Paula und der Tod
Kurzprosa zum Thema Tod
von rebell91
Zum 3. und (hoffentlich) letzten Mal.... hier ist der Text nun vollständig (gab nen kleinen Fehler...)
>>>Elisabeth Kübler-Ross erkannte, dass der Sterbeprozess unheilbar Kranker in unserer modernen Kultur meist in fünf Phasen abläuft. In der Regel durchlaufen die Betroffenen die Zustände:
* Nichtwahrhabenwollen und Isolierung
* Zorn
* Verhandeln
* Depression
* Zustimmung
Sie lag in ihrem Bett. Das Laken war verschwitzt. Seit Monaten hatte sie das Haus nicht mehr verlassen können. Ihr Leben, wenn man das überhaupt noch Leben nennen konnte, bestand darin, den ganzen Tag in ihrem Bett in dem kleinen Zimmer zu liegen. Machmal saß eins ihrer Kinder oder ihr Ehemann stunden an ihrem Bett und sie erzählten von Draußen und der Welt. Alles um sie herum. Alles, was sie nicht erleben konnte. Manchmal lasen sie ihr vor, manchmal waren sie einfach nur da. Schwiegen. Bis sie das Gespräch wieder auffing.
"Und hat beim Kochen alles geklappt?"
"Paps hat ein bisschen zuviel Salz genommen."
"Ja, das habe ich auch gemerkt, aber das war nicht schlimm."
"Nein, es hat gut geschmeckt. Er meint, er bringt's mir bei. Das nächste Mal helf' ich dann."
"Das ist schön."
- - - "Mama, du bist ganz blass."
"Ich bin immer blass, Schatz. Seit Monaten."
"Ich muss noch lernen, Mama."
"Englisch?"
"Englisch."
"Das schaffst du."
"Das hoffe ich..."
- - - "Mama?"
"Ja?"
"Du schaffst das auch, ja?"
"Geh lernen jetzt. Lass mich ein wenig schlafen. - Zieh nicht so ein Gesicht. Ich weiß doch... Das, das wird schon alles werden, mein Schatz."
Sie versuchte zu schlafen. Lange, sie wusste nicht wie lange, Minuten, Stunden, oder nur Sekunden, starrte sie mit dem Rücken zur Tür an die Tapete. Sie dachte an das Gesicht ihres Sohnes. Sie hätte ihm eine andere Jugend gewünscht. Dauernd musste er sich um sie kümmern und so viel helfen. Auf seine Schwestern aufpassen, kochen, putzen, hatte kaum Freizeit. Er ging abends sogut wie nie aus, rauchte und trank nicht. Sie wusste nicht, was er außerhalb machte, aber eine Freundin hatte er noch nie nach Hause gebracht. Ihr Mann erzählte aber, dass er regelmäßig Frauen erwähnte, mit denen er sich ab und zu traf. Aber er investierte zu viel Zeit in seine kranke Mutter. Dafür hatten viele kein Verständnis. Er meinte jedoch immer, das mache ihm nichts aus.
"Sven ist ein guter Sohn, Paula."
"Ich weiß. Er hilft dir sehr viel, nicht?"
"Sehr viel."
"Ich wünschte, er hätte eine andere Jugend."
"Er hatte seine Jugend, Paula, er wird nächstes Jahr schon achtzehn."
"Er ist doch noch ein Kind. - - Was macht Isabell?
"Sie schläft heute bei einer Freundin."
"Ach ja, das hat sie erzählt."
"Bei Lisa."
"Die habe ich auch ewig nicht gesehen."
"Sie hat jetzt rote Haare..."
"Rot?"
Paula musste lachen. Darauf folgte jedoch ein Hustanfall, der das Gespräch unterbrach.
"Chrm.. Rot... Du hörst dich aber nicht begeistert an."
"Nacher kommt Isa auch noch auf solche Ideen.."
"Ich hab mir mit fünfzehn auch die Haare gefärbt."
"Schwarz."
"Meine Eltern sind ausgerastet. ich weiß garnicht mehr, warum ich das gemacht habe."
"Vielleicht um jemanden zu beieindrucken?"
"Dich? Neeeein.. red keinen Unsinn. Ich hätte dich doch nie beeindrucken wollen und wenn doch nur ein ganz kleines bisschen."
"Jaja."
"Und Mia? Die habe ich heute noch nicht gesehen."
"Die spielt den ganzen Tag mit ihren neuen Kuscheltieren. Weißt du, die von Isabell."
"Hat viel zu tun."
"Wahnsinnig viel. Vorhin hat sie mich gebissen."
"Dann musst du zurückbeißen. Glaub mir Tobias, das hilft. Das hat bei Isabell und Sven auch geholfen. Das machen sie einmal und nie wieder."
"Hab' ich garnicht mitgekriegt, dass die mal gebissen haben."
"Siehst du: einmal und niewieder.."
Endlich schloss Paula die Augen. Als sie erwachte, öffnete sie sie nicht. Sie war noch zu müde, also drehte sie sich noch einmal um und schlief weiter.
Es klopfte an die Tür des kleinen Zimmers.
"Wer ist da?"
Keine Antwort.
"Wer ist da?"
"Darf ich reinkommen, Paula?"
"Wer ist da?"
"Der, auf den du seit Monaten wartest."
Paula schluckte.
"Nein.."
"Du wusstest doch, dass ich bald kommen werde."
"Ich will aber nicht."
"Ich darf nicht reinkommen?"
"Nein."
"Weißt du, Paula, noch hast du die Kraft, die Tür zuzuhalten, aber lange wirst du das nichtmehr schaffen."
"Lass mich! Warum ich?"
"Ich würde sagen, das frägt jeder."
"Geh weg."
"Gut. Ich gehe, aber ich werde wieder kommen."
"TOBIAS!"
- -
"TOBIAS!"
"TOBIAS!"
"Was ist los? Paula?"
Aufgebracht rüttelte er an ihren Schultern.
"Paula? Was? Du bist ganz vollgeschwitzt. Du.. Was ist passiert?"
"Ich habe... ich habe nur geträumt. - Mach die Tür zu, Tobias."
Er stand auf und schloss die Tür.
"Steht jemand draußen?"
"Wer denn? Wer soll denn da stehen?"
"Ich weiß es nicht.."
