Die Geschichte vom verrückten Kasper

Kindergeschichte zum Thema Außenseiter

von  GillSans

Die Geschichte vom verrückten Kasper

Es war einmal ein Kasper. Karl Kasper.
Ein ganz verrückter Tunichtgut.
Natürlich sind alle Kasper ein bisschen verrückt. Jener aber, den ich kannte, war
verrückter als alle anderen Kasper:
zuerst einmal trug er keine Zipfelmütze, wie das seine Kollegen für gewöhnlich
tun. Er trug überhaupt keine Mütze, nicht einmal einen Hut.
Nicht einmal im Winter!
Karl Kasper hatte nämlich blaue Haare. Auf seine blauen Haare war er ganz
besonders stolz.
Um nichts in der Welt hätte er sein schönes, heidelbeerblaues Haar unter einer
dämlichen roten Kasperzipfelmütze verstecken wollen.
Nicht genug damit, er sang auch nie „Tritratrullalla“. Er sang: „Pingpangpullala“
schlug dabei graziöse Purzelbäume und lief auf den Händen durch das Theater
spazieren.

Das aller Verrückteste jedoch war, Karl Kasper konnte durch den Mund pupsen
und durch die Nase pfeifen.
Karl Kasper war richtig verrückt danach. Es machte ihm Spaß, so zu sein, wie ein
gewöhnlicher Kasper nie sein sollte.
Manchmal verstanden ihn die Leute nicht. Als dem Kasper einmal mitten in der Vorstellung ein gehörig lauter Pups aus dem Mund rutschte, schüttelten die Erwachsenen empört ihre Köpfe, verboten den Kindern dem Kasper weiter zuzusehen und verlangten ihr Eintrittsgeld zurück.

Der Theaterdirektor rümpfte die Nase. Er strich sich über seinen schwarzen Zwirbelbart, seufzte dreimal tief, wie ein Nashorn, das gerade seine herzallerliebste Nashornfrau im Nil verloren hatte und sagte: „Karl Kasper, du bist zu verrückt. Du hast ja nicht mal eine Zipfelmütze! Hör mal, ich will dir einen Vorschlag machen. Ich besorge dir eine schöne rote Zipfelmütze. Die wird dir bestimmt gut stehen. Außerdem flehe ich dich an, das Mundgepupse zu lassen und dich wie ein ordentlicher Kasper zu benehmen, du Kasper! Dann kommen die Leute auch wieder zu unseren Vorstellungen! Ansonsten muss ich mein Theater wohl schließen.“

Karl Kasper verzog das Gesicht und pupste beleidigt durch den Mund.
Der Theaterdirektor hob seine Augenbrauen und rief zornig:
„Dann suche ich mir eben einen anderen Kasper! Du bist entlassen. Fristlos! Und deinen Seppel, die Gretel, das Krokodil und deine genauso verrückte Großmutter sind auch entlassen. Hinaus!“

Nun stand Karl Kasper ohne Theater da. Keine Vorstellungen mehr. Kein Applaus. Da war nur noch eine arbeitslose Gretel, ein genervter Seppl, ein hungriges Krokodil und Karls Großmutter, die gerade neue Handschuhe für Karl Kasper strickte.
Und alle langweilten sich, weil sie nichts mehr zu tun hatten.

Gretel meinte eines Tages: „Karl, ich mag dich wirklich sehr, aber du bist wohl wirklich zu verrückt! So kann es nicht weiter gehen. Ich werde mir einen anderen Kasper suchen.“
Das Krokodil gähnte und murmelte: „Karl, ich gehe zum Nil.“
Kaspers Freund der Seppl, tappte nervös von einem auf den anderen Fuß und druckste herum: „Karl, du bist mein bester Freund. Aber ich muss dich auch verlassen. Denn irgendwer muss sich ja schließlich um die arme Gretel kümmern.“ Bevor Kaspers Oma noch etwas sagen konnte, beschloss Karl Kasper auf  Wanderschaft zu gehen. Denn was sollte ein Kasper ohne Gretel, ohne Seppel, ohne Krokodil, ohne Kaspertheater und ohne Publikum tun? Da blieb nur die Wanderschaft.

