Tränenzeit
Text zum Thema Andere Welten
von Martina
Clarice schaute verschlafen auf die Uhr. Es war wieder mal eine Stunde früher, bevor der Wecker sie zum Aufstehen ermahnte und erbarmungslos in den Alltag schubste. Seit 4 Tagen ging das schon so. Sie wachte vor dem Klingeln auf, und eine Invasion Schmetterlinge trampelten durch ihren Bauch wie eine Horde wildgewordener Elefanten. Früher, vor diesen Tagen, war alles wie immer: Aufstehen, dem Mann das Frühstück machen, die Kinder zur Schule bringen, kochen, sauber machen, Wunden und Wünsche versorgen. Da blieb kaum Zeit für sie selbst. Abends fiel sie todmüde ins Bett und schlief traumlos bis zum nächsten Morgen. Geblieben sind ihr nur die Tagträume und die notgedrungenen Ausflüchte in eine andere Welt. Sie erinnerte sich noch an den Tag, als sie sich das erste mal vor der Wirklichkeit aus dem Staub machte. Es war der Tag, als ihr Stiefvater sie missbrauchte. Da war sie gerade 12 Jahre alt. Vor Ekel, Scham und panischer Angst hörte sie auf zu atmen, und plötzlich war ihr, als bliebe ihr Körper zurück und sie trat ein in eine andere Welt. Hier fand sie sich in starken Armen wieder, die sie einfach nur hielten, wo sie schluchzen und weinen konnte, ihren ganzen Schmerz hinausschreien, bis nur noch ein leises Wimmern über ihre Lippen kam. Dann erst konnte sie diese wunderschöne, warme Stimme vernehmen, die "Tears in Heaven" von Eric Clapton summte. Die Arme hielten sie noch fester umschlungen und schaukelten sie sanft und beruhigend zur Melodie. Sie wusste nicht, wie lange es dauerte. Clarice hatte in solchen Situationen das Gefühl für Raum und Zeit verloren. Es war so, als erwachte sie aus einem Schlaf und befand sich von einer Minute auf die andere in der Wirklichkeit wieder. Nur der Stiefvater war fort und sie wieder allein.
Schnell verdrängte sie die Gedanken an diese Erlebnisse, sie erinnerte sich nicht gern daran. Nach dieser schrecklichen Zeit lernte sie ihren jetzigen Mann kennen und heiratete ihn. Es war keine Liebeshochzeit. Sie wollte einfach nur in Ruhe und Sicherheit leben. Ihren Ehepflichten im Bett ging sie nach, aber es gab ihr nicht viel. In den letzten Jahren schloss sie dabei ebenfalls einfach die Augen und flüchtete wieder in ihre Scheinwelt. Dort hielten sie wieder diese starken Armen, schaukelten sie sanft und summten ihr "Tears in Heaven" (Tränen im Himmel) vor. Alles in allem kam sie gut klar, denn sie hatte ihren Weg gefunden, Unangenehmes auszuschalten. Sie hatte auch noch nie mit jemandem davon gesprochen, dieses Geheimnis würde sie mit ins Grab nehmen.
Einmal in der Woche saß Clarice am PC. Dort ging sie ihrer Ahnenforschung nach und hatte schon viel erreicht. Dort im Chatroom lernte sie dann auch Michael kennen. Sie hatten viel gemeinsam, und irgendwann telefonierten sie auch zusammen. Sie genoss diese Augenblicke sehr. Er hatte daheim eine kranke Frau, die er schon seit Jahren pflegte. Er fühlte sich für sie verantwortlich, und so kam eine Scheidung für ihn nie in Frage. Clarice konnte das verstehen, denn auch sie würde ihre Familie nie im Stich lassen. Darin war sie ziemlich altmodisch. Sie stand zu ihrem Jawort. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass Michael ihrem Herzen immer näher kam, dass sie der Zeit, in der sie mit ihm reden und schreiben konnte, schon entgegenfieberte.