"Jetzt atme mal tief ein, Paula. Du hast nur geträumt. Ich habe auch schon schlecht geträumt."
"Ja."
Behutsam hob er sie hoch und nahm sie in die Arme. Es klopfte an die Tür. Paula zitterte. "Ja?" , fragte Tobias. "Alles ok?", erklang Svens Stimme. " Ja alles ist in Ordnung." "Gut." Er widmete sich wieder Paula, zog sie behutsam aus und legte sie wieder auf ihr Bett. Dann holte er eine zweite Matraze und legte sie darauf. Er bezog ihr Bett frisch und trug sie dann ins Bad gegenüber.
"Ich kann laufen, Tobias."
"Jetzt bleib mal ruhig, sonst kippst du mir noch um. Du zitterst ja immernoch."
Er badete sie, trocknete sie ab und trug sie danach wieder in ihr Zimmer. Er zog ihr ein frisches Nachthemd an und legte sie ins Bett.
"So, ich sollte jetzt aber runter. Sven muss Englisch lernen. Er passt gerade auf Mia auf."
"Ja, geh nur."
"Wenn was ist, Paula - ruf mich, klar?"
"Klar. Geh nur."
Thanatophobie - Angst vor dem Tod
Die Todesangst ist die Angst vor dem eigenen Tod bzw. dem Sterben und dessen Folgen, besonders in einer akuten Ausnahmesituation, die mit tatsächlich oder vermeintlich erhöhter Wahrscheinlichkeit das eigene Sterben zur unmittelbaren Folge hat: In solch akuten Situationen tritt die Todesangst in einer spezifisch gerichteten Furcht auf..
Paula lag unruhig in ihrem Bett. Nur ein Traum, hatte Tobias gesagt. Nur ein Traum. Nicht wahr. Nur - ein -... Paula spürte eine Träne ihre Wange herunterfließen. Ja, es war nur ein Traum gewesen, aber sie wusste selbst, dass sie nichtmehr lange zu leben hatte.
Der Damm brach. Erneut. Paula selbst, hatte geglaubt, sich damit abgefunden zu haben, aber nun weinte sie leise vor sich hin. Nun, da wieder alles so offensichtlich, so nah war, verlor Paula erneut ihre Selbstbeherrschung, die Kontolle über sich selbst.
Am Abend wurde plötzlich die Klinke zu Paulas Zimmer heruntergedrückt. Die Tür sprang auf und ein kleines Mädchen fiel ungeschickt ins Zimmer.
"Mia. Schatz, komm her. Komm zu Mama."
Mit kleinen ungeübten Schritten stolperte das Kind, die Arme weit von sich gestreckt, in Richtung der Mutter, auf diese zu. Am Bett angekommen krallte sie sich an der Matratze fest.
"Mia, mein Schatz. Toll hast du das gemacht." Paula lag erschöpft mit dem Kopf auf ihrem Kissen. Mia strich ihr liebevoll über die Wange.
"Mama."
"Ja, mein Schatz. Was machst du so? Papa sagt, du spielst mit deinen neuen Sachen."
"Mama weint."
"Mama hat geweint. Stimmt Schatz. Meine Süße, du bist meine kleine Süße."
Ungeschickt versuchte Mia am Bett hochzuklettern. Paula half ihrer Tochter nach oben.
"Ja, da bist du. Gut gemacht meine Süße."
"Mama." Mia schlang ihre kurzen Ärmchen um ihre Mutter.
"Du merkst, wenn es mir nicht gut geht, mein Schatz. Aber Mia.. Geh spielen, Mia, Schatz. Mami ist müde. Geh wieder nach unten."
"Mama."
"Geh, Mia. Mama möchte schlafen."
Mia bewegte sich zur Bettkante und kletterte zu Boden. Sie schaute noch einmal hoch zu ihrer Mutter und stolperte mehr als sie ging zur Tür. Dort drehte sie sich nocheinmal um.
"Mama."
"Ja, Schatz."
Dann verschwand sie aus dem Zimmer.
Eine Tür (ländlich Türe, v. griechisch: θύρα) ist eine Anlage zum Schließen einer Öffnung in einer Wand und erlaubt somit den Zugang in bestimmte Räume nur Personen mit dem richtigen Schlüssel. Weitere Funktionen der Tür sind der Wärme- und der Schallschutz. Manchmal werden beispielsweise durch bauliche Bestimmungen auch Rauchschutz-, Feuerschutz-, Strahlenschutztüren (Röntgenräume), gefordert. Diese Zusatzfunktionen werden durch spezielle Einlagen erreicht.
Die Tür, die Mia offengelassen hatte, beunruhigte Paula. Am Anfang gestad sie es sich nicht ein ("Paula, es ist nur eine Tür, eine offene Tür, nichts weiter, - gewöhnlich. Absolut gewöhnlich."), aber sie hatte Angst. Sie wusste doch nur zu genau wer vor dieser Tür stand und offenlassen würde sie sie nicht. Nein, so einfach nicht.
Paula schob die Bettdecke zur Seite und setzte sich langsam auf. Sie schob ihre Füße aus dem Bett und berührte behutsam den Boden. Nur ein paar kleine Schritte. In Zeitlupe stand Paula auf. Sie brauchte ein paar Sekunden um die Kontrolle zu finden, dann lief sie ganz langsam und mit winzigen Schritten in Richtung Tür. -- Es war ein Marathon.
Nach wenigen Schritten schon, keuchte Paula schwer, ihr wurde ganz komisch, ihr Kreislauf drohte zusammenzubrechen. Sie sah, dass es um sie herum schwarz wurde, ihre Augen flackerten, es flimmerte vor ihrem Gesicht. -- Nur nicht aufgeben, sagte sie sich und versuchte weiter den endlosen Weg zu überwinden. Ihr wurde schlecht, sie war kreidebleich, ihre Stirn war schweißnass. Sie atmete schwer, hyperventilierte dann und sank zu Boden. Erschöpft blieb sie liegen und schloss die Augen. Einen knappen Meter vor der Tür.
"Paula..."
"..."
"Hey! Paula..."
"Was? Wer?"
Sie drehte ihren Kopf zur Zimmertür. Sie war offen.
"Ich bin's"
Die wohltuende, autoritäre Stimme kam von überall und nirgendwo.