Also packte er seine fünf Sachen.
Sein Spitzentaschentuch, seine Großmutter, die dritten Zähne seiner Großmutter und seine Handschuhe. Und (fast hätte er es vergessen) das Strickzeug seiner Großmutter.

Froh gelaunt trällerte Karl Kasper sein „Pingpangpullala“ in die Welt hinaus und stiefelte auf seinen Handschuhen mit der Großmutter in den Wald hinein.

Als die Vögel ihn hörten, kippten diese vor Schreck sogleich von den Ästen der Bäume herab.
Das laute „Pingpangpullala“ hatte sie erschreckt. Als der Kasper das sah, war er sehr traurig und beschloss etwas leiser zu singen.

Bald schon verspürte der Kasper ein unerträgliches Grummeln im Bauch. Sein Magen fühlte sich an, wie ein leerer Kartoffelsack.


Die Großmutter hatte nichts dagegen eine kleine Rast einzulegen, denn sie hatte schon riesige Blasen an den  Füßen.
Karl Kasper machte sich daran ein paar Beeren und Pilze zu sammeln.
Er hatte solchen Hunger und konnte es nicht erwarten, bis Großmutter ein Feuerchen angezündet hatte, um die Pilze zu braten.


Die Pilze sahen aber auch unwiderstehlich aus! Wie sie rochen! Einfach herrlich.
Karl Kasper konnte nicht anders. Er aß die Pilze einfach roh.
„Kasper Karl“, hörte er die Großmutter schimpfen,  „du bist verrückt! Rohe Pilze werden dir schlecht bekommen!“
Doch es war zu spät. Karl Kasper hatte alle Pilze verschlungen. Es verging keine halbe Stunde und schon rutschte ihm ein gehöriger Pups aus dem Mund. Dann noch einer. Und es folgte noch einer. Silvesterkracher konnten nicht lauter sein!

Da erschrak sich ein Fuchs, der gerade dabei war ein Mittagsschläfchen zu halten. Schlaftrunken, zerzaust und verärgert kroch er aus seinem Bau heraus, beschimpfte unseren armen Kasper und riet ihm sich schnell von diesem Ort zu entfernen und wo anders herum zu pupsen.

Karl Kasper beschloss daraufhin, nie wieder rohe Pilze zu essen und ein wenig leiser zu pupsen und schlich sich von Dannen. Mit samt der Großmutter, die schnell die restlichen Beeren in das Spitzentaschentuch packte.

Bald erreichten die beiden eine kleine Waldlichtung, auf der sich einige Rehe tummelten. Diese sahen Karl Kasper und seine Großmutter schon von Weitem.

Karl Kasper lief auf seinen Händen und die Großmutter humpelte ihm hinterher.
Als sie näher kamen, brachen die Rehe in schallendes Gelächter aus.
„Kannst du nicht anständig laufen? So, wie wir das tun? Der Wald ist für Zweihändler und Zweibeiner absolut ungeeignet!“ Vor lauter Lachen wälzten sich die Rehe auf der Wiese herum und hoben sich die Bäuche.

Als der Kasper das sah, dachte er, das Lachen bekäme den Rehen schlecht und er beschloss, so wie sie, auf vier Beinen, oder besser gesagt, auf zwei Händen und zwei Beinen weiter durch den Wald zu kriechen.
Die Großmutter murrte und meinte: „Kasper Karl! Alles was recht ist, aber eine alte Frau wie ich, ist froh wenn sie nicht auf allen Vieren durch die Welt krabbeln muss!“
Arme Großmutter, dachte Karl Kasper und versuchte ein aufmunterndes Liedchen durch die Nase zu pfeifen, um die Großmutter bei Laune zu halten!

„He, du! Hör sofort auf soviel Wind zu machen. Die ganzen Tannennadeln bringst du in Unordnung. Hör sofort auf zu pfeifen! Und überhaupt, seit wann pfeift ihr Menschen denn durch die Nase?“
Eine kleine Ameise fühlte sich gestört und der Wind, den der Kasper durch die Nase blies hatte ihre schöne Frisur durcheinander gebracht.
Als Kasper die verwirrte Ameise sah, beendete er sofort sein frohes Liedchen und beschloss gar nicht mehr zu pfeifen.

