IV
 Inhalt 

V

Erzählung

von  NormanM.

Bassweiler und die anderen sah ich immer seltener. So wie ich mitbekam, ging Stone sich dort nur bekiffen, Bassweiler besaufen und Jürgi traf dort wahrscheinlich immer diese Frau. Ich wusste nicht, wie oft sie diese Maschine nutzen, aber nicht so oft wie ich, ich wurde immer besessener von dieser animierten Welt, ich blieb immer länger drin, die Abstände dazwischen wurden immer kürzer. Irgendwann ging ich auch nicht mehr arbeiten, sondern verbrachte die Tage in dieser Welt mit meiner Schwester und ihren Freunden. Und das Tag für Tag, schon seit Wochen. Ich verliebte mich irgendwann sogar in Kerstin, eine Freundin von Anja. Ich war so glücklich, so wunschlos glücklich. Selbst Roberts Hilfe brauchte ich nur noch selten, ich ließ einfach alles so geschehen, wie es geschah. Ich wusste irgendwann nicht mehr, wie lange ich schon die Maschine nicht mehr verlassen hatte, wahrscheinlich schon ein paar Tage nicht.
Eines Tages, als ich mit Kerstin gerade intim werden wollte, erschien Vierstein plötzlich. „Jörg, wissen Sie schon, wie lange Sie hier drin sind?“, fragte er.
„Nein, und wen kümmert es schon. Ich bleibe hier“, sagte ich.
„Jörg, Sie müssen zurück in die wirkliche Welt, Sie verlieren den Verstand sonst.“
„Den verlier ich da draußen auch.“
„Verdammt seien Sie doch vernünftig. Alles hier ist nicht echt, auch, das was sie essen und trinken nicht. Sie sind schon über drei Tage hier drin, auch wenn Sie es hier nicht merken, aber Sie verdursten, ihr Körper trocknet aus.“
„Ach Blödsinn, verschwinden Sie, lassen Sie mich in Ruhe.“ Ich wurde aggressiv.
„Robert“, sagte Vierstein. „Wir beide verlassen das Programm jetzt.“
„Nein, das werde ich nicht“, betonte ich aggressiv.
„Es tut mir leid, Herr Professor Vierstein, aber ich kann das Programm nicht für ihn beenden, wenn er es nicht selber wünscht“, sagte Robert.
„Ach, verdammter Mist“, schrie Vierstein.
„Robert, lassen Sie ihn aus meinen Augen verschwinden“, sagte ich. Und Vierstein war verschwunden.
Ich ging zurück zu Kerstin. „Tut mir leid, nur ein kleiner Zwischenfall“, entschuldigte ich mich. Dann konnten wir uns endlich ungestört lieben. Nun ja, ich wusste zwar, dass Robert überall war, aber ich vertraute ihm und ging davon aus, dass er weg sah.
Doch irgendetwas schien einen Moment später zu passieren in dieser Welt, es kam mir so vor, als würde die Welt gleich untergehen. Dann hörte ich plötzlich Geräusche, es war wie ein Donnern.
„Robert, was passiert hier?“, fragte ich.
„Sie zerstören die Maschine“, antwortete er.
„Wer?“
„Vierstein, das Programm ist außer Kontrolle geraten, er versucht Sie zu retten.“
„Tun Sie etwas“, flehte ich.
„Das kann ich nicht, ich habe nach außen keinen Einfluss.“
„Wo ist meine Schwester?“ Er ließ sie erscheinen.
„Du musst dich auch von ihr verabschieden, dir bleibt nicht mehr viel Zeit“, sagte Robert. Immer lauter wurde das Donnern, alles begann zu wackeln. Ich sah, wie Robert langsam blasser wurde.
„Robert!“, rief ich.
„Ich muss gehen, leb wohl Jörg, mein Freund.“ Ich musste weinen.
Ich sah meine Schwester an.
„Jörg, es ist Zeit, Lebwohl zu sagen, sie werden mich auch vernichten, bitte versuch, nicht so traurig zu sein.“ Ich sagte nichts, mir wurde bewusst, dass es wirklich so war.
Robert war inzwischen schon nicht mehr zu sehen. Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken, ich fiel ihr in die Arme.
„Bitte versprich mir, dass du nicht so traurig sein wirst“, sagte sie. Ich schüttelte nur den Kopf und weinte.
„Nein, bitte weine nicht“, sagte sie und musste auch ein wenig weinen. Auch sie begann inzwischen zu verblassen.
„Bitte, geh nicht“, flehte ich weinend.
„Doch, ich muss“, antwortete sie. „Bitte versuch, nicht so traurig zu sein“, sagte sie wieder, während sie immer mehr verblasste. „Bitte, sei nicht so traurig, bitte versprich es mir.“ Auch ihre Stimme wurde immer leiser. Sie sagte es immer wieder. Bis ich sie gar nicht mehr hören konnte und alles um mich herum verschwand.
Ich bekam noch gerade mit, wie ich im nächsten Moment aus der Maschine geholt wurde und von Sanitätern auf eine Krankenliege gelegt wurde. Plötzlich fühlte ich mich so unheimlich geschwächt.
„Oh Mann, das ging ja gerade noch gut“, hörte ich Vierstein sagen. Dann injizierten sie mir irgendeine Flüssigkeit und ich wurde ins Krankenhaus gefahren.

Ich zog kurz, nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen war, weg, um zu vergessen. Von Bassweiler und den anderen hörte ich nichts mehr, sie hatten mich nicht einmal im Krankenhaus besucht. So lebte ich weiterhin einsam an irgendeinem anderen Ort und versuchte zu vergessen. Hin und wieder kaufte ich mir eine Zeitung aus meinem Heimatort. Irgendwann las ich Jürgis Namen in der Zeitung, er hatte tatsächlich sein Abitur geschafft, mit inzwischen 29 Jahren, sechs Jahre nachdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Ich wusste nur, ich hatte mehr verloren als vorher. Ich blieb ein Versager.

 IV
 Inhalt 
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Omnahmashivaya (08.01.08)
Wirklich eine sehr trauriges Ende. Aber das Leben geht immer weiter und irgendwann gibt es auch noch andere Freunde, richtige!Lg Sabine
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram