Zweisamkeit

Gedicht zum Thema Liebe und Sehnsucht

von  plotzn

Ich hab dir Blumen mitgebracht
zwei Stauden hinten aus dem Garten.
Die magst du doch, die winterharten
selbst ohne ihre Blütenpracht.

Ach, Josef, hättest du gedacht
dass jetzt schon, mitten im Oktober
ein erster Schneesturm wie ein grober
Orkan hereinbricht über Nacht?

Ja, ja, das Wetter spielt verrückt
und das schon seit den letzten Jahren.
Ich weiß noch, als wir Kinder waren
hat uns der erste Schnee verzückt.

Und jetzt, im Alter, ist’s ein Graus.
Mir schmerzt der Rücken und ganz ehrlich:
Der Schnee macht jeden Weg beschwerlich
dazu die Angst, ich rutsch mal aus.

Doch jetzt genug der Jammerei!
Und mach dir bitte keine Sorgen -
wenn ich erst schlafe, sind am Morgen
die Schmerzen sicher schnell vorbei.

Frau Liebig hat jetzt einen Hund -
die aus der grauen Häuserreihe.
Sie ging zuletzt kaum mehr ins Freie.
Jetzt hat sie wieder einen Grund.

Und stell dir vor, am Donnerstag
kommt Lissi mich vielleicht besuchen!
Ich back ihr wieder Pflaumenkuchen
den sie so gerne lauwarm mag.

Sie macht sich rar in letzter Zeit.
Die Arbeit und die weite Strecke -
sie wohnt ja nicht gleich um die Ecke.
Für einen Tag ist’s fast zu weit.

Nein, Josef, traurig bin ich nicht.
Ich möchte mich auch nicht beklagen
solange meine Beine tragen.
Auf Mitleid bin ich nicht erpicht.

Ich darf demnächst sogar auf Kur.
Der Doktor meint, ich bräuchte Schonung.
Doch jetzt muss ich zurück zur Wohnung -
der Friedhof schließt um sieben Uhr.

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Kommentare zu diesem Text


 Didi.Costaire (06.11.09)
Manche Gespräche verlaufen recht einseitig und ziehen sich in die Länge... traurig und doch amüsant.

Liebe Grüße auch an deine lyrische Stefanie. Dirk

 plotzn meinte dazu am 06.11.09:
Oh, amüsant sollte das Gedicht gar nicht werden ...
Ich hoffe ich habe keine unfreiwillige Komik eingebaut.
lg Stefan

 Didi.Costaire antwortete darauf am 06.11.09:
Komisch würde ich es nicht nennen. Aber Josef könnte ich mir bei annähernd gleichem Gespräch auch als lebenden Menschen oder Haustier vorstellen. Und das wiederum wäre fast so traurig wie der Tod des Partners.
managarm (57)
(06.11.09)
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 plotzn schrieb daraufhin am 06.11.09:
Das Gedicht basiert auf einem eigenen Erlebnis, besser einer Beobachtung, die mich damals sehr berührt hat. Beim Schreiben hatte ich das Bild vor Augen, dass diese Frau sehr lange mit ihrem Mann zusammengelebt hat und so eine sehr innige Vertrautheit entstanden ist.
Man kann viel in so einen Monolog hineininterpretieren: Einsamkeit, Trauer, aber auch Verbundenheit, Erinnerung und Gelassenheit, wie Du es getan hast.
Danke für Deinen Kommentar, Frank, und lg
Stefan
chichi† (80)
(06.11.09)
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 plotzn äußerte darauf am 06.11.09:
Wenn es berührt, dann hab ich hoffentlich den richtigen Ton getroffen, liebe Gerda. Ich habe mal beobachtet, wie eine Frau auf dem Friedhof offensichtilch zu ihrem toten Mann gesprochen hat, denn es war weit und breit kein anderer Gesprächspartner da. Dieses Erlebnis hat mich damals sehr berührt und ich habe es versucht in diesem Gedicht zu "verarbeiten".
lg Stefan

 Momo (06.11.09)
Mich hat dein Gedicht berührt und ein wenig wehmütig zurückgelassen.
Es schimmert eine zärtliche Verbundenheit zum Partner durch, die selbst der Tod nicht lösen konnte und auch eine selbstverständliche Zuversicht, dass er zwar tot, aber dennoch unsichtbar anwesend sei.

Liebe Grüße
Momo

 plotzn ergänzte dazu am 06.11.09:
Das ist schön beschrieben, Momo. Ist es gut, so sehr an einem Toten zu hängen? Ist ein Zeichen von tiefer Verbundenheit oder von Nicht-Loslassen-Können? Ich habe bewusst versucht, das im Gedicht nicht in die einem oder andere Richtung zu drängen, weil ich mir darüber selbst kein Urteil zutraue.
Ich dank Dir für Deine Sichtweise.
lg Stefan

 Momo meinte dazu am 07.11.09:
Ich glaube, es kann ein sowohl als auch sein und darum ist deine Frage nicht allgemeingültig zu beantworten.
Wenn eine jahrelang gewachsene Bindung plötzlich gekappt wird durch den Tod, kann sie doch auf der seelischen Ebene weiter bestehen. Das ist ganz natürlich und ich denke, man spürt es, wenn die Kraft der Bindung nachlässt. Vielleicht wäre das dann der Zeitpunkt, den Toten liebevoll loszulassen.
Bei alten Menschen wird es wohl eher so sein, dass sie, wie auch in deinem Gedicht, mit einem jetzt imaginären Partner bis zu ihrem eigenen Tod noch zusammenleben.

Schönes Wochenende dir
Momo
Herzwärmegefühl (53)
(07.11.09)
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 plotzn meinte dazu am 07.11.09:
Ich denke, die Vertrautheit endet bei Paaren, die sich gut verstanden haben, nicht mit dem Tod. Die Erinnerung sowieso nicht.
Was mich bei der beobachteten Szene auf dem Friedhof am meisten beeindruckt hat, war, dass in der Stimme der Frau keine tiefe Trauer oder Gram erkennbar war. Sie hat in einem ganz normalen Tonfall gesprochen. Gerne hätte ich gewusst, was sie gesagt hat, aber der Moment war viel zu intim, als dass ich neugierig hinhören wollte.
lg Stefan

 Emotionsbündel (08.11.09)
Lieber Stefan,

deine Worte erzählen von einer innigen Verbundenheit, die noch über den Tod hinaus Bestand hat, von einer trauten Beziehung/Ehe/Partnerschaft in der es normal und tröstlich war, wenn man sich gegenseitig das Herz ausschütten konnte.
... schön, wenn man weiß, der Partner hört zu und es wird ihm nicht zu viel....schön, wenn man weiß, wie der Partner reagiert und fühlt ...

"Und mach dir bitte keine Sorgen -..."

...berührende Worte und eine gelungene Umsetzung deiner Beobachtung...

Liebe Grüße, Judith

 plotzn meinte dazu am 08.11.09:
Vielen Dank, Judith, für Deine einfühlsame Interpretation. Es gibt Paare, denen glückt ein lebenslange Beziehung ganz gut, trotz aller Höhen und Tiefen.
lg und einen schönen Sonntag!
Stefan

 Isaban (14.11.09)
Traurig, weil so liebevoll.

Liebe Grüße,

Sabine

 plotzn meinte dazu am 15.11.09:
Vielen Dank, Sabine. So habe ich das Erlebnis auch empfunden ...
lg und einen nicht zu verregneten Restsonntag!
Stefan
janna (60)
(14.11.09)
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 plotzn meinte dazu am 15.11.09:
Dank Dir, Janna! Freut mich.
lg Stefan
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