So kroch er weiter auf allen Vieren durch den Wald und genoss mit der Großmutter die schönen Gesänge der Waldvögel.

Plötzlich hörten die beiden ein grausliches „UAAAHHH“ hinter sich.

Die Großmutter wurde ganz grün vor Angst und sprang mit weichen zitternden Knien auf einen Baum.
Und wieder erschall dieses gefährliche „UAAAHHH“
Kasper drehte sich erschreckt um und sah einem großen zotteligen wildgewordenen
Bären direkt in die Augen.

„Mist!“ dachte Karl Kasper, denn zum Verstecken war es nun viel zu spät.
Der Bär hob seine riesige Pranke und wuschelte damit durch Kaspers blaues Haar.

„Du bist ja gar nicht getarnt! Mit deinen blauen Haaren sieht dich ja jedes gefährliche Tier im Wald. Du wirst bald aufgefressen werden, wenn du nicht etwas unauffälliger aussiehst.
Hast du ein Glück, dass ich gerade Appetit auf Honig habe. Doch, wenn dich der Wolf entdeckt, wirst du wohl Pech haben.“ Sprach’ s und brummte von Dannen.

Als das der Kasper hörte, bekam er schreckliche Angst vor dem Wolf. Die Großmutter, noch bleich wie ein Käse, kletterte langsam wieder vom Baum herunter und zitterte wie Espenlaub. Karl Kasper jedoch, packte seine Großmutter am Ärmel und rannte mit ihr schnell aus dem Wald hinaus.
Er wollte sofort in die nächste Stadt zu einem Frisör, um sich die Haare färben zu lassen.
Aber woher sollte er das Geld nehmen, um den Frisör zu bezahlen?

Nun, Karl Kasper überlegte nicht lange. Er stellte sich in die nächste Einkaufspassage, schlug ein paar Purzelbäume, pfiff durch die Nase und trällerte sein „Pingpangpullala“. Dabei hatte er sehr viel Spaß.
Nur die Großmutter verdrehte die Augen und schaute gelangweilt auf die Kirchturmuhr.
Drei Tage vergingen bis Karl Kasper das nötige Geld für den Frisör zusammen hatte.
„Ein natürliches tannenrindenbraun hätte ich gerne!“
Der Frisör nickte mit dem Kopf und tat sein Bestes.

„Aber in den Wald gehen wir bitte nicht mehr, Kasper Karl!“ Die Großmutter hatte genug vom Beeren sammeln und wollte lieber einen Schaufensterbummel machen.

„Ach Großmutter, jetzt wo ich mir extra meine Haare habe tarnen lassen? Ich finde den Wald sehr schön.“

„Ich nicht! Dort ist es viel zu gefährlich für eine alte Frau wie mich. Außerdem siehst du gar nicht mehr wie mein Kasper aus. Ich fand deine blauen Haare immer besonders toll.
Weißt du was? Gib mir das restliche Geld. Ich werde einen Einkaufsbummel machen!“ Und schon war sie verschwunden, Kaspers Großmutter.

Ganz allein war er nun, der Karl Kasper. Er setzte sich auf eine Bank und schaute den Leuten beim Einkaufen zu.
Wie einsam er doch war. Unglücklich und überhaupt nicht mehr verrückt.
Plötzlich sah er sein Spiegelbild in einem Schaufenster.
„Oh, nein, wie sehe ich nur aus! Wie ein Kasper ohne Zipfelmütze!“ hörte man ihn jammern.
Alles was ihm so viel Freude machte, hatte er sich auf seiner Wanderschaft abgewöhnt. Nur ein leises „Pingpangpullala“ und das Purzelbaumschlagen war ihm geblieben. Doch auf den harten Pflastersteinen in der großen Stadt, machte ihm das nicht viel Spaß.

Traurig wartete Karl Kasper auf seine Großmutter.

Und was glaubst du, was Kaspers Großmutter von ihrem Einkaufsbummel mitgebracht hat?

Eine knallrote Zipfelmütze. Mit einem goldenen Glöckchen am Zipfel. 

