[Zugegen. Eine Aufzeichnung.]

Gedanke

von  Elén

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Seltsam, ich fühle mich fremd, ungehörig, kann die Gründe dafür nicht ausmachen, kann trotz meiner mentalen Festigkeit, die zumeist sehr beachtliche ist und für ein Leben durchaus brauchbar, kann mich nicht Kraft meines Willens aus dem Loch reißen, aus dieser bodenlosen Grube, die ein Unten und Oben verloren hat, kann mich nicht katapultieren. Fühle mich wie eine große apokalyptische Depression, passioniert zum Verfall, ein Untergang ohne Tonspur und, weiß keinen Rat zwischen mir und der Welt, weiß nur, dass der Zeitpunkt berechenbar ist, dass die Zeit mit mir Rechnung macht und dass hinter jeder Eigenschaft dieser Welt eine mathematische Formel steht, die nicht betrogen werden kann, die hinter einer Scheinbarkeit immer wieder ein Absolutes hat. So oder so. Das Vakuum kommt, wohnt mich. - Kann nur versuchen mich hinzuretten, mich in letzter Reserve zu überdauern, einen letzten Halbton meines Wesens leise und heimlich fortzustehlen, ihn auszulagern. Werde auch dieses Mal mit aufgerissenen, harten Augen durch mein Dunkel gehen, mit fester Stirn, mit geballten Fäusten und gram meiner wesentlichen Entfremdung, meiner Verschüttung bei scharfem, bei klarem Verstand, bei wachem Geist zugegen sein. –

Momone. - Liebe Momone, schreibe ich, während alle Christbäume dieser Welt kalt werden und während alle Christbäume dürr sich abnadeln, ehe das Jahr zu ende geht, während alle Christbäume mit jedem Tag schwerer werden, während ein letztes Weihnachten verklingt hinter dem Fenster und ein Licht ausgeht, liebe Momone. Während kein Mensch mehr Kekse essen wird, keinen Stullen, während noch einmal Winter das Land über den Bergen und Wäldern zuziehen wird, kalt, schneidig, während ein Mond mit Frost und Schattenspielen vom Hang rutscht und während ein klappriger Zustand am Fenster sitze und zu dir denkt, Momone. Indes ich also nachdenke, zu welchem Zeitpunkt die Welt denn angefangen hat Farbe zu lassen. Zu welcher Zeit in mir der Ort für mich umbenannt wurde, ohne dass ich mich für mich erhoben hätte. Zu welchem Zeitpunkt ich mich übersehen habe und auslief, unbemerkt, scheinbar heimlich und nach und nach grau wurde. Ich bin grau geworden und du hast keinen Christbaum, kein Lametta und keine Kugeln in deinem Haus. Du hast Sommersprossen, trägst kastanienbraunes Haar. Du hast Hände, die Klavier spielen und du hast etwas worum ich dich beneide. Du bist ein kontinuierlicher Mensch, bunt, hell und du kannst auf diese Kontinuität vertrauen, du kennst dich aus mit dir und deiner Welt, die dich betrifft, die dich berührt und mit dir Kontakt schließt. Du bist traurig wenn du weinst, du bist fröhlich wenn du lachst, bist zornig, wenn dein Gesicht Falten wirft und du bist stets stimmig an deinen wesentlichen Orten, bist Ausdruck dessen, was dich und deine Welt ausmacht. Nichts kann dich von der Welt abschneiden, Momone, nichts kann dich in so tiefe Unordnung bringen, dass du dich in dir auf eine Weise entrücken könntest, als dass du dir selbst Angst werden müsstest. –

Momone, wieder befinde ich mich dieser Tage im Zustand der Trennung. Ich habe mein Dunkelwerden mitverfolgt, habe mich im Abstieg verfolgt und gelinge mir nicht, gehöre mir nicht, gelinge mir nicht, mich aufzuhalten. Habe gesehen, wie der Mond vom Hang rutscht, die Welt in Schräglage gerät, die Fuge in meinen Augen aufgeht und wie mein Gesicht, das doch ein fröhliches Gesicht ist, dass dieses Gesicht sich versteinert und wieder diese grauenhafte Kontur des Klagens annimmt, tränenlos, tonlos. Dass den Leib die Schwere befällt und dass die Zeiger der Uhr lauter werden und langsamer. Das ist das unbedingte Zeichen, Momone, werden erst die Uhrzeiger länger und lauter, bin ich zu weit. Ich bin mir so weit fortgeschritten, dass die eine Welt angefangen hat, wo die andere aufhört, dass die Fuge hinter mit zugeht und dass ich längst aufgehört habe zu schauen, dass ich angefangen habe zu starren und aufgehört habe zu zirkulieren. Alles in mir geht zu Boden. Ich gehe im Gesamten zu Grunde und kann mich nicht aufhalten. Die Welt ist kontinuierlich in ihrer Bahn und doch steigt sie empor, entgleitet. Selbst der Wahnsinn ist mir zu mühsam geworden. 

So kann der Mensch, dem die Welt schwer wird und Last, kann sie ertragen, Momone, doch, wie soll der Mensch, der zusammenfällt, der in sich stürzt und durchfällt in rasender Geschwindigkeit, der außer sich und doch sein Wesen, wie soll er sich aufhalten -   

Wer verloren geht
ohne verrückt zu werden
und wer
ausweglos und leise
nachdenkt
über den Tod.



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Kommentare zu diesem Text

neinneigung (33)
(01.02.09)
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