"Wo bist du?"
"Da."
"Geh' weg. Hau ab, hörst du?! HAU AB!!!"
"Paula, Paula.." Die Stimme blieb ruhig. "Wenn du mir schon die Tür öffnest..."
"Ich will dich nicht! Noch nicht! Ich habe eine Familie!" Paula hatte Tränen in den Augen. Vor Wut und Zorn schrie sie die Stimme an, doch diese blieb völlig unbeeindruckt.
"Das ist ein Grund, jedoch kein Hindernis, Paula."
"Sei still! Ich will das nicht hören!"
"Das, Paula, wollen nur die wenigsten."
"Lass mich..." Tränen überströmten ihr Wangen voll von kaltem Schweiß. "Lass mich..." , flüsterte sie. "Geh weg."
"Paula, da waren wie schoneinmal und du selbst kennst die Antwort."
"Noch ein bisschen.. Hörst du? Meine Kinder, meine Kleinen, und Mia ist doch noch so klein."
"Schicksal."
"Du bist grausam und unmenschlich."
Die Stmme lachte. "Ja, Paula, definiere mich, komm, definiere mich! Grausam, unmenschlich..."
"Hör auf! Gib mir noch Zeit."
"Du selbst hast die Tür schon nichtmehr offenhalten können."
"Andere werden sie zudrücken."
"Nicht lange."
"Lange genug."
"Gut, Paula, sei naiv, ruf' ihn. Nur zu. Er wird kommen und ich werde gehen. Aber nur für ein paar Momente, Paula. Nur für kurze zeit, für eine sehr kurze Zeit. Seit es Leben gibt, gibt es Tod und nur deine Geburt war ein Todesurteil."
"TOBIAS!"
"Jaja.. ist gut, ich verschwinde. Bis bald Paula, für dich wohl zu bald, aber daran kannst du nichts ändern, meine Liebe."
"TOBIAS!!!" Paula brüllte den Namen ihres Mannes. Beim dritten Mal war sie schon so geschwächt, dass ihr erneut schwarz vor Augen wurde.
Einerseits wird als Schicksal eine Art personifizierte höhere Macht begriffen, die ohne menschliches Zutun das Leben einer Person entscheidend beeinflusst. Beispiel: »Das Schicksal meint es gut mit ihr«, »Er wurde vom Schicksal dazu bestimmt«, »Das Schicksal nahm seinen Lauf«, oder der Schicksalsschlag als „Handlung“ der Macht.
Andererseits versteht man unter Schicksal aber auch die nicht beeinflussbare Bestimmung als persönliches Attribut, das »Los« eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen. In diesem Sinne ist es der Inbegriff unpersönlicher Mächte. Beispiel: »Sie hat ein trauriges Schicksal«, etc.
"TO..- ", eine Hand drückte sich auf ihren Mund. Über ihr erschien Tobias, der ihr einmal wirkungsvoll ins Gesicht schlug.
"PAULA! Hör auf, Hör auf zu schreien! Warum liegst du da? Du sollst nicht aufstehen. Sei doch nicht so dumm Paula!"
Nun sah sie ihn scharf vor sich. In seinem Gesicht herrschte ein Gefühlschaos. Zumal war er froh, dass Paula lebte, er war froh, dass sie ihn erkannte, er war zornig, weil sie aufgestanden war, er war... er war voller Angst. Paula erkannte, dass seine Augen ganz feucht waren.
"Paula... WARUM, ZUR HÖLLE, STEHST DU AUF?! DU LÄSST ES DARAUF ANKOMMEN!"
"Ich, ich..."
"DU BIST SO...!!!"
"Es, es... " Paula war total überfordert. Sie hatte solche Angst, sie hatte Tobias geängstigt, er war böse auf sie. Im Türrahmen erkannte sie Sven. Leichenblass.
Tobias hob Paula auf und trug sie auf ihr Bett.
"Hör Paula, du bist schrecklich naiv. Warum stehst du auf und mühst dich so ab?"
"Es tut mir... es tut mir so leid. Geh nach unten. Ich steh nicht wieder auf, ich versprechs."
"Ich komme nacher wieder, dann ziehe ich dich um. Ich bin wütend, Paula."
Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen, dass etwas unrechtes getan hatte, nickte und schloss um Tobias Willen die Augen. Er verließ das Zimmer, schob Sven vor sich her und schloss die Tür.
Wie lange noch, fragte sich Paula. Wie lange würde er sie noch schließen? Sie machte es allen schwer. Sie war nur noch ein Wrack. Alle mühten sich ab wegen ihr, sie zerstörte das Leben, der die sie liebte mit ihrer bloßen Existenz. Sie würde sich nicht erholen. Niemals. Sie würde sterben. Eher heute als morgen. Und war es nicht besser so? Keine Last sein. Der Tod hatte sie gerufen, es war an der Zeit. Sie würde nach vorne blicken. Es war gut so. Ihre Kinder waren selbstständig und sie hatte Mia solange sie lebte immer Liebe und Zuwendung gegeben, die nie genommen werden konnte, so wie sie allen ihre Liebe vermittelt hatte. Sie würde alle so in Erinnerung behalten wie sie waren. Keine Zukunftsspinnereien mehr, die sie nie erleben würde.
"Tobias", flüsterte sie.
Die Klingel. Tobias hatte vor längerer Zeit schweren Herzens eine Klingel direkt neben Paulas Bett installiert, die sie drücken konnte, wenn...
"Die Klingel ist, falls... Du weißt schon, .. wenn..."
"Wenn ich zu schwach zum schreien bin."
"Sag das nicht."
"So ist es nuneinmal."
"Auf jeden Fall ist sie da."
"Das ist sie."
Sie drehte sich zur Seite und drückte auf den Knopf. Sie hörte unten ein leises Pipsen, kurze Stille und dann Tobias' Schritte auf der Treppe. Schwungvoll öffnete er die Tür.
"Alles in Ordnung?"
"Mach die Tür zu und komm her."
Tobias kam. Er setzte sich auf Paulas Bett ind griff ihre kühle Hand.
"Ruf bei Werners an. Isabell soll sofort nach Hause. Sag es sei sehr dringend."
"Paula.."
"Dann komm wieder her. Die Zeit hab ich noch."
