NoNo's Rettung

Text

von  ManMan

Die gestreifte Katze in der Nachbarschaft war schwanger. Das ist normalerweise nichts Besonderes und passiert häufig, wenn Katzen nicht sterilisiert sind, aber Johanna hatte gehört, die Bauern würden mit dem Nachwuchs kurzen Prozess machen. Ihre schlimmste Variante bestand darin, dass sie behauptete, der gesamte Nachwuchs würde in einen Sack gesteckt, und der würde zugebunden und in die Lahn geworfen. Sie wüsste das genau, weil Petras Opa das erzählt hätte. So hätten sie es früher immer gemacht. Und bei der erwarteten Niederkunft konnte es sich nur um Tage handeln, vielleicht sogar Stunden…
Oma Lisbeth war entsetzt, Elvira natürlich auch, aber sie war Lehrerin und kannte die überzogenen Phantasien ihrer Schüler. Sie hatte eine pragmatische Lösung.
„Geh doch in der Nachbarschaft herum und frag, wer eine junge Katze haben will“, schlug sie vor. „Wenn dann noch welche übrig bleiben, bringen wir sie ins Tierheim.“
„Warum ins Tierheim? Wir können doch auch eine nehmen. Bitte, Mama!“
Elvira holte tief Luft. Da hatte sie sich ja selbst in einen schönen Schlamassel gebracht! Zwei Pferde, drei Hunde und dann noch eine Katze?. Na ja, aber so ein kleines Kätzchen war ausgesprochen süß, das stimmte schon…
„Schauen wir mal!“ beschied sie ihre Tochter. „Warten wir erst einmal ab.“
Aber lange warten mussten sie nicht.  Schon am nächsten Tag kam Johanna am frühen Nachmittag erregt angelaufen. Im Arm hatte sie ein Kätzchen, so klein und hilfebedürftig wie eines nur sein kann.
„Wir müssen sie füttern, die Mama hat keine Milch. Der Bauer sagt, sie sei krank, aber den Tierarzt will er nicht holen, weil das Geld kostet, und weil es eine Scheunenkatze ist. Die würden selber für sich sorgen.“
„Gib mir das Tierchen,“ befahl Oma Lisbeth entschlossen. „Und du, Elvira holst jetzt  eine Schale Milch für unser kleines Kätzchen…. Ist es ein Kater oder eine Katze?“
„Der Bauer sagt, es sei ein Kater.“
Elvira hatte eine Schüssel mit Milch auf den Boden vor der Küchentür gestellt. Der kleine Kater schnupperte daran, machte aber keine Anstalten zu trinken. Stattdessen wieselte er mit seinen kleinen Beinchen auf dem Boden herum, roch an Johannas Schuhen und wollte dann angewidert das Weite suchen durch die Eingangstür, die einen Spaltbreit offen stand. „No, no, no“,  rief  Johanna, die heute Englisch-Unterricht gehabt hatte und griff sich das Tier.
„Das ist gut!“ befand Oma Lisbeth. „So werden wir ihn nennen: NoNo!“ Sie wandte sich an ihre Tochter. „Elvira, geh doch bitte zur Apotheke und hol eine Flasche Lebertran. Damit haben wir nach dem Krieg auch die Kinder groß gezogen.“
„Lebertran? Ist das dein Ernst?...  Aber gut, warum auch nicht? Versuchen können wir es ja!“ Sie griff nach ihrem Portemonnaie. „Bis gleich!“ Mit diesen Worten verschwand sie, um zehn Minuten später atemlos wiederzukommen. In der Hand hielt sie eine Flasche Lebertran.
„Der Apotheker hat ihn mir sogar geschenkt. Er sagt, wenn es funktioniert, soll ich ihm Meldung davon machen.“
„Wir wollen es mit einem Löffel versuchen,“ sagte Oma Lisbeth. Sie holte einen aus der Schrankschublade, nahm NoNo auf den Arm und hielt ihm den Lebertran vor die Nase. Ja, tatsächlich, der kleine Kater wirkte interessiert. Später schleckte er genussvoll den Löffel ab, den Oma Lisbeth ihm vorhielt
Die Freude war groß. Einige Tage ernährte sich NoNo dann von Lebertran, aber bereits am Freitag trank er seine erste Milch. Die Natur hatte seinen Eigenwillen besiegt.

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