Ein Treppenhaus erinnert sich....

Erzählung zum Thema Nachbarschaft

von  Maya_Gähler

Eigentlich fing alles damit an, dass sich unsere Wege in die Waschküche zweimal hintereinander am gleichen Tag kreuzten. Und so blieben wir stehen und unterhielten uns.
Es waren die üblichen Alltäglichkeiten, über die wir uns austauschten. Man kam von Hundertsten ins Tausendste. Man redete sich regelrecht fest und das alles in einem ungemütlichen Treppenhaus. Plötzlich merkten wir, dass es zu dunkeln begann und wir erschraken doch sehr. Ich schlug vor, dass wir erst mal unsere Wäsche in die Wohnungen bringen sollten, um uns anschließend wieder bei mir zum Kaffee zu treffen. Mein Vorschlag  wurde gerne angenommen. Doch statt in der Wohnung, fand der Kaffeeklatsch im Treppenhaus statt. Vor meiner Wohnungstür. Zuerst standen wir dort, mit unseren Tassen in den Händen. Nach einer Weile holte ich Hocker sowie den Kaffeenachschub. Wir tratschten und tratschten. Die Kinder ließen sich kein einziges Mal blicken. Sie waren wohl glücklich, dass sie ihre Ruhe hatten. Uns gingen die Themen nicht aus. Plötzlich öffnete sich die Haupteingangstüre und ein Nachbar kam von der Arbeit nach Hause. Er blieb stehen und lachte. „Oh Kaffee.“ Ich verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. Holte auch ihm eine Tasse Kaffee und einen Hocker.
So tratschten wir denn zu dritt weiter. Als dann noch eine weitere Nachbarin dazukam, wurde es langsam knapp mit Hockern. Ich setzte noch mal Kaffee auf und mit der Zeit war die Treppe dekoriert mit Kaffeebechern, Milchtüte, Zuckerdose, Keksdose. Wieder ging die Tür auf und drei Nachbarn kehrten gleichzeitig heim. Da sagte jemand: „ Ich habe Hunger, ihr auch?“ Alle nickten. Unsere Gruppe war nun auf 10 Personen angewachsen, da sich auch das eine oder andere Kind zu uns gesellte. Nun so gingen wir in meine Wohnung, sie war die zentralste von allen und kochten Basler Mehlsuppe. Ach die tat so gut, in dieser nebligen kalten Nacht. Die Uhr zeigte doch schon 22 Uhr an. Als ich mit dem Topf und der Mehlsuppe wieder nach draußen kam, saßen auf der Treppe noch mehr Leute. Ich glaube, es waren höchstens noch drei Wohnungen, die nicht an diesem Treppenhaus-Sit-in teilnahmen. Die Suppe wurde verteilt und jeder genoss sie mit Wonne. Anschließend wurden einige der Kinder ins Bett gebracht oder geschickt. Wie viele Personen unseres 10 Familienhauses auf der Treppe saßen, vermag ich gar nicht mehr zu sagen. Ich weiß nur noch, dass wir von Kaffee auf Sekt, Wein, Baileys und Bier umgestiegen waren. Es türmten sich Unmengen von Kleinigkeiten auf den Stufen und es sah aus, als hätte jemand einen Karton im Treppenhaus ausgeleert und dessen Inhalt sich nun kunstvoll ausbreitete. Es war die Nacht von Mittwoch auf den „schmutzigen Donnerstag“ also der Beginn der Fasnachtswoche. Es war bitterkalt und die meisten hatten ihre Winterjacken an. Man hörte ein fröhliches Gegacker und Gekicher und so manche lustige Situation entstand. An eine erinnere ich mich noch besonders und muss jetzt noch grinsen, obwohl das Ganze sicher schon 10-12 Jahre her ist. Wir saßen gemütlich auf unseren Hockern und Stufen, standen rum oder hingen übers Geländer. Es war gegen 2 Uhr morgens. Die Tür fliegt auf und zwei Nachbarn kehrten heim. Einer davon voll geschminkt. Er hatte Guggemusigprobe und die neue Schminke wurde nochmals geübt. Er lief den unteren Absatz hoch, der andere hinterher. Sie wollten gerade Richtung Laubengang abbiegen, als sie uns bemerkten. Sie erschraken zu Tode, denn in dem Moment als sie hereinkamen, waren wir alle mucksmäuschenstill und das Licht war gerade mal wieder ausgegangen. Einer drückte wieder den Lichtknopf und alle kreischten vor Lachen auf, als sie die Beiden sahen.
So verdutze Gesichter habe ich lange nicht mehr gesehen und einer meinte mit gaaaanz langsamen Worten: „schloof ich öppe scho und ha en Alptraum?“ Wir hielten uns die Bäuche vor lachen. Wir konnten nicht mehr. Die beiden Heimkehrer hatten schon ein wenig Fasnacht vorgefeiert und wollten eigentlich ins Bett schwanken. Der mit dem geschminkten Gesicht entdeckte seine Freundin und wunderte sich, dass sie im Treppenhaus stand. Nun bis die Zwei endlich schnallten, dass hier eine Treppenhaus-Party stattfand, das dauerte noch eine kleine Weile. Die Party dauerte noch bis gegen halb fünf. Sie wurde eigentlich nur beendet, weil der erste um 5 Uhr zur Arbeit musste. Er wollte sich doch wenigstens noch duschen vorher. So beschlossen alle, ihre Wohnungen aufzusuchen. Die einen fielen in ihre Betten, andere blieben auf, da es nicht mehr rentierte schlafen zu gehen. Um 5 Uhr war ein ohrenbetäubender Lärm zu hören und ich dachte zuerst, wir hätten vergessen, die Tassen, Gläser etc wegzuräumen und jemand sei drüber gefallen. Doch der Lärm war viel schlimmer. Es war die Tschättermusik, die das Dorf wie üblich am „schmutzigen Donnerstag“ morgens um 5 Uhr aus den Träumen riss.  Hurra………die Fasnacht ist da…….. Und mit diesem Tag begann eine neue Ära im Block Nr. 444, nämlich die Ära der legendären Treppenhausparties


©g.b.=Maya_Gähler
2006-10-20

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Kommentare zu diesem Text

Nunny (73)
(20.10.06)
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 Maya_Gähler meinte dazu am 20.10.06:
Vielen Dank liebe Gisela. Ja es ist wirklich ein sehr spezielles Erlebnis gewesen und ich bin froh, dass ich es erleben durfte. Es folgten noch mehrere Treppenhausparties und jede war wieder anders. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich zu dieser Zeit wirklich in einem sehr freundlich gesinnten Block wohnte. Alle Nachbarn passten irgendwie zusammen. Und das Ganze dauerte doch immerhin gute 10 Jahre, in denen wir eine Nachbarschaft der besonderen Art erleben durften. Aber wie alles, ist auch das vergänglich, doch von den Erinnerungen kann man ewig zehren, die nimmt einem niemand mehr weg
Danke fürs Lächeln :o)
Ich grüsse dich herzlich
Maya
mbkreativ (61)
(25.10.06)
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 Maya_Gähler antwortete darauf am 25.10.06:
smile....... na das freut mich doch sehr, dass dir die treppenhausparty gefällt und wenn ich dir damit den start in den tag noch bereichern konnte, dann kann ich doch mehr als zufrieden sein...*lächel
danke dir herzlich für die freude und den drücker.....
sende dir einen ganz lieben drücker zurück, du liebe du
grüessli von der maya
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