Er seufzte, stand auf, wandte den Blick nicht von ihr ab, bis er an der Tür war.
"Du wartest bis ich da bin."
"Ich versprech's"
Tobias lief die Treppe hinunter. Die Tür blieb offen stehen. Paula lächelte.
Als Sterbebett wird das letzte Lager bezeichnet, in das sich ein sterbenskranker Mensch zurückzieht, um den Tod zu erwarten.
Das Aufsuchen des Sterbebetts zur Erwartung des Todes ist als Gegensatz zum Tod im Kampf zu betrachten, der in martialischen Gesellschaften als Heldentod und damit „höherwertig“ eingestuft wird.
Gläubigen Katholiken soll auf dem Sterbebett das letzte Sakrament erteilt werden und vielfach hinterlässt der Sterbende im Angesicht des Todes der Nachwelt als Quintessenz seines Lebens seine letzten Worte.
Weil der Tod in unserer Gesellschaft oftmals noch tabuisiert wird, zwingt dies die Menschen gerade im allerletzten Abschnitt ihres Lebens dazu, allein - beispielsweise im anonymen Umfeld eines Krankenhauses - bleiben zu müssen. Nur wenige haben das Glück, im Kreis ihrer Familie auch noch am Sterbebett eine menschliche Begleitung erleben zu dürfen. Daher kommt der Hospiz-Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dort, wo unheilbar Kranke auf den Tod zugehen, unter dem Motto „Leben bis zuletzt“ Zuwendung, Anteilnahme, Liebe und Trost zu spenden, eine immer größere Bedeutung zu.
Eine Viertelstunde später befand sich die ganze Familie um Paulas Bett. Tobias, der auf auf dem Bett saß und Paulas Hand hielt, Sven auf den Knien, neben ihrem Kopf, direkt daneben Isabell und Mia, mit einem Stoffbär, spielend auf dem Boden.
Draußen war es dunkel geworden. Paula seufzte, holte tief Luft und begann.
"Wir alle wussten, dass es bald passieren würde. Nun ist es soweit. Ich.. wollte euch nur noch einmal alle sehen und euch sagen, dass ich euch liebe und ihr wunderbar seid. Ihr... Ich könnte mir keine bessere Familie vorstellen, mit einem stärkeren Zusammenhalt. Ihr seid so gut.
Tobias, ich liebe dich und ich habe dich immer geliebt. Ich... Schatz, weine nicht, wir haben so oft darüber geredet. Immer dann, wenn du morgens an meinem Bett standest um zu sehen, ob ich noch atme. Pass gut auf die Kinder auf. Sie sind erwachsen; Isa und Sven. Sie sind so wunderbar.
Sven, mein Liebling, du hast dich immer aufopfernd um mich gekümmert. Ich bin die sehr dankbar dafür. Du hast schöne Jugendjahre einfach so an die vorbeiziehen lassen, aber dein Leben ist noch nicht vorbei, es wird noch so schöne Zeiten geben, Sven.
Isa, Isabelle, meine Liebste, du bist eine wunderbare Tochter. Du warst immer da. Du hast mir immer von der Welt erzählt. Was draußen so passiert. Nicht nur hier, die ganze Welt hast du in dieses Zimmer gebracht.
Mia, Mia Schatz, komm mal zu Mami. Ja... dein Teddy? Ich... Ich... --- Mami wird nie sehen wie du groß wirst, aber Mami hat...... Mami hat... hat dich schrecklich lieb,... Mia...
Ich liebe euch alle so sehr. Ihr werdet mir so fehlen.
Aber... Aber nun ist es gut so. So ist es gut. ich bin glücklich und ich will nicht, dass ihr trauig seid. Ich bin so dankbar für die Zeit mit euch. Ich liebe euch."
Niemand sagte etwas. Jeder hatte sich schon so viele Gedanken um diesen Moment gemacht. Nun war er gekommen. Unwiderruflich, auch wenn sie ihn gern verdrängten.
"So. Das war alles. Lebt weiter. Lebt glücklich weiter. Lächelnd, hört ihr?" Und mit Tränen in den Augen grinste sie alle an.
Sie nahm all ihre Kinder in den Arm, drückte und küsste sie und dann ihren Tobias.
"Schatz, noch ein letzter Gefallen..."
"Was, Paula?"
---
"Öffne die Tür."
"Paula."
"Ja, ich bin da."
"Können wir gehen?"
"Oh ja, können wir."
"Du bist vernünftig geworden."
"Es wurde Zeit. - Tut es weh?"
"Nein, Paula. Kein bisschen. Erzähl mir was. Erzähl mir dein Leben. Von Anfang zum Ende."
"Nun gut. Und wann sterbe ich?"
Die Stimme gluckste.
"Nun sieh, Paula, da sind wir gerade dabei."
Paula lachte.
"Aber das dauert ja Ewigkeiten bis ich das erzählt habe."
"Hier gibt es keine Zeit, Paula. Fang einfach an. Und wenn du fertig bist .."
"Dann bin ich tot."
"Naja... so ungefähr. Erst willst du nicht und dann hast du es so eilig."
"Naja. Schicksal eben."
"Richtig, siehst du, du lernst. Bald hast dus drauf."
"Wo sind wir denn eigentlich hier?"
"Mensch, Paula,ich warte immernoch auf dein Leben!"
"Jaja. Nun gut. Dann hör mal zu, meine Leben ist nämlch äußerst interessant, weißt du?"
"Ich werds ja gleich wissen, nun fang an, ich höre. Ich höre dir zu bis in alle Ewigkeit, aber nun fang endlich an, sonst kommen wir nich weiter."
Und Paula erzählte...
>>>Elisabeth Kübler-Ross erkannte, dass der Sterbeprozess unheilbar Kranker in unserer modernen Kultur meist in fünf Phasen abläuft. In der Regel durchlaufen die Betroffenen die Zustände:
* Nichtwahrhabenwollen und Isolierung
* Zorn
* Verhandeln
* Depression
* Zustimmung
Sie lag in ihrem Bett. Das Laken war verschwitzt. Seit Monaten hatte sie das Haus nicht mehr verlassen können. Ihr Leben, wenn man das überhaupt noch Leben nennen konnte, bestand darin, den ganzen Tag in ihrem Bett in dem kleinen Zimmer zu liegen. Machmal saß eins ihrer Kinder oder ihr Ehemann stunden an ihrem Bett und sie erzählten von Draußen und der Welt. Alles um sie herum. Alles, was sie nicht erleben konnte. Manchmal lasen sie ihr vor, manchmal waren sie einfach nur da. Schwiegen. Bis sie das Gespräch wieder auffing.