Clarice hatte schon mehre Männer kennengelernt, denn sie war hübsch und hatte eine gute Figur. Eingelassen hatte sie sich aber mit keinem, denn niemand besaß genug Tiefe und Charakterstärke. Die meisten waren oberflächlich und nur auf das Eine aus. Das kam für sie nicht in Frage. Bei Michael war es anders. Sie konnten am PC sitzen und sich wenigstens gedanklich treffen. Dann schrieb sie: "Micha, schließ die Augen, ich möchte dir jetzt nah sein....". Er antwortete:"Ok Engel, dann jetzt....". Sie lehnte sich zurück und sah sein liebes Gesicht vor sich. Ihre Gedanken begaben sich auf eine intime telepathische Reise. Sie stellte sich vor, wie er auf dem Bett lag. Sie setzte sich rittlings über ihm auf den Bauch, hielt seine Hände hinter seinem Kopf fest und schaute ihm tief in die Augen. Ihr ganzer Körper stand unter Strom und sie konnte nicht anders, als ihre Lippen auf seine zu drücken und fest an ihnen zu saugen oder mit ihrer Zunge den Konturen nachzustreicheln. Lange verharrte sie in diesem Spiel und ihrer beider Atem wurde zu einem. Sie wanderte weiter zu seinem Hals und verbarg dort ihr Gesicht. Tief sog sie sein herbes Aftershave ein und vergaß alles um sie herum...
Plötzlich vernahm sie einen Ton. Michael hatte ihr wieder eine Mail geschickt. "Lass uns aufhören, Engel, das geht so unendlich nah. Es macht mich wahnsinnig, ich halte das nicht aus". Sie fragte ihn nach dem Grund und danach, was er denn genau gespürt hätte. Er meinte, einen Druck auf seinem Bauch und Hitze am Hals zu gespürt zu haben, dazu eine unglaubliche Lust. Clarice schaute ungläubig. Konnte es tatsächlich möglich sein, dass ihre Energien bis zu ihm gereicht hatten? Es stimmte peinlich genau mit ihren Gedanken überein. Bei der Vorstellung, Michael könnte alles mitbekommen haben, was sie mit ihm angestellt hatte, wurde sie rot, und Hitzewellen überfluteten sie. Trotzdem probierten sie solche Reisen öfter. Es war wie eine heimliche Sucht. Die Sehnsucht wurde mit jedem Mal stärker, und ihre Fantasien drehten mit ihr durch und ließen sie Dinge tun, die sie niemals von sich gedacht hätte. Sie hielt sich immer für unterkühlt und dachte, sie sei gar nicht fähig Leidenschaft zu geben und zu entfachen. Aber nun schien sie genau aus diesem Stoff zu bestehen. Es machte sie schwindelig. Tage und Nächte waren lustdurchtränkt.
Dann kam jener Donnerstag. Sie schrieb Michael, dass sie abends mit ihrem Mann auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung müsse. Die fand sogar in seiner Nähe statt und sie vereinbarten, sich gedanklich nahe zu sein. Ganz intensiv. Die geringe Entfernung gab der Sache einen ganz besonderen Kick. Etwas aufgeregt kleidete sie sich in ein enges, schwarzes Kleid und steckte ihr dunkles Haar hoch. Dies betonte ihren schlanken, langen Hals. Sie wußte, dass dies ihrem Mann am besten gefiel, so tat sie ihm gern den Gefallen. Die Party fand in einer öffentlichen Parkanlage statt. Clarice mochte diese Menschenmengen nicht und fühlte sich unbehaglich. Sie war Einzelgängerin. Ihr Mann hatte sich mit ein paar Geschäftskollegen im Gespräch vertieft, so ging sie allein zur Bar und bestellte sich einen Cocktail. Ihr Blick ging in die Runde. Ob Michael jetzt gerade wohl an sie dachte? Sie bekam eine Gänsehaut und fasste das als Zustimmung auf. Clarice stellte sich etwas abseits an eine alte Kastanie, schloss kurz die Augen und träumte sich zu ihm. Ihr war es, als könnte sie seine Lippen überall fühlen. Ein Windhauch ließ sie die Augen öffnen und ihr Blick fiel direkt in ein Paar grüne Augen. Michael!!! Obwohl sie ihn nur von Fotos kannte, bestand für sie kein Zweifel. Ihr Herz schlug so wild, dass sie meinte, jeder Schlag müsste sich unter ihrem eng anliegenden Kleid abzeichnen. Sie verzehrte sich nach seiner Haut, seinen Lippen. Sie brachte kein Wort heraus, aber ihre Augen sprachen Bände. Sprachlos ineinander versunken, ein Strudel der Emotionen, der ihnen jeglichen Boden unter den Füßen wegriss um sie beide zu verschlingen. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe... Was würde sie dafür geben, ihn nur einmal zu berühren? Stumm standen sich einfach nur gegenüber und jeder tastete den anderen mit Blicken ab, als bestünden sie aus einem Gewirr von Händen. Fast wie im stillen Einvernehmen ging Micha Richtung angrenzendem See. Dort stand eine kleine mit Efeu und wilden Rosen umrankte Gartenlaube. Clarice folgte ihm wie in Trance. Es schien, als hätte sie weder Willen noch Verstand. Niemand von den Gästen beachtete die beiden. Es war, als habe irgend jemand dafür gesorgt, dass jeder Anwesende abgelenkt sei um eine Störung der beiden zu verhindern.
In der Laube schien die Luft zu knistern, oder waren es ihre Seelen, die sich einander entblößten? Zärtlich legte Micha ihr den Arm um die Taille und zog sie an seine Brust. Ihre Münder fanden sich zu einem langen, innigen Kuss. Clarice hatte noch nie im Leben solch eine Begierde nach einem Körper verspürt. Ein Schmerz kroch durch ihre Lenden, eine nie gekannte Lust überwältigte sie. Es war nicht zu beschreiben und nicht von dieser Welt. Soviel an Gefühl war unerträglich. Ihre Lippen schienen sich nicht voneinander lösen zu können. Ihm schien es ebenso zu gehen. Es war, als wären ihre Körper durch hundert Leben gereist um endlich miteinander zu verschmelzen, Eins zu sein. In vollen Zügen gaben sie sich einander hin. Es gab keine Zweifel, keine Moral, alles schien wie vom Himmel unterzeichnet und richtig zu sein. Clarice wollte diesmal nicht aus der Wirklichkeit flüchten. In diesem Fall wollte sie dabei sein mit allen Sinnen - und von allen Sinnen. Im Hier und Jetzt. Nicht einmal als beide zugleich zum Höhepunkt kamen, schloss sie die Augen. Sie wollte nicht Gefahr laufen, es für einen Traum zu halten.
Noch völlig außer Atem hielt Michael Clarice an seine Brust gedrückt und wog sie sanft in seinen Armen, wie ein verletzliches Kind. Er hielt sie, als wollte er sie nie wieder gehen lassen. Schlagartig kam genau dies Clarice bekannt vor und genau in dem Moment, als sie es als Schwachsinn abtun wollte, summte er gedankenverloren die Melodie von "Tears in Heaven".
Schnell verdrängte sie die Gedanken an diese Erlebnisse, sie erinnerte sich nicht gern daran. Nach dieser schrecklichen Zeit lernte sie ihren jetzigen Mann kennen und heiratete ihn. Es war keine Liebeshochzeit. Sie wollte einfach nur in Ruhe und Sicherheit leben. Ihren Ehepflichten im Bett ging sie nach, aber es gab ihr nicht viel. In den letzten Jahren schloss sie dabei ebenfalls einfach die Augen und flüchtete wieder in ihre Scheinwelt. Dort hielten sie wieder diese starken Armen, schaukelten sie sanft und summten ihr "Tears in Heaven" (Tränen im Himmel) vor. Alles in allem kam sie gut klar, denn sie hatte ihren Weg gefunden, Unangenehmes auszuschalten. Sie hatte auch noch nie mit jemandem davon gesprochen, dieses Geheimnis würde sie mit ins Grab nehmen.
Einmal in der Woche saß Clarice am PC. Dort ging sie ihrer Ahnenforschung nach und hatte schon viel erreicht. Dort im Chatroom lernte sie dann auch Michael kennen. Sie hatten viel gemeinsam, und irgendwann telefonierten sie auch zusammen. Sie genoss diese Augenblicke sehr. Er hatte daheim eine kranke Frau, die er schon seit Jahren pflegte. Er fühlte sich für sie verantwortlich, und so kam eine Scheidung für ihn nie in Frage. Clarice konnte das verstehen, denn auch sie würde ihre Familie nie im Stich lassen. Darin war sie ziemlich altmodisch. Sie stand zu ihrem Jawort. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass Michael ihrem Herzen immer näher kam, dass sie der Zeit, in der sie mit ihm reden und schreiben konnte, schon entgegenfieberte.
Clarice hatte schon mehre Männer kennengelernt, denn sie war hübsch und hatte eine gute Figur. Eingelassen hatte sie sich aber mit keinem, denn niemand besaß genug Tiefe und Charakterstärke. Die meisten waren oberflächlich und nur auf das Eine aus. Das kam für sie nicht in Frage. Bei Michael war es anders. Sie konnten am PC sitzen und sich wenigstens gedanklich treffen. Dann schrieb sie: "Micha, schließ die Augen, ich möchte dir jetzt nah sein....". Er antwortete:"Ok Engel, dann jetzt....". Sie lehnte sich zurück und sah sein liebes Gesicht vor sich. Ihre Gedanken begaben sich auf eine intime telepathische Reise. Sie stellte sich vor, wie er auf dem Bett lag. Sie setzte sich rittlings über ihm auf den Bauch, hielt seine Hände hinter seinem Kopf fest und schaute ihm tief in die Augen. Ihr ganzer Körper stand unter Strom und sie konnte nicht anders, als ihre Lippen auf seine zu drücken und fest an ihnen zu saugen oder mit ihrer Zunge den Konturen nachzustreicheln. Lange verharrte sie in diesem Spiel und ihrer beider Atem wurde zu einem. Sie wanderte weiter zu seinem Hals und verbarg dort ihr Gesicht. Tief sog sie sein herbes Aftershave ein und vergaß alles um sie herum...
Plötzlich vernahm sie einen Ton. Michael hatte ihr wieder eine Mail geschickt. "Lass uns aufhören, Engel, das geht so unendlich nah. Es macht mich wahnsinnig, ich halte das nicht aus". Sie fragte ihn nach dem Grund und danach, was er denn genau gespürt hätte. Er meinte, einen Druck auf seinem Bauch und Hitze am Hals zu gespürt zu haben, dazu eine unglaubliche Lust. Clarice schaute ungläubig. Konnte es tatsächlich möglich sein, dass ihre Energien bis zu ihm gereicht hatten? Es stimmte peinlich genau mit ihren Gedanken überein. Bei der Vorstellung, Michael könnte alles mitbekommen haben, was sie mit ihm angestellt hatte, wurde sie rot, und Hitzewellen überfluteten sie. Trotzdem probierten sie solche Reisen öfter. Es war wie eine heimliche Sucht. Die Sehnsucht wurde mit jedem Mal stärker, und ihre Fantasien drehten mit ihr durch und ließen sie Dinge tun, die sie niemals von sich gedacht hätte. Sie hielt sich immer für unterkühlt und dachte, sie sei gar nicht fähig Leidenschaft zu geben und zu entfachen. Aber nun schien sie genau aus diesem Stoff zu bestehen. Es machte sie schwindelig. Tage und Nächte waren lustdurchtränkt.
