Wein-nachten

Groteske zum Thema Weihnachten

von  Feuervogel

Ich liebe es, dieses Wein-nachten. Einmal im Jahr kann man so richtig gut seinem Frust fröhnen. Schon die Wochen davor, stimmen mich immer so herrlich ein auf dieses besondere Fest. Meist beginne ich ja schon meinen Tränen freien Lauf zu lassen, wenn ich Ebbe in meinem Geldbeutel bemerke. Ich mich wieder einmal mit kleineren Geschenken und auch weniger zufrieden geben muss. Ich will selbstverständlich besondere Geschenke machen und natürlich auch etwas besonderes haben. Man gönnt sich ja sonst nichts! Aber wie jedes Jahr, so auch in diesem, muss ich leider aus Gründen einer persönlichen Wirtschaftskrise auf teures, unnützes Klump verzichten. Schade! Dadurch ist mir natürlich bewusst, der Frust steigt und das Fest ist gerettet. Die Menschen sind ja in dieser Zeit besonders Spendenfreudig und mein Ärger steigt ins maßlose. Wer gibt mir denn etwas? Wer kümmert sich um meine persönliche Wirtschaftskrise? Was interessiert mich die Not anderer, mich rührt nur meine eigene zu Tränen. Apropos Tränen, eigentlich sollte ich mir die ja aufsparen für das Wein-nachtsfest. Welche Verschwendung!
Nun, es beginnt ja immer mit dem sogenannten Heuligen Abend. Ach, ihr glaubt gar nicht wie feucht-fröhlich es da bei uns immer zugeht. Gegen 17 Uhr beginnen wir am Heuligen Abend unser traditionelles Familienessen. Bei uns gibt es immer Herz! Schweineherz! Das Rezept hierzu stammt noch von meiner Großmutter, die hatte es glaube ich schon von ihrer Mutter bekommen, und so reichen wir es von Generation zu Generation weiter. Also, wie gesagt wir sitzen beim Essen beisammen und genießen Herz in einer üppigen Rotweinsauce an Trauerklößen. Danach ist Beschehrung. Wir können es kaum erwarten die dämlichen Geschenke auszupacken. Denn uns ist ja allen bewusst, auch dieses Jahr bekommen wir wieder etwas was wir gar nicht wollten, oder gar gebrauchen können. Hierzu versammeln wir uns unter dem Wein-nachtsbaum, den wir übrigens schon Tage vorher mit traurigen Erinnerungen, alter Wut und einer nie endenden Einsamkeit geschmückt haben. Herrlich wie dieses streuende, traurige Etwas da so in unserem Wohnzimmer sein Bestes gibt. Dieses Jahr ist er besonders gut gelungen, eine wahre Trauer-wein-nachts-weide. Während wir dann unsere Geschenke auspacken und zusammen in das Lied stille Nacht, heulige Nacht einstimmen, werden wir regelrecht ergriffen von diesem Frust unter der Trauertanne. Wir beginnen miteinander zu weinen. Das ist ein so heuliges Geschehen, da fehlen uns jedesmal die Worte. Also, Wein-nachten bei uns daheim war schon immer ein unglaubliches Drama. Ich glaube so gut wie wir das Fest begehen, dass wird uns so schnell keiner nachmachen. Wenn wir dann endlich unser Bett aufsuchen, was uns wahrlich schwer fällt, kommen wir kaum zur Ruhe, so aufgewühlt sind wir. Unsere Augen brennen und noch einige Zeit hören wir leise Schluchzer durch die Räume rieseln.
Am ersten Wein-nachtstag geht das Drama weiter. Ach, diese Trauer, dieser Frust, es ist beinahe nicht auszuhalten. Natürlich sitzen wir den halben Tag vor dem Fernseher, immer in Bereitschaft für die neuesten Katastrophen weltweit. Wir wollen nichts verpassen. Es wirkt so inspirierend wenn anderen Schweres wiederfährt. Vorallem, wenn die Tränen versiegen wollen, werden sie dort wieder angerührt. Natürlich nicht aus Mitgefühl heraus, quatsch, sondern weil wir an Traditionen festhalten und sie um keinen Preis brechen wollen. Das Essen fällt an den Wein-nachtstagen bei uns relativ mager aus. Meistens gibt es die Reste vom Heuligen Abend, an denen wir uns zwei Tage mit Widerwillen durchkauen.
Zwischendurch beschäftigen wir uns mit unseren überteuerten und unnützen Geschenken.
Ist dann endlich der zweite Tag hereingebrochen beginne ich meist mit meinem traditionellen Wein-nachtsputztag. Ja, ihr habt richtig gehört. Ich putze am zweiten Wein-nachtsfeiertag. Was soll ich denn sonst auch tun? Irgendwann gehen wir uns alle so auf die Nerven, was ja schön ist, denn es ist ja passend zum Fest, aber es strengt  auch an. Ich stelle von Jahr zu Jahr fest, dass ich eigentlich keine wirkliche Trauer mehr bei diesem Fest empfinde. Alles wirkt so aufgesetzt, so gespielt, nichts ist mehr echt. Es ist keine Katastrophe! Überall schießen die Wein-nachtsalternativen aus dem Boden. Die Leute besinnen sich aufs wesentliche, freuen sich, sind freundlich. Im Parlament hat erst vor Wochen eine Diskussion stattgefunden, dass Fest umzubenennen. Selbst die Kirchen stellten sich hinter diesen Aufruf. Die wollen doch glatt ein Fest der Liebe daraus machen. Kann man das denn überhaupt? Ehrlich gesagt, wäre vielleicht nicht gerade das Schlechteste. Mir tun vom vielen Weinen schon die Augen weh, meine Nase ist verstopft und ich kann den Sinn hinter all dem Frust schon lange nicht mehr erkennen. Irgendwas muss anders werden.
Nächstes Jahr breche ich mit den Traditionen und amüsiere mich mit Freuden. Ich könnte ja auch Jesus anrufen, der ist an Wein-nachten meist allein daheim.