"Und hat beim Kochen alles geklappt?"
"Paps hat ein bisschen zuviel Salz genommen."
"Ja, das habe ich auch gemerkt, aber das war nicht schlimm."
"Nein, es hat gut geschmeckt. Er meint, er bringt's mir bei. Das nächste Mal helf' ich dann."
"Das ist schön."
- - - "Mama, du bist ganz blass."
"Ich bin immer blass, Schatz. Seit Monaten."
"Ich muss noch lernen, Mama."
"Englisch?"
"Englisch."
"Das schaffst du."
"Das hoffe ich..."
- - - "Mama?"
"Ja?"
"Du schaffst das auch, ja?"
"Geh lernen jetzt. Lass mich ein wenig schlafen. - Zieh nicht so ein Gesicht. Ich weiß doch... Das, das wird schon alles werden, mein Schatz."
Sie versuchte zu schlafen. Lange, sie wusste nicht wie lange, Minuten, Stunden, oder nur Sekunden, starrte sie mit dem Rücken zur Tür an die Tapete. Sie dachte an das Gesicht ihres Sohnes. Sie hätte ihm eine andere Jugend gewünscht. Dauernd musste er sich um sie kümmern und so viel helfen. Auf seine Schwestern aufpassen, kochen, putzen, hatte kaum Freizeit. Er ging abends sogut wie nie aus, rauchte und trank nicht. Sie wusste nicht, was er außerhalb machte, aber eine Freundin hatte er noch nie nach Hause gebracht. Ihr Mann erzählte aber, dass er regelmäßig Frauen erwähnte, mit denen er sich ab und zu traf. Aber er investierte zu viel Zeit in seine kranke Mutter. Dafür hatten viele kein Verständnis. Er meinte jedoch immer, das mache ihm nichts aus.
"Sven ist ein guter Sohn, Paula."
"Ich weiß. Er hilft dir sehr viel, nicht?"
"Sehr viel."
"Ich wünschte, er hätte eine andere Jugend."
"Er hatte seine Jugend, Paula, er wird nächstes Jahr schon achtzehn."
"Er ist doch noch ein Kind. - - Was macht Isabell?
"Sie schläft heute bei einer Freundin."
"Ach ja, das hat sie erzählt."
"Bei Lisa."
"Die habe ich auch ewig nicht gesehen."
"Sie hat jetzt rote Haare..."
"Rot?"
Paula musste lachen. Darauf folgte jedoch ein Hustanfall, der das Gespräch unterbrach.
"Chrm.. Rot... Du hörst dich aber nicht begeistert an."
"Nacher kommt Isa auch noch auf solche Ideen.."
"Ich hab mir mit fünfzehn auch die Haare gefärbt."
"Schwarz."
"Meine Eltern sind ausgerastet. ich weiß garnicht mehr, warum ich das gemacht habe."
"Vielleicht um jemanden zu beieindrucken?"
"Dich? Neeeein.. red keinen Unsinn. Ich hätte dich doch nie beeindrucken wollen und wenn doch nur ein ganz kleines bisschen."
"Jaja."
"Und Mia? Die habe ich heute noch nicht gesehen."
"Die spielt den ganzen Tag mit ihren neuen Kuscheltieren. Weißt du, die von Isabell."
"Hat viel zu tun."
"Wahnsinnig viel. Vorhin hat sie mich gebissen."
"Dann musst du zurückbeißen. Glaub mir Tobias, das hilft. Das hat bei Isabell und Sven auch geholfen. Das machen sie einmal und nie wieder."
"Hab' ich garnicht mitgekriegt, dass die mal gebissen haben."
"Siehst du: einmal und niewieder.."
Endlich schloss Paula die Augen. Als sie erwachte, öffnete sie sie nicht. Sie war noch zu müde, also drehte sie sich noch einmal um und schlief weiter.
Es klopfte an die Tür des kleinen Zimmers.
"Wer ist da?"
Keine Antwort.
"Wer ist da?"
"Darf ich reinkommen, Paula?"
"Wer ist da?"
"Der, auf den du seit Monaten wartest."
Paula schluckte.
"Nein.."
"Du wusstest doch, dass ich bald kommen werde."
"Ich will aber nicht."
"Ich darf nicht reinkommen?"
"Nein."
"Weißt du, Paula, noch hast du die Kraft, die Tür zuzuhalten, aber lange wirst du das nichtmehr schaffen."
"Lass mich! Warum ich?"
"Ich würde sagen, das frägt jeder."
"Geh weg."
"Gut. Ich gehe, aber ich werde wieder kommen."
"TOBIAS!"
- -
"TOBIAS!"
"TOBIAS!"
"Was ist los? Paula?"
Aufgebracht rüttelte er an ihren Schultern.
"Paula? Was? Du bist ganz vollgeschwitzt. Du.. Was ist passiert?"
"Ich habe... ich habe nur geträumt. - Mach die Tür zu, Tobias."
Er stand auf und schloss die Tür.
"Steht jemand draußen?"
"Wer denn? Wer soll denn da stehen?"
"Ich weiß es nicht.."
"Jetzt atme mal tief ein, Paula. Du hast nur geträumt. Ich habe auch schon schlecht geträumt."
"Ja."
Behutsam hob er sie hoch und nahm sie in die Arme. Es klopfte an die Tür. Paula zitterte. "Ja?" , fragte Tobias. "Alles ok?", erklang Svens Stimme. " Ja alles ist in Ordnung." "Gut." Er widmete sich wieder Paula, zog sie behutsam aus und legte sie wieder auf ihr Bett. Dann holte er eine zweite Matraze und legte sie darauf. Er bezog ihr Bett frisch und trug sie dann ins Bad gegenüber.
"Ich kann laufen, Tobias."
"Jetzt bleib mal ruhig, sonst kippst du mir noch um. Du zitterst ja immernoch."
Er badete sie, trocknete sie ab und trug sie danach wieder in ihr Zimmer. Er zog ihr ein frisches Nachthemd an und legte sie ins Bett.
"So, ich sollte jetzt aber runter. Sven muss Englisch lernen. Er passt gerade auf Mia auf."
"Ja, geh nur."
"Wenn was ist, Paula - ruf mich, klar?"
"Klar. Geh nur."
Thanatophobie - Angst vor dem Tod
Die Todesangst ist die Angst vor dem eigenen Tod bzw. dem Sterben und dessen Folgen, besonders in einer akuten Ausnahmesituation, die mit tatsächlich oder vermeintlich erhöhter Wahrscheinlichkeit das eigene Sterben zur unmittelbaren Folge hat: In solch akuten Situationen tritt die Todesangst in einer spezifisch gerichteten Furcht auf..
Paula lag unruhig in ihrem Bett. Nur ein Traum, hatte Tobias gesagt. Nur ein Traum. Nicht wahr. Nur - ein -... Paula spürte eine Träne ihre Wange herunterfließen. Ja, es war nur ein Traum gewesen, aber sie wusste selbst, dass sie nichtmehr lange zu leben hatte.
Der Damm brach. Erneut. Paula selbst, hatte geglaubt, sich damit abgefunden zu haben, aber nun weinte sie leise vor sich hin. Nun, da wieder alles so offensichtlich, so nah war, verlor Paula erneut ihre Selbstbeherrschung, die Kontolle über sich selbst.
Am Abend wurde plötzlich die Klinke zu Paulas Zimmer heruntergedrückt. Die Tür sprang auf und ein kleines Mädchen fiel ungeschickt ins Zimmer.
"Mia. Schatz, komm her. Komm zu Mama."
Mit kleinen ungeübten Schritten stolperte das Kind, die Arme weit von sich gestreckt, in Richtung der Mutter, auf diese zu. Am Bett angekommen krallte sie sich an der Matratze fest.
"Mia, mein Schatz. Toll hast du das gemacht." Paula lag erschöpft mit dem Kopf auf ihrem Kissen. Mia strich ihr liebevoll über die Wange.
"Mama."
"Ja, mein Schatz. Was machst du so? Papa sagt, du spielst mit deinen neuen Sachen."
"Mama weint."
"Mama hat geweint. Stimmt Schatz. Meine Süße, du bist meine kleine Süße."
Ungeschickt versuchte Mia am Bett hochzuklettern. Paula half ihrer Tochter nach oben.
"Ja, da bist du. Gut gemacht meine Süße."
"Mama." Mia schlang ihre kurzen Ärmchen um ihre Mutter.
"Du merkst, wenn es mir nicht gut geht, mein Schatz. Aber Mia.. Geh spielen, Mia, Schatz. Mami ist müde. Geh wieder nach unten."
"Mama."
"Geh, Mia. Mama möchte schlafen."
Mia bewegte sich zur Bettkante und kletterte zu Boden. Sie schaute noch einmal hoch zu ihrer Mutter und stolperte mehr als sie ging zur Tür. Dort drehte sie sich nocheinmal um.
"Mama."
"Ja, Schatz."
Dann verschwand sie aus dem Zimmer.
Eine Tür (ländlich Türe, v. griechisch: θύρα) ist eine Anlage zum Schließen einer Öffnung in einer Wand und erlaubt somit den Zugang in bestimmte Räume nur Personen mit dem richtigen Schlüssel. Weitere Funktionen der Tür sind der Wärme- und der Schallschutz. Manchmal werden beispielsweise durch bauliche Bestimmungen auch Rauchschutz-, Feuerschutz-, Strahlenschutztüren (Röntgenräume), gefordert. Diese Zusatzfunktionen werden durch spezielle Einlagen erreicht.
Die Tür, die Mia offengelassen hatte, beunruhigte Paula. Am Anfang gestad sie es sich nicht ein ("Paula, es ist nur eine Tür, eine offene Tür, nichts weiter, - gewöhnlich. Absolut gewöhnlich."), aber sie hatte Angst. Sie wusste doch nur zu genau wer vor dieser Tür stand und offenlassen würde sie sie nicht. Nein, so einfach nicht.
Paula schob die Bettdecke zur Seite und setzte sich langsam auf. Sie schob ihre Füße aus dem Bett und berührte behutsam den Boden. Nur ein paar kleine Schritte. In Zeitlupe stand Paula auf. Sie brauchte ein paar Sekunden um die Kontrolle zu finden, dann lief sie ganz langsam und mit winzigen Schritten in Richtung Tür. -- Es war ein Marathon.
Nach wenigen Schritten schon, keuchte Paula schwer, ihr wurde ganz komisch, ihr Kreislauf drohte zusammenzubrechen. Sie sah, dass es um sie herum schwarz wurde, ihre Augen flackerten, es flimmerte vor ihrem Gesicht. -- Nur nicht aufgeben, sagte sie sich und versuchte weiter den endlosen Weg zu überwinden. Ihr wurde schlecht, sie war kreidebleich, ihre Stirn war schweißnass. Sie atmete schwer, hyperventilierte dann und sank zu Boden. Erschöpft blieb sie liegen und schloss die Augen. Einen knappen Meter vor der Tür.
"Paula..."
"..."
"Hey! Paula..."
"Was? Wer?"
Sie drehte ihren Kopf zur Zimmertür. Sie war offen.
"Ich bin's"
Die wohltuende, autoritäre Stimme kam von überall und nirgendwo.
"Wo bist du?"
"Da."
"Geh' weg. Hau ab, hörst du?! HAU AB!!!"
"Paula, Paula.." Die Stimme blieb ruhig. "Wenn du mir schon die Tür öffnest..."
"Ich will dich nicht! Noch nicht! Ich habe eine Familie!" Paula hatte Tränen in den Augen. Vor Wut und Zorn schrie sie die Stimme an, doch diese blieb völlig unbeeindruckt.
"Das ist ein Grund, jedoch kein Hindernis, Paula."
"Sei still! Ich will das nicht hören!"
"Das, Paula, wollen nur die wenigsten."
"Lass mich..." Tränen überströmten ihr Wangen voll von kaltem Schweiß. "Lass mich..." , flüsterte sie. "Geh weg."
"Paula, da waren wie schoneinmal und du selbst kennst die Antwort."
