00:03 ich betrete den Hausflur und knalle die Tür hinter mir zu. Flackerndes Licht begrüßt mich, und ein schlaftrunkenes, besorgtes Gesicht mit kleegrünen Augen.
Wo ich war, fragt sie.
„Als wüsstest du das nicht.“ Zische ich, starre auf die grauen Fliesen meines Zimmers und unterdrücke den blanken Hass der in mir aufsteigt.
Sie mustert mich, stellt fest dass ich vom Regen durchnässt bin und mein Haar vom Wind zerzaust ist, dass sein Duft noch an mir klebt, und ich seinen Geschmack noch auf den Lippen habe bemerkt sie nicht, sie weiß nicht dass er wieder da ist, und mit ihm all die Erinnerungen.
Vorsichtig geht sie auf mich zu, will meine Hand nehmen.
„Ist alles in Ordnung?“ Sie flüstert. Angst fließt aus ihren jadegrünen Augen und tropft auf die kalten Fliesen, es kümmert mich nicht. Ich schüttele ihre Hand ab und streife die nassen Klamotten von meinem zitternden Körper, streife seine Berührungen ab und jede Erinnerung an ihn. Er bedeutet nichts mehr, er hat die alten Erinnerungen nicht vertreiben können, die alten Wunden nicht heilen können. Zeitverschwendung.
Mein Blick gleitet durch mein chaotisches Zimmer, überall liegen Zettel. Briefe, Texte, Adressen. Fotos liegen verstreut auf meiner Decke, ich spüre ihre Blicke immer noch auf meinem Rücken und gehe mit steifen Schritten auf das unberührte Bett zu, an Schlaf war seit her nicht zu denken.
„Ich will dich nicht verlieren.“ Ein schluchzen.
Kaltherzig nehme ich mir eins der Bilder, streiche über die glatte Oberfläche des Fotos und erinnere mich an den regnerischen, schönen, furchtbaren, letzten Tag. An Berührungen und Versprechen, mit einer vertrauten Hand auf der Schulter breche ich in Tränen aus.
Viel zu spät wird mir klar wie furchtbar klein und einsam ich mir in ihren dünnen Armen vorkomme, wie egal mir ihre tröstenden Worte sind. Und mir schießen seine Worte durch den Kopf
„Du brauchst sie nicht, wenn es zu viel wird komm einfach her. Wir schaffen das, auch ohne sie. Und irgendwann lachen wir darüber, wie schwer es uns alle machen wollten. Wir gehören zusammen.“
Ich winde mich aus ihrer klammerhaften Umarmung und schaue sie an, müde, kaputt, verlebt und ängstlich sieht sie aus. Wie ein Kind. Wieder fragt sie mich was los sei, wieder antworte ich still weinend.
Früher, wenn die Schreie meines Vaters durch die papierdünnen Wände drangen und sich in meine Kinderaugen fraßen sah sie genauso aus, damals tröstete ich sie, ertrug ihr Leiden nicht. Heute brennen ihre Berührungen auf meiner Haut und ihre Schreie sind verstummt, sie kommt nicht mehr an mich heran, will nicht mehr, kann nicht mehr. Und ich auch nicht.
Die allumfassende Stille wird durch das klingeln meines Handys durchbrochen, mit rasendem Herzen und prickelnden Lippen lausche ich einem schwere Atmen, einem Seufzen, dem Freizeichen Ton.
Wutentbrannt schnellt meine Faust hoch, prallt gegen die Wand und verschmilzt mit ihr in einem beruhigenden Knacken, dunkle Flecken sprenkeln die perlgraue Tapete und meine irre blickenden Augen suchen die Ihren.
Doch sie ist weg, erträgt es nicht wenn ich den altbekannten Schmerz überstreife, lässt mich allein in der Welt die gerade um mich herum zusammen stürzt.
Taumelnd falle ich auf mein Bett, zwischen die Fotos und Briefe, schnappe mir einen stumpfen Bleistift und ein Stück Papier.
„Es ist so schwer geworden. Du sagtest ich müsse ihn verlassen damit wir wieder eine Familie sein können, ich tat es und ging kaputt daran. Du meintest es würde uns zusammen schweißen, wir seien stark, doch ich ertrage dein gespieltes Lächeln nicht. Hassgetränkt spuckst du meinen Namen aus, sagst mir wie Leid du all das bist. Und ich flüchte mich in alte Lieben um mich wieder zu finden, doch du fehlst. Du fehlst und mit dir all die Geborgenheit die früher da war. Früher, als Kinderaugen noch strahlten und deine Stimme mich in den Schlaf sang, Heute schreit sie, und ich falle. Falle.“