„Die ist zumindest schöner, als deine neuen bescheuerten braunen Haare!“
seufzte die Großmutter und setzte sie auf Karl Kaspers Kopf.
Karl Kasper pupste beleidigt aus dem Mund und schaute die Großmutter verzweifelt an.

„Und was mach ich nun mit dieser blöden Zipfelmütze?“ wollte er wissen.

„Na, du stellst dich beim nächstbesten Kasperltheater vor und bittest um eine Anstellung. Wenn du viel Glück hast, bekommst du eine Hauptrolle als Kasper, eine neue Gretel, einen neuen Seppl und vielleicht sogar ein neues Krokodil.
Und als richtiger Kasper mit einer roten Zipfelmütze wirst du bestimmt sehr viel Geld verdienen.“

„Hm“,  machte da der Kasper, „aber ich trage diese bescheuerte Zipfelmütze nur solange bis ich wieder blaue Haare habe.“

Eine weise Entscheidung, dachte da die Großmutter und lächelte. Kaspers Großmutter wusste nämlich sehr genau, dass ihr Kasper mit einer Zipfelmütze niemals glücklich werden würde.
Bald schon würden diese braunen Haare wieder herausgewachsen sein und ihr Kasper würde wieder wie Karl Kasper mit den blauen Haaren aussehen.
Niemals mehr würde er eine Zipfelmütze tragen müssen.
Er würde überhaupt keine Mütze tragen. Nicht mal einen Hut. Nicht einmal im Winter.

Er würde stolz auf seine blauen Haare sein, durch die Nase pfeifen und durch den Mund pupsen und ganz laut sein „Pingpangpullala“ trällern.

Auch wenn das die Leute manchmal nicht verstehen werden.
 
Willst du noch wissen, was aus Gretel, Seppl und dem Krokodil geworden ist?

Gretel und Seppel fanden einen neuen Kasper mit einer lustigen roten Zipfelmütze.

Eines Tages sagte Gretel: „Du Seppl, ich vermisse unseren Karl Kasper mit den blauen Haaren.“
„Geht mir genauso,“ seufzte Seppl, „und die Großmutter vermisse ich auch.“

Gretel und Seppl beschlossen zu ihrem Kasper mit den schönen blauen Haaren und seiner Großmutter zurückzukehren.
Es hat ziemlich lang gedauert, bis sie ihn wieder fanden.

Das Krokodil badete unterdessen die ganze Zeit im Nil. Und wie es so eines Tages vor sich hin planschte, kam ein großes grünes zähnefletschendes glitschiges Nilungeheuer angeschwommen.
(Natürlich war es kein Ungeheuer, sondern auch bloß ein Krokodil, das gerade seine Oma am anderen Ende des Flusses besuchen wollte!)

„Hilfe, hilfe!“ schrie da unser Krokodil, denn es hatte ja noch niemals ein echtes Nilkrokodil gesehen.
Es schwamm mit einer Schreckensangst ans Ufer und rannte wie der Blitz zu seinem Karl Kasper zurück. Weiß der Geier wie das Krokodil Karl Kasper so schnell finden konnte!

Jedenfalls hat es dabei den Weltrekord im 1000 Meter-Freistil-Krokodilrennen gewonnen und es gab als Belohnung einen ganzen Sack voll Gold.

Davon hat es ein wunderschönes kleines Theater gekauft. Eines ohne Direktor, versteht sich.
Und dort hat es  Karl Kasper mit all seinen Freunden auf Lebenszeit eingestellt.

Wenn ihr einmal das Glück habt, zu einer Vorstellung vom verrückten Kasper zu kommen, dann wundert euch nicht, wenn Karl Kasper durch den Mund pupst, durch die Nase pfeift und keine Zipfelmütze trägt.
Das muss einfach so sein und das muss auch so bleiben.

Illustration zum Text
Karl Kasper
(von GillSans)
Illustration zum Text
(von GillSans)
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Kommentare zu diesem Text

YingundYang117 (13)
(22.09.06)
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 GillSans meinte dazu am 22.09.06:
ach du liebe yingli, du kennst die geschichte ja schon....schön, dass du sie immer noch toll findest, freut mich sehr...übrigens solltest du auch mal wieder was schreiben!!!
:-))))))))))))))))))))))))))))
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