Es muss dann schon sowas sensationelles wie Sex sein

Essay zum Thema Assoziation

von  Dieter_Rotmund

Auf einer Internetseite gelesen, von einem Projekt, bei dem man Texte zum Thema „Der Morgen danach“ einreichen kann. Zu gewinnen gibt es nichts, aber alle geschriebenen Sachen sind auf der Internetseite zu lesen. Es sind nur drei Texte eingestellt, das Projekt ist auch noch so nicht alt. Ich schaue kurz in die drei Texte rein. Alle Schreiber fassen das Thema so auf, dass ihre Protagonisten in der Nacht sturzbetrunken Sex hatten und am nächsten Morgen neben ihren Sexpartner aufwachen und sich an nichts mehr erinnern können.
Ich frage mich, was das eigentlich ist, „Der Morgen danach“. Jeder Morgen ist ein Morgen danach, wenn man nicht gerade den ganzen Vortag bewußtlos war. Dann müßte es „Der Übermorgen danach“ heißen. Das sagt aber keiner. Wahrscheinlich deswegen, weil nur sehr wenige Menschen einen ganzen Tag bewußtlos sind und den folgenden Morgen  bezeichnen wollen. Wenn man morgens aufwacht und aufsteht, dann ist es immer ein Morgen danach, denn am Vortag ist immer etwas passiert und sei es auch noch so belanglos: Man war scheißen, hat gegessen und getrunken. Mindestens, anzunehmen. Manchmal ist es auch nicht ganz belanglos, vielleicht hatte man ein Vorstellungsgespräch oder ein Wasserrohrbruch oder Halluzinationen. Aber den Morgen danach als etwas Besonderes darstellen, das fällt auch nach weniger belanglosen Sachen nur wenig Leuten ein. Sie haben wahrscheinlich Angst, man könnte ihr Leben für langweilig halten. Da muss schon so etwas sensationelles kommen wie sturzbetrunken Sex mit einer oder einem Unbekannten haben und sich nicht mehr daran erinnern können. Hoffentlich kann sich wenigsten einer daran erinnern. Sonst geht man womöglich fälschlicherweise davon aus, dass man keinen Sex hatte und Wochen später merkt man, dass man sich was eingefangen hat, Herpes, AIDS, Tripper oder eine Schwangerschaft.
Das Problem mit „Der Morgen danach“ ist das Ungenannte. „Der Morgen danach“ sagt nichts darüber aus, was das „davor“ war. Das „davor“ nicht zu nennen überhöht das Unbekannte, anders gesagt, wenn man „Der Morgen danach“ sagt, MUSS davor etwas ungewöhnliches passiert sein. Sturzbetrunken Sex mit einer Unbekannten, an den man sich nicht mehr erinnen kann, ist zweifelsohne ungewöhnlich. Es geschieht wahrscheinlich nur äußerst selten. Ich jedenfalls kenne keinen, der davon erzählt hätte und dem man es auch glauben konnte. Es kommt oft in Film und Fernsehen vor, aber in wirklichen Leben? Tatsache ist, dass man besoffen Schwierigkeiten hat, einen hochzubekommen. Wenn man so besoffen war, dass man sich am „Morgen danach“ nicht mehr erinnert, dann war man sehr besoffen und hatte sehr große Schwierigkeiten, einen hochzubekommen.
In einer der drei Kurzgeschichten zum Thema „Der Morgen danach“ haben es zwei Mädchen miteinander getrieben. Sagt jedenfalls die, die sich erinnern kann. Nunja, Frauen haben völlig besoffen vielleicht keine Probleme, sich sexuell in Fahrt zu bringen. Es ist ihnen zu wünschen.


Anmerkung von Dieter_Rotmund:

"Es muss dann schon sowas sensationelles wie Sex sein" habe ich für das Projekt "Der Morgen danach" geschrieben, ich hoffe aber, der kurze Essay kann auch für sich alleine stehen.

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Kommentare zu diesem Text

yodafan (47)
(16.07.09)
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 20.07.09:
Vielen Dank an Feuervogel und Yodafan für die Empfehlungen!
Kitten (36)
(21.07.09)
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Herbstfrau (65) antwortete darauf am 17.08.09:
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temperance (28)
(24.08.10)
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