Das Geheimnis der hölzernen Treppe

Kurzgeschichte zum Thema Liebe und Leid

von  Didi.Costaire

Ich sehe auf die Uhr. Es ist Viertel vor Sieben.
Verdammt! Der Nachmittag ist wie im Flug vergangen. Am Computer verliere ich jedes Gefühl für Zeit und Raum.

Ich fahre den PC runter, springe aus dem Sessel und eile nach unten. Das Gebälk ächzt und stöhnt, als ich die alte Holztreppe hinunterstürme und dabei immer zwei oder drei Stufen auf einmal nehme. So zumindest hätte es der Held meines neuen Computerspiels getan. Ich selbst bräche mir alle Knochen, wenn ich es versuchen würde.

Apropos gebrochene Knochen. Sabine braucht mich. Sie kann zwar laufen, aber viel mehr nicht. Nicht mit ihren beiden eingegipsten Armen.

„Sabinchen, mein Schatz. Warum sagst du mir denn nicht, dass es schon so spät ist?“
Ich erwarte keine Antwort. Genauso gut wie sie weiß ich, dass sie die Treppe zu meinem Arbeits- und Hobbyzimmer nie mehr betreten würde. Nicht für alles Geld der Welt.
„Hast du denn gar keinen Hunger, Mausespeck?“ Ich streichle ihren Hals.
„Ja, doch“, antwortet sie zögerlich. „Es wäre lieb, wenn du uns etwas zu essen machen könntest.“
„Na klar“, antworte ich und wende mich zur Küchentür.
„Aber Jan“, ruft sie mir hinterher, „bitte nicht schon wieder Eintopf.“

Ich kann sie verstehen. Mir hängt das Zeug auch langsam zum Halse raus. Es ist halt nur die einzige Speise, die sie essen kann, ohne ihre Arme benutzen zu müssen.
„Ich mache uns Risotto und Prinzessböhnchen, meine kleine Prinzessin“, rufe ich ihr nach einem Blick in die Speisekammer zu.
„Das klingt gut“, ruft sie zurück.

Ich stelle den Wasserkocher an, um mir anschließend die Anleitung auf der Packung mit dem Kochbeutel-Reis durchzulesen. Dann öffne ich die Dose mit den Bohnen.
Ein schaler Geruch steigt in meine Nase. Was für ein elender Fraß! Der Appetit ist mir schon vor dem Essen vergangen. Sabine kann tausend Mal besser kochen als ich.

Wenn ich bloß nicht hin und wieder diese Jähzornsanfälle hätte!


Anmerkung von Didi.Costaire:

Das Thema habe ich ersatzweise gewählt. Eigentlich wäre es ein englisches Fräulein mit dem Nachnamen Handlung gewesen. Aber erstens heißt in England niemand Handlung mit Nachnamen (na, Gott sei Dank!), und zweitens wollte ich nicht schon alles am Anfang verraten.

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Kommentare zu diesem Text

janna (60)
(05.03.08)
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 Didi.Costaire meinte dazu am 05.03.08:
Immer auf die armen Schweine, die können doch gar nichts dafür. Wenn ich nur wüsste, was ein LyrI ist... lg didi
janna (60) antwortete darauf am 05.03.08:
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schneerosenkind (38) schrieb daraufhin am 05.03.08:
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Rowena (51)
(07.03.08)
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 Didi.Costaire äußerte darauf am 08.03.08:
danke, ich freue mich, dass es dir gefallen und deine fantasie angeregt hat. lg didi

 Emotionsbündel (16.03.09)
Na, das muss ja 'ne schöne Treppe sein......gepaart mit Jähzornsanfällen.....wo spielte noch mal die Geschichte?
Liebe Grüße, Judith

 Didi.Costaire ergänzte dazu am 02.02.12:
Oh, liebe Judith, jetzt stelle ich gerade fest, dass ich dich hier ganz vergessen habe. *schäm*
Die Geschichte spielte sich natürlich in einer alten Schmiede ab - so eine, in der Worte zusammengeschweißt werden. Und   das hier könnte die Treppe sein.
Liebe Grüße, Dirk

 princess (02.02.12)
Hallo Dirk,

das ist ein Text mit Hitchcock-Verfilmungs-Potenzial! Besonders fies finde ich den Schlenker von den Prinzessböhnchen hin zum Outing des letzten Satzes. Toll gemacht.

Lieber Gruß, Ira

 Didi.Costaire meinte dazu am 02.02.12:
Hallo princess,
es ist vielleicht eine Art Hitchcöckchen, analog zu den Böhnchen, und hinter der Verniedlichungsfassade spielt sich das Drama ab...
Es freut mich, dass du die Geschichte entdeckt und kommentiert hast!
Liebe Grüße, Dirk

 harzgebirgler (11.08.17)
geh’n dem jan voll durch die pferde / muß er selber steh’n am herde - / doch sabinchen hält’s scheint’s aus / und flieht nicht ins frauenhaus. beste abendgrüße von henning

 Didi.Costaire meinte dazu am 11.08.17:
Tja, Menschen reagieren mitunter seltsam.
Danke fürs Kommentieren und beste Grüße, Dirk

 Dieter_Rotmund (22.05.18)
Die Anmerkung verstehe ich nicht, sie ist vermutlich auch überflüssig, ansonsten gerne gelesen.

 Didi.Costaire meinte dazu am 22.05.18:
Hallo Dieter,
die Anmerkung ist vielleicht wirklich etwas umständlich ausgedrückt.
Danke fürs Kommentieren und Empfehlen der Geschichte.
Schöne Grüße, Dirk
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