"Noch ein bisschen.. Hörst du? Meine Kinder, meine Kleinen, und Mia ist doch noch so klein."
"Schicksal."
"Du bist grausam und unmenschlich."
Die Stmme lachte. "Ja, Paula, definiere mich, komm, definiere mich! Grausam, unmenschlich..."
"Hör auf! Gib mir noch Zeit."
"Du selbst hast die Tür schon nichtmehr offenhalten können."
"Andere werden sie zudrücken."
"Nicht lange."
"Lange genug."
"Gut, Paula, sei naiv, ruf' ihn. Nur zu. Er wird kommen und ich werde gehen. Aber nur für ein paar Momente, Paula. Nur für kurze zeit, für eine sehr kurze Zeit. Seit es Leben gibt, gibt es Tod und nur deine Geburt war ein Todesurteil."
"TOBIAS!"
"Jaja.. ist gut, ich verschwinde. Bis bald Paula, für dich wohl zu bald, aber daran kannst du nichts ändern, meine Liebe."
"TOBIAS!!!" Paula brüllte den Namen ihres Mannes. Beim dritten Mal war sie schon so geschwächt, dass ihr erneut schwarz vor Augen wurde.
Einerseits wird als Schicksal eine Art personifizierte höhere Macht begriffen, die ohne menschliches Zutun das Leben einer Person entscheidend beeinflusst. Beispiel: »Das Schicksal meint es gut mit ihr«, »Er wurde vom Schicksal dazu bestimmt«, »Das Schicksal nahm seinen Lauf«, oder der Schicksalsschlag als „Handlung“ der Macht.
Andererseits versteht man unter Schicksal aber auch die nicht beeinflussbare Bestimmung als persönliches Attribut, das »Los« eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen. In diesem Sinne ist es der Inbegriff unpersönlicher Mächte. Beispiel: »Sie hat ein trauriges Schicksal«, etc.
"TO..- ", eine Hand drückte sich auf ihren Mund. Über ihr erschien Tobias, der ihr einmal wirkungsvoll ins Gesicht schlug.
"PAULA! Hör auf, Hör auf zu schreien! Warum liegst du da? Du sollst nicht aufstehen. Sei doch nicht so dumm Paula!"
Nun sah sie ihn scharf vor sich. In seinem Gesicht herrschte ein Gefühlschaos. Zumal war er froh, dass Paula lebte, er war froh, dass sie ihn erkannte, er war zornig, weil sie aufgestanden war, er war... er war voller Angst. Paula erkannte, dass seine Augen ganz feucht waren.
"Paula... WARUM, ZUR HÖLLE, STEHST DU AUF?! DU LÄSST ES DARAUF ANKOMMEN!"
"Ich, ich..."
"DU BIST SO...!!!"
"Es, es... " Paula war total überfordert. Sie hatte solche Angst, sie hatte Tobias geängstigt, er war böse auf sie. Im Türrahmen erkannte sie Sven. Leichenblass.
Tobias hob Paula auf und trug sie auf ihr Bett.
"Hör Paula, du bist schrecklich naiv. Warum stehst du auf und mühst dich so ab?"
"Es tut mir... es tut mir so leid. Geh nach unten. Ich steh nicht wieder auf, ich versprechs."
"Ich komme nacher wieder, dann ziehe ich dich um. Ich bin wütend, Paula."
Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen, dass etwas unrechtes getan hatte, nickte und schloss um Tobias Willen die Augen. Er verließ das Zimmer, schob Sven vor sich her und schloss die Tür.
Wie lange noch, fragte sich Paula. Wie lange würde er sie noch schließen? Sie machte es allen schwer. Sie war nur noch ein Wrack. Alle mühten sich ab wegen ihr, sie zerstörte das Leben, der die sie liebte mit ihrer bloßen Existenz. Sie würde sich nicht erholen. Niemals. Sie würde sterben. Eher heute als morgen. Und war es nicht besser so? Keine Last sein. Der Tod hatte sie gerufen, es war an der Zeit. Sie würde nach vorne blicken. Es war gut so. Ihre Kinder waren selbstständig und sie hatte Mia solange sie lebte immer Liebe und Zuwendung gegeben, die nie genommen werden konnte, so wie sie allen ihre Liebe vermittelt hatte. Sie würde alle so in Erinnerung behalten wie sie waren. Keine Zukunftsspinnereien mehr, die sie nie erleben würde.
"Tobias", flüsterte sie.
Die Klingel. Tobias hatte vor längerer Zeit schweren Herzens eine Klingel direkt neben Paulas Bett installiert, die sie drücken konnte, wenn...
"Die Klingel ist, falls... Du weißt schon, .. wenn..."
"Wenn ich zu schwach zum schreien bin."
"Sag das nicht."
"So ist es nuneinmal."
"Auf jeden Fall ist sie da."
"Das ist sie."
Sie drehte sich zur Seite und drückte auf den Knopf. Sie hörte unten ein leises Pipsen, kurze Stille und dann Tobias' Schritte auf der Treppe. Schwungvoll öffnete er die Tür.
"Alles in Ordnung?"
"Mach die Tür zu und komm her."
Tobias kam. Er setzte sich auf Paulas Bett ind griff ihre kühle Hand.
"Ruf bei Werners an. Isabell soll sofort nach Hause. Sag es sei sehr dringend."
"Paula.."
"Dann komm wieder her. Die Zeit hab ich noch."
Er seufzte, stand auf, wandte den Blick nicht von ihr ab, bis er an der Tür war.
"Du wartest bis ich da bin."
"Ich versprech's"
Tobias lief die Treppe hinunter. Die Tür blieb offen stehen. Paula lächelte.
Als Sterbebett wird das letzte Lager bezeichnet, in das sich ein sterbenskranker Mensch zurückzieht, um den Tod zu erwarten.
Das Aufsuchen des Sterbebetts zur Erwartung des Todes ist als Gegensatz zum Tod im Kampf zu betrachten, der in martialischen Gesellschaften als Heldentod und damit „höherwertig“ eingestuft wird.
Gläubigen Katholiken soll auf dem Sterbebett das letzte Sakrament erteilt werden und vielfach hinterlässt der Sterbende im Angesicht des Todes der Nachwelt als Quintessenz seines Lebens seine letzten Worte.
Weil der Tod in unserer Gesellschaft oftmals noch tabuisiert wird, zwingt dies die Menschen gerade im allerletzten Abschnitt ihres Lebens dazu, allein - beispielsweise im anonymen Umfeld eines Krankenhauses - bleiben zu müssen. Nur wenige haben das Glück, im Kreis ihrer Familie auch noch am Sterbebett eine menschliche Begleitung erleben zu dürfen. Daher kommt der Hospiz-Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dort, wo unheilbar Kranke auf den Tod zugehen, unter dem Motto „Leben bis zuletzt“ Zuwendung, Anteilnahme, Liebe und Trost zu spenden, eine immer größere Bedeutung zu.
Eine Viertelstunde später befand sich die ganze Familie um Paulas Bett. Tobias, der auf auf dem Bett saß und Paulas Hand hielt, Sven auf den Knien, neben ihrem Kopf, direkt daneben Isabell und Mia, mit einem Stoffbär, spielend auf dem Boden.
Draußen war es dunkel geworden. Paula seufzte, holte tief Luft und begann.
"Wir alle wussten, dass es bald passieren würde. Nun ist es soweit. Ich.. wollte euch nur noch einmal alle sehen und euch sagen, dass ich euch liebe und ihr wunderbar seid. Ihr... Ich könnte mir keine bessere Familie vorstellen, mit einem stärkeren Zusammenhalt. Ihr seid so gut.
Tobias, ich liebe dich und ich habe dich immer geliebt. Ich... Schatz, weine nicht, wir haben so oft darüber geredet. Immer dann, wenn du morgens an meinem Bett standest um zu sehen, ob ich noch atme. Pass gut auf die Kinder auf. Sie sind erwachsen; Isa und Sven. Sie sind so wunderbar.
Sven, mein Liebling, du hast dich immer aufopfernd um mich gekümmert. Ich bin die sehr dankbar dafür. Du hast schöne Jugendjahre einfach so an die vorbeiziehen lassen, aber dein Leben ist noch nicht vorbei, es wird noch so schöne Zeiten geben, Sven.
Isa, Isabelle, meine Liebste, du bist eine wunderbare Tochter. Du warst immer da. Du hast mir immer von der Welt erzählt. Was draußen so passiert. Nicht nur hier, die ganze Welt hast du in dieses Zimmer gebracht.
Mia, Mia Schatz, komm mal zu Mami. Ja... dein Teddy? Ich... Ich... --- Mami wird nie sehen wie du groß wirst, aber Mami hat...... Mami hat... hat dich schrecklich lieb,... Mia...
Ich liebe euch alle so sehr. Ihr werdet mir so fehlen.
Aber... Aber nun ist es gut so. So ist es gut. ich bin glücklich und ich will nicht, dass ihr trauig seid. Ich bin so dankbar für die Zeit mit euch. Ich liebe euch."
Niemand sagte etwas. Jeder hatte sich schon so viele Gedanken um diesen Moment gemacht. Nun war er gekommen. Unwiderruflich, auch wenn sie ihn gern verdrängten.
"So. Das war alles. Lebt weiter. Lebt glücklich weiter. Lächelnd, hört ihr?" Und mit Tränen in den Augen grinste sie alle an.
Sie nahm all ihre Kinder in den Arm, drückte und küsste sie und dann ihren Tobias.
"Schatz, noch ein letzter Gefallen..."
"Was, Paula?"
---
"Öffne die Tür."
"Paula."
"Ja, ich bin da."
"Können wir gehen?"
"Oh ja, können wir."
"Du bist vernünftig geworden."
"Es wurde Zeit. - Tut es weh?"
"Nein, Paula. Kein bisschen. Erzähl mir was. Erzähl mir dein Leben. Von Anfang zum Ende."
"Nun gut. Und wann sterbe ich?"
Die Stimme gluckste.
"Nun sieh, Paula, da sind wir gerade dabei."
Paula lachte.
"Aber das dauert ja Ewigkeiten bis ich das erzählt habe."
"Hier gibt es keine Zeit, Paula. Fang einfach an. Und wenn du fertig bist .."
"Dann bin ich tot."
"Naja... so ungefähr. Erst willst du nicht und dann hast du es so eilig."
"Naja. Schicksal eben."
"Richtig, siehst du, du lernst. Bald hast dus drauf."
"Wo sind wir denn eigentlich hier?"
"Mensch, Paula,ich warte immernoch auf dein Leben!"
"Jaja. Nun gut. Dann hör mal zu, meine Leben ist nämlch äußerst interessant, weißt du?"
"Ich werds ja gleich wissen, nun fang an, ich höre. Ich höre dir zu bis in alle Ewigkeit, aber nun fang endlich an, sonst kommen wir nich weiter."
Und Paula erzählte...
Kommentare zu diesem Text
freut mich das du ihn (ganz) gelesen hast und das er dir gefällt. Ich habe ihn 3 mal reingestellt.. weil mit den ich immer irgendwie eine zeichenkombination verwendet hab an der der text plötzlich abbrach.
Ich hab diesen Sterbe Prozess im internet gefunden und wollte einfach was darüber schreiben.
ich stimm dir bei deinen Gedanken völlig zu.
schönen abend noch.
grüße!
rebellin
Ich hab diesen Sterbe Prozess im internet gefunden und wollte einfach was darüber schreiben.
ich stimm dir bei deinen Gedanken völlig zu.
schönen abend noch.
grüße!
rebellin
Egal wie lang es dauert bis man einen deiner Texte gelesen hat, am Ende ist man immer froh, dass man ihn zwischen dem vielen Müll auf dieser Internetseite gefunden hat Ist echt ne sehr ergreifende Geschichte, war zum Schluss nur noch wenige Millimeter vom Bildschirm entfernt. Hast ne echte Begabung, so wie du Geschichten erzählst!
Liebe Grüße, David
Liebe Grüße, David
danke dir, danke dir.
es freut mich wirklich, dass dich alles so anspricht.
und ich seh es als großes lob, wenn su sogar die nase am bildschirm hast *g*
nach druckerschwärze richts leider noch nicht
lg,
susi
es freut mich wirklich, dass dich alles so anspricht.
und ich seh es als großes lob, wenn su sogar die nase am bildschirm hast *g*
nach druckerschwärze richts leider noch nicht
lg,
susi