Das Wesentliche (vielleicht aber auch unwichtig.)

Erzählung

von  Unbegabt

Ich sah es wenn er log, er war ein guter Lügner. Nicht, dass er mich anlog, aber ich sah es, wenn er seine Mutter anlog, oder seine Bekannten. Er nannte sie so, aus Sturheit. Nur ich war seine Freundin. Alle anderen waren Bekannte. Seine Mundwinkel zuckten ganz leicht wenn er log, und seine Augenbrauen auch, nicht sehr, aber ich konnte es sehen. Ich glaube wirklich, dass er mich nie angelogen hat.
Komisch oder? Man sagt doch, dass in jeder Beziehung gestritten und gelogen wird, aber so war es nicht. Wir haben eigentlich nie gestritten und wenn wir nicht einer Meinung waren, dann haben wir uns mit Kaffee an einen Tisch gesetzt. Haben in die schwarze Brühe geschaut und in kleinen Schlucken getrunken, bis noch etwa ein Viertel übrig blieb. Wir klammerten uns an die bauchigen Tassen, deren Inhalt unter unseren Hände kalt wurde und schwiegen. Mal lange, mal nicht so lange. Meistens haben wir zur gleichen Zeit angefangen zu sprechen. Wir haben gelacht und alles war egal. Mit den Kaffeetassen haben wir angestoßen, den kalten Rest würgend hinuntergeschluckt und uns versprochen, nicht so bald wieder zu streiten, allein wegen dem Geschmack von kaltem Kaffee.
Ich wusste was er dachte.
Das ist mir in einem unserer gemeinsamen Sommer aufgefallen. Wir lagen nebeneinander an irgendeinem Strand in Spanien, unsere Eltern waren in der Altstadt und wir am Strand. Der Himmel war so blau, der Sand sehr heiß, das Meer ruhig.
Dieses Bild könnte ich immer in meinem Kopf heraufbeschwören, egal wie alt ich werde. Unsere Oberarme berührten sich leicht und ich dachte mir: bestimmt denkt er gerade daran, dass der Himmel so unnatürlich blau aussieht und ihm schwindelig wird, wenn er länger hinschaut. Genau das dachte ich. Und einen Moment später fragte er: „Findest du nicht auch, dass der Himmel hier unnatürlich aussieht? Mir wird ganz schwindelig.“
Ich sagte nur: „Ich weiß was du denkst, auch ohne, dass du es aussprichst.“
Er nickte. „Ich bei dir auch.“
Das hat nichts mit übernatürlichen Kräften zu tun, oder so. Wir kannten uns einfach. Wir waren nicht gleich, überhaupt nicht, aber wir waren jeder ein Teil von dem anderen. Ich kannte ihn genauso gut wie mich selbst. Ich wusste das die Drehung seiner rechten Hand nach außen und schnell wieder nach innen, Ungeduld ausdrückte. Wir sprachen manchmal Tage lang nicht. Wozu auch?
Beispielsweise sah ich seinen Blick, an einem Abend im Restaurant, zum Salzstreuer schweifen, ich reichte ihn ihm, bevor er danach greifen konnte. Seine Mundwinkel bogen sich nach oben.
Ich muss hier nochmal betonen, dass es kein wirkliches Gedankenlesen war.
Es ist einfach Aufmerksamkeit. Bestimmte Blicke, Gesten, Regungen deuten, wenn man jemanden wirklich kennt und sich ein bisschen bemüht ist es sicher kein Problem.
Vielleicht ist es aber auch das einzig wahre Gedankenlesen...

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Kommentare zu diesem Text


 kobra (31.12.08)
nochmal hallo unbegabt,
ich hab den hier text schon dierekt nach dem ersten gelesen, weil ich schon neugirig war, ob der genauso gut ist. ich find ihn total toll und zum teil auch phylosophisch, auch wenn ich sehr unwissend bin, und man auf meine kommentare nicht so viel geben kann. ich les deine texte jedenfalls total gern. du schreibst, als wär es für dich das leichteste, mal grad ein thema zu finden, nich zu als würdest du verbissen nach einem suchen. die stimmung zwischen euch beiden im text ist find ich total schön, vorallem "Wir kannten uns einfach" oder "Das ist einfach Aufmerksamkeit" find ich ausschlaggebend.
toller Text
^^ kobra
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