Das Prinzip Hoffnung

Lehrstück zum Thema Hoffnung/Hoffnungslosigkeit

von  loslosch

Quod nimis miseri volunt, hoc facile credunt (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Hercules furens). Was die allzu sehr Darbenden wünschen, daran klammern sie sich.

"Wenn nicht die Hoffnung wär, gäb´s auf dieser Welt nichts mehr ...", so sang 1935 der leider vergessene Joseph Schmidt (1904 bis 1942) mit großem Pathos. Das Überlebensprinzip der Darbenden und Unglücklichen. Diese kurze Sentenz aus der Seneca-Tragödie Hercules furens (wildgewordener Herkules) wird oft wörtlich stupide übersetzt: "Was man im Unglück zu sehr wünscht, das glaubt man leicht" (Hubertus Kudla, Lexikon der lateinischen Zitate, 3. Aufl., München 2007, S. 137). Korrekt, farblos, stumpfsinnig.


Anmerkung von loslosch:

Joseph Schmidt, jüdischer Herkunft, aus der Bukowina stammend (damals zu Österreich-Ungarn gehörig, heute zu Rumänien und zur Ukraine), war klein von Gestalt (1,58 m) und dadurch in seiner Karriere als Opern- und Operettenstar ohnehin eingeschränkt. 1933 erhielt er von den Nazis erstes Auftrittsverbot. Ein großartiger Tenor mit erstaunlichem Resonanzboden. Unverkennbar sein k.u.k-Akzent. Der Text stammt aus der Filmmusik "Heut´ ist der schönste Tag in meinem Leben". Makaber der Inhalt angesichts seines Schicksals.

Eine verspätete Hommage.

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Kommentare zu diesem Text

Caty (71)
(16.05.11)
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 loslosch meinte dazu am 16.05.11:
... Makaber der Inhalt angesichts seines Schicksals ...

Ergänzen muss man noch: Er hatte wohl ein Herzleiden, das unter den Fluchtbedingungen und der schlechten med. Versorgung in der Schweiz ihm zum Verhängnis wurde. Am schlimmsten: Einen Tag nach seinem "plötzlichen" Tod verfügte die Schweiz eine Aufhebung der Internierung. Übelstes Geschmäckle. - Man kann seine Stimme im Netz gratis hören: YouTube. Für mich steht er in einer Reihe mit Caruso, Lanza, Gigli. Pavarotti kommt an ihn nicht ganz heran. Lothar

Nachtrag: kein Herzleiden. Der Arme hatte sich unter den Fluchtbedingungen eine Pneumonie (Lungenentzündung) geholt. Die Schweizer Freundchen schafften es, die deutsche Primärschuld zu mehren. Ich werde wohl zu einem Joseph-Schmidt-Fan.
(Antwort korrigiert am 19.05.2011)
(Antwort korrigiert am 19.05.2011)

 loslosch antwortete darauf am 16.05.11:
Das fand ich vertont im Netz, zT original Filmszenen. Das technisch eher einfache Lied "Tiritomba..." unterstreicht seine Meisterschaft:  Vieles zur Auswahl. Hätte der Mann noch in den 1960er und 1970er Jahren singen und schmettern dürfen, er wäre bekannter als Hannes Heesters, der sogar ein paar Monate älter ist (Dez. 1903 geb.). Lo
(Antwort korrigiert am 16.05.2011)

 EkkehartMittelberg (16.05.11)
Meine Tante, deren Mann in Rumänien während des 2. Weltkrieges verschollen war, hatte diesen Spruch an ihre Wohnzimmerwand geheftet: "Und wenn der Hoffnung letzter Anker bricht, verzage nicht!"
Das hat mich schon als Kind sehr berührt und berührt mich noch neute. Die Hoffnung ist häufig irrational, aber von einer ungeheuren Kraft, sodass manche Menschen selbst dann noch an ihr festhalten, wenn ihr letzter Anker gebrochen ist.
LG
Ekki

 loslosch schrieb daraufhin am 16.05.11:
Welcome back. Du glaubst nicht, wie oft ich heute meinen Link zu Joseph Schmidt, Tiritomba, aufgerufen habe, Ekki! Der Ärmste wurde von den Nazis durch Westeuropa gehetzt. Ein Riesentalent mit 38 Jahren unter erbärmlichen Umständen in der "neutralen" Schweiz gestorben. Lothar
Graeculus (69)
(18.10.14)
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 loslosch äußerte darauf am 18.10.14:
nicht direkt ermordet. unsere schweizer spießgesellen haben ihn mit seiner pneumonie hängen lassen ...
Festil (59)
(30.03.16)
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 loslosch ergänzte dazu am 30.03.16:
danke fürs gute gehör. zwischen 12 und 30 hab ich als hobbygeiger in diversen orchestern mitgewirkt. - mein älterer cousin hatte viele alte aufnahmen von josef schmidt. leider konnten wir den sänger damals geschichtlich nicht einordnen, genossen aber seinen unglaublichen resonanzboden.

du hast sicher weiter oben, unter caty, meinen link zu schmidt gefunden. lo
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