Sorry Excuses

Text

von  GiraffeFolle

Soll ich stehen bleiben und warten, warten auf dieses eine Wort, eine geflüsterte Entschuldigung, eine demütige Bitte um Vergebung? Und wie, wie soll ich dir verzeihen, dass du mir den magischen Ton entzogen hast, das Geräusch des Einatmens, des Inhalierens deines Geruchs, den Klang deiner Hüften zwischen meinen, die Melodie des Aufstehens, wie soll ich dir das verzeihen, dass du mir das Leben genommen hast, indem du deins aus meinem entferntest? Und wie soll ich das sagen, was soll ich antworten auf die Frage, was los ist, wenn niemand spricht von dieser Art von Liebe, die erst anzieht und dann auszieht, wenn niemand versteht, dass I-C-H die Frau war, die du aufgeweckt hast nach der Einschläferungsspritze, dass I-C-H die Frau war, die aufwischen durfte, nachdem du dein Herz ausgeschüttet hattest, I-C-H, die Mutter und die Schwester und die Schülerin und Lehrerin und Zauberin, die Verrückte und die Hexe und der echte Kerl, I-C-H, das universale Wesen also, das Fabeltier, das du erstochen hast mit deiner Fantasielosigkeit? Sag mir, war das ein Fehler Gottes, einer seiner netten kleinen Irrtümer, dass er Perfektion geschaffen hat und aus Versehen Feuer machte mitten in der Eiswüste, mit diesem Kuss, diesem Funken, diesem Befreiungsschlag, war das ein Fehler, und wird er, der Allmächtige, alles machen, um es wieder gut zu machen? Wozu brauchen wir einen Vater, wenn es immer die Mutter ist, die alle Fehler ausbaden muss?
I-C-H - nein, mein Lieber, du wirst dich nicht wegdrehen und nicht zurückschlagen, du wirst der Bombadierung zusehen, du wirst einfach sitzen bleiben und zuhören. Meine Stimme wird sich in dir festbeißen wie Tränengas. Ich flamme noch lange nach und warte auf ein Wort von dir, ohne es zuzugeben. In mich graben sich Explosionen und deren Nachgeräusche, der Klang der Zerstörung, der Samen vieler Einzelexplosionen, in mich, in meine Weiblichkeit, das große Rätsel, in meine Tiefen, die nie geboren haben und nie gebären werden, in meine Sinne, totes Land, das sich sehnt nach Gesang. Ein Gesang, der Bilder malt, an denen man sich festhalten kann, wenn alles andere untergeht. Nixengesang vielleicht, Melodien schöner Frauen am Ufer des See des Alltäglichen, schöne Frauen, die nichts weniger wollen als Meer Jungfräulichkeit. Und all das nur zur Ablenkung, damit endlich das Bild aus meinem Kopf verschwindet, endlich Frieden einkehrt anstelle dieses Krieges, der dein Gesicht in mir auslöst, der ungewinnbare Krieg der Möglichkeiten, der verpassten Züge und verpassten Worte und der wahren Emotionen, tief, ehrlich, bedingungslos, wie zwischen Zwillingen, abwesenden Vätern und trotzdem-liebenden Töchtern, fast zum Anfassen echt, dieses Gefühl, wie deine Hand in meiner, so standhaft, so eine feste und greifbare Kriegserklärung. Der Krieg, der sich nur in Belagerungen und Waffenstillständen austragen lässt, und weil I-C-H die Flammenwerferin bin, die Feuer spucken will und nur kalten Rauch ausstößt, I-C-H, die Waffe ohne Abzug, zu bedienen nur nach Gefühl, Situations-abhängig, weil I-C-H weitermarschiere über Leichen und Schlachtfelder, um bei dir zu sein, meinem geliebten Feind, muss ich kämpfen, kann ich nicht aufhören, nicht kapitulieren, nicht gnadenstoßen. Nichts zähmt diesen Kampfgeist, diese Blutlust, aber noch weniger zähmt diesen Wunsch nach deiner Nähe.
Und wieder frage ich: Wie, wie soll ich die verzeihen, wenn du alles getötet hast in diesem Krieg, meine Unabhängigkeit, meine Zärtlichkeit, mein Gleichgewicht. Wie soll ich dir verzeihen, dass du mit deinen Landminen meine Erde zum Beben brachtest, danach aber zerstört und verstört und zerrütet zurückgelassen hast. Wie soll eine Entschuldigung jetzt wieder die kaputten Häuser aufbauen, ein Wort, das keine Macht hat, solange es nicht kommt und dessen reine Abwesenheit doch schon viel mehr Macht aufbaut?
