Oma Lisbeth bittet zu Tisch

Text

von  ManMan

Am Freitagnachmittag kamen die Schmiede erneut mit ihrem Transporter. Es war aber nicht mehr viel zu tun. Nach einer halbe Stunde fuhren sie das Auto auf die Straße, und Elvira öffnete das Scheunentor und die Stalltür für Hunde und Pferde.
Freddie zauberte einen Strauß bunter Sommerblumen hinter seinem Rücken hervor und wollte ihn Elvira überreichen, doch die lehnte ab und wies auf ihre Mutter, die im Türrahmen zur Küche stand und Mona streichelte. „Es war ihre Idee,“ sagte sie und Oma Lisbeth errötete. „Sie hat auch den Apfelkuchen gebacken und den Kaffee gekocht.“
Verlegen nahm die kleine Frau, die dem großen Freddie gerade einmal bis zur Brust  reichte, den Strauß entgegen und bedankte sich. Dann holt sie eine Vase aus dem alten Küchenschrank und bat die Männer in die Küche.
Der große runde Tisch war auseinander gezogen und durch einen Mittelteil vergrößert worden, so dass die vier Erwachsenen und Johanna genug Platz fanden. Mona hatte sich neben Freddies Stuhl auf den Boden gelegt. Überhaupt schien sie ihn sehr zu mögen. Als Oma Lisbeth sie losgelassen hatte, war sie aufgeregt und Schwanz wedelnd auf Freddie zu gerannt und war nicht von seiner Seite gewichen, als wären sie alte Bekannte.
„Haben Sie auch einen Hund?“ erkundigte sich Oma Lisbeth bei Freddie, der soeben nach einem weiteren Stück Kuchen griff.
„Ja, einen Schäferhund. Er ist sehr lieb. Wenn ich nicht zu Hause bin, versorgt mein Sohn ihn.“
Es stellte sich heraus, dass Freddie einen erwachsenen Sohn hatte, der in Freiburg studierte. „Es sind gerade mal 20 Kilometer, die er bis zur Uni hat, da kann er bei mir wohnen bleiben,“ erläuterte Freddie. „Benedikt ist auch ziemlich verrückt nach Tieren.“
Freddie hatte mit seiner Frau über zwanzig Jahre eine Pension betrieben, aber das hatten seine Frau und er schon vor einiger Zeit  aufgegeben. Ihre Krebserkrankung und schließlich ihr Tod im vergangenen Jahr hatten ihre Lebensplanung zu Makulatur werden lassen. All das erfuhren Elvira, Oma Lisbeth und Johanna eher beiläufig, während die Männer aßen und es sich offensichtlich schmecken ließen.. Oma Lisbeth, die Freddie genau beobachtete, bewunderte seine weißen Zähne, die er bei jedem Lächeln zeigte. Sie war ganz offenkundig fasziniert von dem großen Mann, was Elvira mit Erstaunen registrierte, was aber auch Johanna bemerkt hatte.
„Ist Freddie dein neuer Freund?“ fragte sie anzüglich, als die beiden Männer weggefahren waren und Elvira mit dem Ausmisten des Stalls beschäftigt war.
Oma Lisbeth seufzte und sah Johanna mit heruntergezogenen Augenbrauen an. „Könnte er das sein?“ fragte sie.
Johanna schüttelte den Kopf über so eine dumme Frage: „Hast du das nicht gemerkt?“
Wieder seufzte Oma Lisbeth und meinte unbestimmt: „Ach ja! Wer weiß…?“

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