Drehflügler

Sonett zum Thema Selbstbestimmung

von  Irma

Empfangsstark wird man dich zum Tanz verführen.
Welch Auftrieb - Nick nach vorn, die Nase senke!
Der Hohlschliff steuert deine Ferngelenke,
um Schwebflug in gedachter Bahn zu küren,

als kurz das Giermoment zu spüren:
Impuls, doch abzudrehen - flugs verrenke
die Flügel im gestählten Rumpf und schwenke
entgegen, bis die Bänder schmerzen, schnüren!

Auf planer Taumelscheibe - weit gestreckt -
zieht ein Sprung sich, dreht die Schraube lange

im Schwindelanflug (verwirbelt vom Bodeneffekt).
Der Gyro kratzt die Kurve in die Wange
mit Kufenzähnen, die er eiskalt bleckt.
Beim Landen funkelt rot am Kopf die Spange.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (31.01.12)
Interessante Flugmomente. LG
chichi† (80) meinte dazu am 31.01.12:
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 Irma antwortete darauf am 03.02.12:
Herzlichen Dank Euch beiden! LG BirmchenIrmchen

 ViktorVanHynthersin (31.01.12)
Die Romantik der Drehflügler wird meist unterschätzt. )
Herzlichst
Viktor Gyrokopter

 Irma schrieb daraufhin am 03.02.12:
Danke sehr, lieber Viktor! LG BirmchenIrmchen

 Peer (31.01.12)
Wenn ich das recht verstehe, war das ein ungewollter Ausbruch mit Landeflug der schmerzenden Sorte.;-) Gut in Worte gebracht.
LG Peer

 Irma äußerte darauf am 03.02.12:
Damit liegst Du gar nicht mal so falsch, lieber Peer! Lieben Dank und Gruß, BirmchenIrmchen

 Didi.Costaire (31.01.12)
In der Zeit vor Weihnachten wäre ich fast mein eigener Sohn gewesen und hätte mir so einen kleinen Hubschrauber als Geschenk gekauft.
Es wäre wohl gar nicht so ungefährlich gewesen.
Schöne Grüße, Dirk

 Irma ergänzte dazu am 03.02.12:
Meine drei Männers haben inzwischen etliche dieser Hubschrauber...kleine, mittelgroße, große...und immer einen riesengroßen Spaß daran (sowohl die kleinen, als auch die großen)! Insofern kann ich Dir nur raten: Tu es! LG BirmchenIrmchen

 EkkehartMittelberg (31.01.12)
Man muss erst einmal darauf kommen, den Flug mit dem Thema Selbstbestimmung zu verbinden.
Well done.
LG
Ekki

 Irma meinte dazu am 03.02.12:
Das kommt daher, lieber Ekki, dass es sich nur vordergründig um einen Hubschrauber-Flug handelt. Tatsächlich aber ging es mir um die Beschreibung einer Eistänzerin. Und um den Eiskunstlauf als „Disziplin“ (im Sinne von „Gehorsam“). LG und Dank, BirmchenIrmchen
holzköpfchen. (30)
(31.01.12)
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 Irma meinte dazu am 03.02.12:
da du mir die Schuld für deinen ersten Sonettversuch in die Schuhe schiebst, muss ich natürlich etwas dazu sagen. ;D
Hallo holzköpfchen, das freut mich aber sehr, dass Du so pflichtbewusst bist… ) Nein wirklich, erst einmal ganz herzlichen Dank für Deine eingehende Beschäftigung mit meinem Gedicht!

Ich weiß gar nicht, ob zwei Ebenen beabsichtigt waren, aber die Eisprinzessin ging mir nicht aus dem Kopf. Anhaltspunkte für Ebene 2 sind mir u.a. S1V4 sowie Sprung, Schrauben, Kufenzähne, eiskalt bleckt...
Oh ja doch, da liegst Du völlig richtig! Vordergründig scheint es sich um einen Hubschrauber-Flug zu handeln. Tatsächlich aber ging es mir um die Beschreibung einer Eistänzerin. Und um den Eiskunstlauf als „Disziplin“ (im Sinne von „Gehorsam“).

Das lyrDu in S1 ist demnach der männliche Tanzpartner, der dazu ansetzt, die Eiskunstläuferin während der Kür in die Luft zu werfen, damit sie dort eine Schraube dreht.
Das ist eine interessante Interpretation. Ich selbst hatte eigentlich nur eine Solotänzerin vor Augen, die - empfangen von einem großen Publikum und bestärkt durch den Beifall - ihre Kür beginnt.

"Der Hohlschliff steuert meine Ferngelenke" lässt Interpretationsspielraum. Vielleicht ist mit Hohlschliff die tägliche Übung gemeint, sodass die Gelenke schon wie ferngesteuert funktionieren und sich quasi automatisch auf das Programm oder die spätere Landung einstellen.
Durch den „Hohlschliff“ werden die Kufen der Schlittschuhe scharf, was überhaupt erst Halt und Führung auf dem Eis ermöglicht. Deine Deutung der „Ferngelenke“ in Verbindung mit dem täglichen Übungsprogramm (diszipliniertes Training) gefällt mir sehr gut!

