Der Marsch

Erzählung zum Thema Wehrdienst

von  NormanM.

Heute machten wir einen „Ausflug ins Grüne“. Darunter war aber kein netter Spaziergang zu verstehen, sondern ein Marsch mit 20 kg Gepäck durchs Gelände.
„Es wird anstrengend morgen“, hatte uns am Vortag einer der Unteroffiziere gesagt. Auf anstrengend hatte ich keine große Lust, zu blöd, dass meine Verweigerung noch immer nicht bearbeitet wurde. Der Verklemmte hatte seine erst gar nicht abgeben, da es in der Nähe des Dorfes, in dem er wohnte keine Zivildienststelle mehr gab. Ich hatte glücklicherweise noch eine gefunden, ich musste nur noch warten, bis ich vom Wehrdienst endlich befreit wurde.

Nachdem wir etwa eine Viertelstunde marschiert waren, hielt uns der Zugführer an. „Gepäckkontrolle“, rief er und wir wurden aufgefordert, drei Teile der Ausrüstung, die wir mitnehmen sollten, auszupacken. Der Halbstarke hatte natürlich ein Teil vergessen.
„Normalerweise müsste ich Sie jetzt zurückschicken, um es zu holen“, schimpfte der Zugführer. „Aber ich habe keine Lust bis zum Jahrtausendwechsel auf Sie zu warten. Wenn so etwas noch mal vorkommt, dürfen Sie am Wochenende einen 50 km Marsch machen.“

Der Marsch war schon anstrengend, aber glücklicherweise konnten wir uns unterhalten, daher war es noch erträglich. An einer Lichtung schließlich blieben wir stehen. Gut, wir machen eine Pause, dachte ich. Aber da lag ich falsch.
„Alle legen sich auf den Bauch“, befahl der Vorgesetzte. Der Boden war recht matschig, so legte ich mich nicht richtig hin und stütze mich ein wenig ab, damit ich nicht dreckig wurde.
„Auch der Kamerad mit dem KGV-Antrag legt sich richtig hin“, rief der Zugführer. Was war denn ein KGV-Antrag, überlegte ich. Ach ja, Kriegsdienstverweigerungsantrag, fiel mir dann ein. Oh, dann meinte er ja mich. Dann musste ich mich wohl doch hinlegen und tat es dann schließlich. Dabei winkte ich zur Entschuldigung mit der Hand.
„Was soll das denn? Bin ich ein Kellner in der Disco, den Sie heranwinken wollen?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Wie heißt es dann?“
„Entschuldigung, Herr Stabsunteroffizier.“
„Das nächste Mal will ich keine Handzeichen sehen, wir sind nicht taubstumm.“
„Es kommt nicht mehr vor, Herr Stabsunteroffizier.“ Und das meinte ich ernst, bevor ich nachher noch ein Wochenende dableiben musste.

Der nächste Teil des Weges war sehr matschig. Angenehmer wäre es sicherlich am Wegesrand entlang zu gehen.
„Wir bleiben natürlich alle auf dem Weg“, rief der Zugführer, als könnte er meine Gedanken lesen und wanderte vorbildlich durch eine Pfütze.
Eine der nächsten Pfützen war sehr groß. Der Verklemmte stiefelte genau drauf los.
„Geh da besser dran vorbei“, sagte ich zu ihm. „Die erscheint mir irgendwie ziemlich tief zu sein.“
Da er aber wohl Angst vor Ärger hatte, hörte er nicht auf mich und stand schließlich fast bis zur Schulter in der Pfütze. Alle lachten. Ganz konnte mich mir das Lachen zwar auch nicht verkneifen, aber es war nicht aus Boshaftigkeit. Fast weinte er, aber er schaffte es noch gerade, sich zu beherrschen. Der Zugführer verkniff sich an der Stelle eine Bemerkung und schüttelte nur genervt den Kopf. Glücklicherweise war es warm und sonnig, so dass die nasse Kleidung wenigstens schnell trocknete. Aber unangenehm war es mit Sicherheit, für den Rest des Tages nun in den Klamotten herum zu laufen.
„Falls du morgen erkältet bist“, sagte ich leise zum Verklemmten. „Meld dich bloß krank und sieh zu, dass du krankgeschrieben wirst.“

Da der Marsch bis abends ging, fand das Mittagessen unter freiem Himmel statt.
„Wollen Sie nichts Warmes essen?“, fragte mich einer der Unteroffiziere, als ich bei der Essenausgabe nur Brot und Obst nahm.
„Nein, danke. So brauche ich wenigstens nicht spülen“, bemerkte ich oberschlau. Aber das hätte ich besser nicht gesagt.
„Ach, Sie sind spülfaul? Dann können Sie heute Abend für uns alle spülen.“
„Na gut, dann kann ich ja doch etwas Warmes essen“, meinte ich und wollte witzig klingen, obwohl ich mich innerlich natürlich sehr aufregte, dass ich nun für alle spülen durfte.
„Nein, Sie wollten nichts Warmes essen, dann gibt es auch nichts.“
Na super, ich wollte nichts Warmes essen, um nicht spülen zu müssen und jetzt musste ich nicht nur mein Geschirr, sondern das für alle spülen und bekam noch nicht einmal mehr etwas. Beleidigt biss ich ins trockene Brötchen.
„Hier“, meinte der Spaßvogel, der es mitbekommen hatte zu mir. „Kannst die Hälfte von meiner Suppe abhaben. So lecker find ich die nicht.“
„Danke“, sagte ich, während er von seinem Teller etwas in meinen goss. Natürlich bekam der Unteroffizier es mit.
„Glückwunsch, der nächste, der spülen darf.“

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (16.03.14)
Es werden Erinnerungen wach, wenn auch lange her. LG
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