Vergiss nicht, vergiss nie, wie ich geschrieen habe und was alles in meinem Atem lag, meine Sehnsucht, meine Leidenschaft, mein Blick hoch zu dir, ein Kostrastmittel für den Sternenhimmel dahinter, ein Lächeln von dir hätte mich dort hin gehoben, vergiss nicht, dass ich dir die Ewigkeit versprechen wollte obwohl ich nicht einmal gut genug war, den Moment zu ergreifen, was für ein Mut dazu gehört hat, was für eine Selbstsicherheit. Vergiss nicht, wie du mir gesagt hast, das Leben spiele aber jetzt - war das ein Alibi, um zu verschwinden, ein Freikaufen, um nicht bleiben zu müssen? Vergiss nicht, wie gut, wie echt es sich angefühlt hat, deine Haut auf meiner, deine Hand in mir, Bilder, an die ich dich erinnere, weil du nicht an sie erinnert werden willst, Erinnerungen, meine einzige wirksame Waffe: ein Moment der Stille, der nicht hätte vergehen dürfen, der Augenblick der Klarheit: dein Augen-Blick in meinem, die Entdeckung gemeinsamer Lust, und wieder meine Frage: Wie konntest du das wegnehmen und wie soll ich dir das je verzeihen? Ist nicht alleine das ein Grund, den Krieg weiterzuführen? Der Ärger über Gottes Fehler, über unsere Fehler, über das Leben an sich, tausend Jahre Krieg, zehntausende Panzerfüllungen. Tausend sinnlose Kugeln, Wortgeschosse, die dich vielleicht gar nicht erreichen, die dein Herz vielleicht durchbohren und lahmlegen, die vielleicht in der Mauer landen, die du um dich gebaut hast, deinen hübschen emotionalen Vorgarten, wo sie hässliche Löcher hinterlassen, in die Kinder später unwissend ihre Finger stecken werden. Deine Finger in meinen Löchern, ein Gedanke, der mich wahnsinnig macht und den ich niederschießen muss, bevor er zum Erstschlag ausholt.Komm nicht auf mich zu - I-C-H bin zu misstrauisch, I-C-H brauche kein rotes Kreuz, keine Appeasement-Politik, I-C-H, die Kriegerin, die Kreuzzügige, die Meisterin im Nahkampf, will dir nicht wehtun, will dir doch wehtun, will endlich das Bild vernichten, nicht mehr an dich denken müssen. Nochmal: Wie, wie, wie zum Teufel soll ich dir verzeihen, dass du diesen Abdruck in mir hinterlassen hast und mir nicht einmal billigen Sand anbietest, um ihn dürftig aufzufüllen, die Erinnerungsleichen zu begraben, die in diesem Schützengraben versiechen und Gestank verbreiten, schlimmer noch als die ausgebrannten Dörfer meiner Gedanken und Ideen, die Massengräber meiner Hoffnungen und Wünsche, viel schlimmer, vielleicht am schlimmsten: der Anblick ihrer zerstümmelten Einzelteile, der Blick auf meine verrotenden Erinnerungen.
Und meine Liebesfähigkeit ist eingeschrumpft zu einem Winterschlaf haltenden Stück Fleisch, einem nichts sagenden, nichts fragenden, nicht reagierendem Etwas, zu müde und zu schwach, um als "wirklich da" anerkannt zu werden, es kann kaum annehmen, nichts geben, passiv benutzt werden vielleicht, nur keine weiteren Opfer fordern lautet sein Lebensmotto, falls man sein kümmerliches Dasein als Leben bezeichnen kann, und du tauchst auf, als absurdes Bild in meiner Fantasie, tauchst auf durch deine Abwesenheit und wirfst mir deine Entschuldigung hin, ein einzelnes Stück Brot für eine verhungernde Bevölkerung, du sabberst deine sorry excuse von deinem hohen Ross undI-C-H, ja I-C-H, kann nichts machen, muss dich enttäuschen, lade nach, behandle das mit Kanonenkugellogik: Morden um des Mordens Willen, jenseits vom unerreichbaren, nie mehr erreichbaren, verfehlten Ziel.

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