Dann kam jener Donnerstag. Sie schrieb Michael, dass sie abends mit ihrem Mann auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung müsse. Die fand sogar in seiner Nähe statt und sie vereinbarten, sich gedanklich nahe zu sein. Ganz intensiv. Die geringe Entfernung gab der Sache einen ganz besonderen Kick. Etwas aufgeregt kleidete sie sich in ein enges, schwarzes Kleid und steckte ihr dunkles Haar hoch. Dies betonte ihren schlanken, langen Hals. Sie wußte, dass dies ihrem Mann am besten gefiel, so tat sie ihm gern den Gefallen. Die Party fand in einer öffentlichen Parkanlage statt. Clarice mochte diese Menschenmengen nicht und fühlte sich unbehaglich. Sie war Einzelgängerin. Ihr Mann hatte sich mit ein paar Geschäftskollegen im Gespräch vertieft, so ging sie allein zur Bar und bestellte sich einen Cocktail. Ihr Blick ging in die Runde. Ob Michael jetzt gerade wohl an sie dachte? Sie bekam eine Gänsehaut und fasste das als Zustimmung auf. Clarice stellte sich etwas abseits an eine alte Kastanie, schloss kurz die Augen und träumte sich zu ihm. Ihr war es, als könnte sie seine Lippen überall fühlen. Ein Windhauch ließ sie die Augen öffnen und ihr Blick fiel direkt in ein Paar grüne Augen. Michael!!! Obwohl sie ihn nur von Fotos kannte, bestand für sie kein Zweifel. Ihr Herz schlug so wild, dass sie meinte, jeder Schlag müsste sich unter ihrem eng anliegenden Kleid abzeichnen. Sie verzehrte sich nach seiner Haut, seinen Lippen. Sie brachte kein Wort heraus, aber ihre Augen sprachen Bände. Sprachlos ineinander versunken, ein Strudel der Emotionen, der ihnen jeglichen Boden unter den Füßen wegriss um sie beide zu verschlingen. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe... Was würde sie dafür geben, ihn nur einmal zu berühren? Stumm standen sich einfach nur gegenüber und jeder tastete den anderen mit Blicken ab, als bestünden sie aus einem Gewirr von Händen. Fast wie im stillen Einvernehmen ging Micha Richtung angrenzendem See. Dort stand eine kleine mit Efeu und wilden Rosen umrankte Gartenlaube. Clarice folgte ihm wie in Trance. Es schien, als hätte sie weder Willen noch Verstand. Niemand von den Gästen beachtete die beiden. Es war, als habe irgend jemand dafür gesorgt, dass jeder Anwesende abgelenkt sei um eine Störung der beiden zu verhindern.
In der Laube schien die Luft zu knistern, oder waren es ihre Seelen, die sich einander entblößten? Zärtlich legte Micha ihr den Arm um die Taille und zog sie an seine Brust. Ihre Münder fanden sich zu einem langen, innigen Kuss. Clarice hatte noch nie im Leben solch eine Begierde nach einem Körper verspürt. Ein Schmerz kroch durch ihre Lenden, eine nie gekannte Lust überwältigte sie. Es war nicht zu beschreiben und nicht von dieser Welt. Soviel an Gefühl war unerträglich. Ihre Lippen schienen sich nicht voneinander lösen zu können. Ihm schien es ebenso zu gehen. Es war, als wären ihre Körper durch hundert Leben gereist um endlich miteinander zu verschmelzen, Eins zu sein. In vollen Zügen gaben sie sich einander hin. Es gab keine Zweifel, keine Moral, alles schien wie vom Himmel unterzeichnet und richtig zu sein. Clarice wollte diesmal nicht aus der Wirklichkeit flüchten. In diesem Fall wollte sie dabei sein mit allen Sinnen - und von allen Sinnen. Im Hier und Jetzt. Nicht einmal als beide zugleich zum Höhepunkt kamen, schloss sie die Augen. Sie wollte nicht Gefahr laufen, es für einen Traum zu halten.
Noch völlig außer Atem hielt Michael Clarice an seine Brust gedrückt und wog sie sanft in seinen Armen, wie ein verletzliches Kind. Er hielt sie, als wollte er sie nie wieder gehen lassen. Schlagartig kam genau dies Clarice bekannt vor und genau in dem Moment, als sie es als Schwachsinn abtun wollte, summte er gedankenverloren die Melodie von "Tears in Heaven".
Anmerkung von Martina:
Dieser Text war für einen Schreibwettbewerb vor längerer Zeit gedacht.