I
die sonne geht auf - ich habe ein fenster gen osten, das die strahlen einfängt.
ich habe ein fenster gen westen, das die strahlen ziehen lässt
und dazwischen stehe ich und atme licht.
ich durchsuche die küche und finde nichts und freue mich darüber und breche gleichzeitig in verzweiflung aus und die welt da draußen ist zu weit entfernt. ist viel zu weit -
am nachmittag gieße ich die blumen
und ich gieße auch wasser über meinen kopf
und hoffe wurzeln zu schlagen -
denn ich dachte schon als kind:
ein baum müsste man sein,
man könnte seinen platz schützen wie eine mutter ihr kind
und im frühling würden einfach blätter kommen,
einfach so.
und irgendwann würde man einfach nicht mehr blühen müssen.
mein haar tropft.
hat es da geklopft?
in der dämmerung stürze ich zur tür:
nein. nein nein.
abends höre ich beethoven.
darunter frühling.
darunter geburt,
darunter ursprung,
darunter gott,
darunter zieht sich mein magen zusammen.
II
ich träume von wasser, von strömenden, rauschenden wasser, das meinen körper aufreibt und ich spüre fast schmerzlich, wie es auf meinen kopf drückt und an meinen armen scheuert. ich bewege mich nicht. ich halte den kopf hoch, ich halte stand. das wasser zieht wunden in meinen körper und spült blut um mich. ich stehe in blassrot.
III
morgens wache ich auf und merke, dass ich geweint habe.
ich habe geweint und neben mich gegriffen und in ein kaltes, leeres laken gefasst.
ich habe wieder haare verloren, diese nacht.
im spiegel sehe ich eine gestalt, die immer fremder wird. nur die augen. immer die augen.
und die haare sind dünn geworden, die hüften schmal und da ragen knochen hervor und ich sehe langsam, wie sich meine knochen in mir formen - oder wie meine knochen mich formen. ich taste ein wenig darüber. ein wenig über meine schmalen lippen und ziehe dann kleider an, die an mir herab hängen und ich hänge dazwischen wie ein geist.
ich habe schon oft vom tod geträumt. und was danach kam war: ich liege und denke. und dann plötzlich eine vielzahl aus kästchen, schwarzweiß, und überall ich in möglichkeiten. und ich denke: wohin, wohin bloß?
und dann denke ich: das ist hölle und das ist paradies. ist das traum oder albtraum?
licht müsste man sein -
es steckt der himmel hinter allem. und der himmel ist weit und eng zu gleich, wenn man von hier aus sieht.
IV
morgens kann ich tropfen sehen, die am fenster eingetrocknet sind. gräuliche ränder, die irgendwie in der luft zu schweben scheinen. viel mehr, scheint mir, ist von meinem leben nicht geblieben, als die gegenwart. und weil ich die gegenwart nicht fassen kann, ist auch sie mir nicht geblieben. es ist so wie der tropfen, der da klebt und nicht mehr fällt und eigentlich kein tropfen mehr ist. irgendeine verkalkung. irgendeine spur, während der tropfen längst verwandelt ist. vielleicht ist das so mit körper und seele. eine hinfällige umklammerung zweier dinge, die sich auf keiner ebene treffen können.
und für diesen abend habe ich mir eine letzte flasche wein aufbewahrt? ich nahm an, dass ein solcher abend einen hauch von schicksal trägt. irgendetwas inniges, etwas einsames und starkes, sowie ein wald, wenn es dunkel ist. oder der sprung von einem hohen sprungbrett ins schwimmbecken hinein. und ich wusste zwar, dass ich nicht viel werde vertragen können, aber ich ahnte nicht, dass ich am ersten glas nippe und so schreckliche bauchschmerzen erleide, dass ich den rest des glases und der flasche auf meine zimmerpflanzen aufteile.
es gibt wohl eigentlich gar nichts mehr zu sagen. ich habe nichts zu beichten, weil es keine sünde gibt und die einzige bestrafung, die ich benötige, gebe ich mir selbst und das nur, weil ich mir selbst nicht verzeihe.
man sollte sich selbst beichte ablegen. aber womit beginnen?
wenn ich an manche dinge denke, die ich getan habe, strömt ein eisiger schauer in mein herz und rüttelt daran, wie an einer verschlossenen türklinke, zu der es keinen schlüssel mehr gibt.
das ist gut, weil der innerste kern unantastbar ist. aber was darum ist, ist ein sturm, ist ein gewitter, das wütet, und das kind hinter der tür fürchtet sich und ist damit allein.
ich bin durch das haus gelaufen und habe die fenster geöffnet. ich habe den wind gespürt und das leben darin und ich weiß jetzt: ich habe keine kraft mehr zu beichten.
und eine aufzeichnung, die poetisch begann, wird kummervoll enden. mein tod hat nichts heroisches. ich bin keine kriegerin, auch wenn ich gern mehr gekämpt hätte. in einem dunklen wald habe ich angst. ich gehe nicht ins schwimmbad. ich bin das kind in der herzkammer.
V
diese nacht war lang.
und wenn ich lausche, dann glaube ich mich selbst schon leiser zu hören und in meiner blässe sehe ich im spiegel schon fast ein geistwesen. ich weiß nicht, ob es möglich ist, aber ich spüre schon ein loslösen, ein streben nach oben hin. ich muss andauernd zur decke gucken, weil mein kopf sich reflexartig in diese richtung dreht.
ich werde das licht sein, das durch das eine fenster strömt und durch das andere hinaus. und ich werde mich wahllos von dingen abfangen lassen und wärme abgeben. das wird meine art von verzeihen sein.
eigentlich kann ich den stift schon nicht mehr richtig halten.
ich bin sehr durstig.
und jetzt kommt die dämmerung und draußen peitscht sturm und gewitter.
klopft es dort an der tür?
ich stehe nicht mehr auf, meine knochen schmerzen zu sehr. ich bin ein baum geworden.
mir wird bewusst, dass ich mit keinem wort einen anderen menschen als ich mich erwähnt habe und kein einziges ehrliches wort aus mir.
ich bedaure, dass ich nicht mehr zu sagen hatte.
ich schlafe jetzt ein.