Ela


Anmerkung von Feuervogel:

Ich feierte kein Weihnachten in diesem Jahr.
Hinter mir liegen schmerzhafte und schwere Geschehnisse, außerdem ertrage ich nicht mehr was aus diesem Fest gemacht wurde. Ich war, obwohl ich Christ bin, in keiner Kirche. Ich wehre mich gegen dieses gemachte und inszinierte!
Mein Sohn, sowie Freunde wurden liebevoll beschenkt, dass war mir wichtig. Denn Gott hat mich trotz allem reich gesegnet und beschenkt. Ihm gebührt mein Dank, ihm gebührt die Ehre...aber dazu kann ich mit ihm auch in der Stille meines Herzens feiern...

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Kommentare zu diesem Text

reinART (57)
(26.12.09)
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 Feuervogel meinte dazu am 26.12.09:
Ich dachte auch das kann missverständlich gedeutet werden, aber wenn man die Groteske liest versteht man ja...
Danke für die Sterne, ich freu mich! LG Ela

 franky (26.12.09)
Hi liebe Ela,
Es Weihnachtelt sehr.
Es ist ja herzzerschneidend wie du das alles perfekt inszeniert hast. Da fehlt wirklich nicht die kleinste Unnötigkeit. Verbrüder und Verschwesterung in aller Gegensetzlichkeit. Der Gag mit dem Putzfimmel ist auch gelungen. Als Berufsmusiker war ich an diesem Tag oft auf dem Weg inns nächste Engagement, nur durch die Fenster sah man die Christbäume schemenhaft durchscheinen. Da war der große Friede auf den leeren Straßen und unter dem kalten Sternenhimmel zu finden.
Das Fest der Liebe sollte einen ständigen Platz in unserem Herzen haben, da bin ich ganz deiner Meinung.

Herzliche Grüße übern Zaun

von

Franky:-)

 Feuervogel antwortete darauf am 26.12.09:
Danke Franky, ich grüße zurück über den Zaun..Ela

 Elén (26.12.09)
Das Weihnachten meiner Kindheit war in Ordnung, das Weihnachten meiner Jugend war die Hölle, das weihnachten meines jungen Erwachsenseins verbrachte ich mit Arbeit, d.h. Nachtschicht.

Dieses Jahr nahm ich frei. Ich ging zur Mitternachtsmette in den Linzer Mariendom, der ist ein wenig kliener als z.B. der Kölner Dom aber von der Akustik ähnlich. Die Aussentemperaturen waren zu Jahreszeit relativ warm und als ich in den Dom hineinging war es dort knackekalt und der Atem gefror in der Luft. Ich war früh dran und es war da gerade Chorgebet oder Rosenkranzgebet, keine Ahnung und also setzte ich mich da hin und war still un horchte zu. Und mitten unterm Gebet plötzkich gingen die Lichter aus und es war zappenduster, stockfinster und alle Leute erhoben sich von der Bank, stockfinster und die Domglocken fingen an zu Läuten und der Kirchenbauch begann unter dem Geläut zu schwingen und man hörte niemenden husten und niemanden schneuzen und es war still und nur das Läuten und dann nach einigen Minuten wurden vorne am Altar vier Kerzen entzündet, in dem riesigen Dom und man sah nur vage die Kontur der Gestalten und nach und nach fingen die Menschen ganz leise an Stille Nacht zu singen ohne Orgel ohne Brimborium und das war fantastisch atemberaubend ..

lg

 Feuervogel schrieb daraufhin am 26.12.09:
Ja diesen Atemberaubenden Moment hätte ich gerne miterlebt. Danke für deinen Besuch. LG Ela
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