kein festes Fundament brauchen um Halt zu bieten. Vielleicht müssen sie Farben haben, wie ein Regenbogen. Ja, Wörter könnten die Steine und das Zement ersetzen. Warme Wörter, bunte Wörter. Etwas, was Seele mit sich zieht. Sag, kannst du meine Brücken hören? Ich habe schon ein paar gebaut, versuch, ob sie dich tragen...