Strophe 2 klingt mit dem Giermoment in der Tat romantisch. Aber zur Vorstellung gehört ja nicht selten auch ein gespieltes Knistern zwischen den Tanzpartnern, das dem Publikum glaubhaft rübergebracht werden soll. Vielleicht ist damit aber auch schlicht die Gier nach Anerkennung und Erfolg gemeint.
Die Verbindung von „Gier“ zu „romantisch“ hat mich etwas überrascht, aber Viktor scheint das ja auch so interpretiert zu haben. Naheliegender wäre für mich Deine zweite Erklärung. An und für sich sind „Gier“ und „Nick“ jedoch Steuerbefehle für den Helikopter: Während man unter „Nick“ eine Neigebewegung der Heli-Nase nach oben/unten versteht, beschreibt „Gier“ einen Schwenk nach rechts/links.

Durch die Drehung der Rotorflügel wirkt auf einen Helikopter stets ein Drehmoment, durch das er sich ständig um sich selbst im Kreis drehen würde, wenn man nicht mit dem Heckrotor (oder einem zweiten, gegenläufig drehenden Rotorblatt) gegensteuerte. Das „Giermoment“ ist sozusagen die Kraft, die zu solch einer seitlichen Auslenkung führen würde.

Für einen ganz kurzen Moment verspürt auch die Eistänzerin den Drang, abzudrehen und auszubrechen aus der vorbestimmten (Lauf-) Bahn. Ein kurzes „Gieren“ (Schlingern) nach Freiheit und Selbstbestimmung, woraufhin sie aber sofort wieder mit vollem Körpereinsatz und schmerzenden Beinen (Bänderdehnung) kräftig gegenlenkt.

Wieder auf dem Boden der Tatsachen, ist der Prinzessin etwas schwindelig. Der Begriff "Gyro" in der letzten Strophe vermiest mir meine schöne zweite Ebene, drum ignoriere ich diesen Begriff eiskalt, den du sowieso rauswirfst, damit beide Ebenen funzen.^^
Das vorherige kurze Zögern hat zu einer Unsicherheit geführt, die Eistänzerin kommt ins Straucheln. Schon wird die Eisfläche zur „Taumelscheibe“ (eigentlich das Steuerelement zur Rotor-Blattverstellung), und es kommt zu einem ausgeprägten Drehschwindel-Anflug. Infolgedessen geht die Landung schief.

Das mit dem „auf dem Boden der Tatsachen“ finde ich eine schöne Umschreibung für den beendeten Höhenflug. In Bodennähe ist ein Heli äußerst instabil, das Steuern ist wegen des reflektierten und verwirbelten (Durchbrechen des jambischen Metrums) Luftstroms äußerst schwierig (sogenannter „Bodeneffekt“).

Ja klar, der Gyro „kratzt die Kurve“… ) Wenn Du „Gyro“ einfach nur mit „Kreisel“ übersetzt, kann er auch für den „Drehflügler“ stehen, sprich die Pirouetten-drehende Eistänzerin, die mit ihren Kufenzacken das Eis zerkratzt.

Der letzte Blick fällt auf die rote Spange, die in diesem Fall aber keine Kopfwunde darstellt, sondern für den Sieg steht.
Die am Kopf rot „funk-elnde“ Spange sollte noch einmal an das Funkempfangs-Blinklicht des ferngesteuerten Helis erinnern. Die Gedanken der Eistänzerin und ihr Wille sind bis zum Schluss hin fremdbestimmt. Wobei letztendlich offen bleibt, wer als Publikum die „Ferngelenke“ steuert: Der Trainer? Die Eltern (einer jungen Eisprinzessin)? Oder vielleicht doch - wie Du meintest - nur ganz „schlicht die Gier nach Anerkennung und Erfolg“?

Der Versuch eines Ausbrechens im zweiten Quartett ist, wie in den Terzetten deutlich wird, missglückt. Die Interpretation von Didi und Peer im Sinne einer schmerzhaften Bruchlandung mit Kopfverletzung erscheint mir somit durchaus möglich. Irgendwie freut es mich jedoch, dass Du am Ende zu einer - ebenfalls in sich schlüssigen, aber positiven - Deutung gekommen bist. Die „rote Spange“ wäre in diesem Fall also so eine Art Diadem, was noch einmal einen Bezug zur „Eisprinzessin“ schaffen würde?

Insgesamt liest sich das Sonett noch etwas hölzern und sperrig, finde ich, v.a. S2. Mit "Menkenke" kann ich mich nicht anfreunden, irgendwie passt das zum Gedicht wie Marmelade zu Blutwurst. Ein paar Schrauben könntest du m.A.n. noch nachdrehen, damit sich das Sonett flüssiger liest. Aber vielleicht sind diese abrupten Bewegungen ja auch beabsichtigt und sollen die Unerfahrenheit des lyrIch bezüglich des Flugs unterstreichen.
Mit „Menkenke“ bin ich auch nicht so hundertprozentig zufrieden, habe aber bisher noch keine Alternative (verrenke? ausrenke?) gefunden. Der Grund für das „etwas hölzern und sperrig“ liegt, denke ich, vor allem an den kurzen Befehlsformen, dieser raschen Folge der Steuersignale. Und am völligen Zurücktreten des lyrischen Ichs, das lediglich fern-gelenkt reagiert bzw. funk-tioniert.

Alles in allem frage ich mich dennoch rückblickend, ob eventuell eine andere Gedichtform, wo ich den Inhalt über vierzehn Zeilen hinaus ein wenig hätte strecken können, in diesem Falll doch geeigneter gewesen wäre als ein Sonett?

Ich bedanke mich nochmals ganz herzlich!
Viele liebe Grüße, BirmchenIrmchen
(Antwort korrigiert am 03.02.2012)
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