Sicht aus der Sucht 2

Text zum Thema Sucht

von  Stone

"Morgen ist ein anderer Tag und vielleicht bin ich dann ein anderer...". Das waren einige der letzten Worte meines Textes. Ich bin zwar immer noch derselbe Mensch geblieben, aber einige meiner Thesen - ich muss es zugeben - blieben drin, damit der Text etwas Pfeffer hat.

Das "Hirnzumachenbiszumgehtnichtmehr" und das täglich, dieses zu propagieren, dafür bin ich nicht. Wenn einer dieses aber für sich als einige Art weiterzuleben ansieht, dann sollte man ihn nicht mit allen Mitteln daran hindern. Und: solange Arbeit auch und vor allem als Berufung verstanden wird; solange sie "gern" gemachr wird - oder anders - solange Leute nicht zum arbeiten gezwungen werden für die sie überqualifiziert sind (der Lehrer als Hausmeister) oder nur mit Grausen zur Arbeit gehen - sei es wegen gesundheitlicher oder mobbingbedingter Gründe - ist es okay. Schon klar dass bei der Einstellung, die in Text 1 zum Teil rüberkam wir noch in der Steinzeit wären, übertrieben formuliert. Aber: ob der eine meint "ich will kein Geld vom Amt , deshalb buckle ich mich krumm", die vielen Obdachlosen, die zum Teil selbst gewählt, auf der Straße leben bis zu dem Hartz 4 -Empfänger, der in Mallorca eine Villa hat(te); muss jeder selber wissen wie er mit sich zurechtkommt; in den Spiegel schauen kann, ohne dass ihm schlecht wird.

Wie gesagt: jeder muss letztlich mit sich selbst leben, wobei es sicher nicht wenige gibt, die ein Selbstbils von sich haben, welches der Wirklichkeit nicht allzu nahe kommt. So wird es wohl so sein, dass selbst das letzte Arschloch sich für ien Gottesgeschenk hält. Aber zurück zum Arbeiten. Derzeit "arbeite" ich (mittlerweile wieder) in einem Ein-Euro-Job. Im Personalbüro, wo ich täglich mit Leuten mit Leuten mit Suchthintergrund - also mit "meinesgleichen" zu tun habe. Eine "Arbeit", die ich nicht ungern mache. Nur morgens fällt es mir extren schwer , hochzukommen. Nur weil ich weiß, dass ich im Personalbüro gebraucht werde, schaffe ich es jeden Morgen zur "Arbeit" zu gehen. Warum ich Arbeit in An-und Abführung schreibe? Das ist der Typ in meinem Kopf, der (politisch) rechts in meinem Hirn sitzt und stirnrunzelnd auf mein Leben blickt und sagt:"das ist doch keine Arbeit". Das ist der, der auch mal sagt (ich weiß wie sich das anhört) "Schriftsteller? Ha, du bist doch bloß ein medikamentenabhängiger Hartz4-Empfänger, der 'nen läppischen Hauptschulabschluss hat, weil er Zeit seines Lebens zu faul war."Oder über meinen - fast schon körperlichen Ekel vor sochen Begriffen wie Disziplin, Gehorsam oder Rechtschaffenheit; oder gekünstelt morgentliches Fröhlichsein. "Das kommt nur daher, dass du fast ganz ohne Vater aufgewachsen bist (starb als ich vier war); so dass dir keiner Ehrgeiz und Disziplin eingebläut hat. Du machst aus dieser Aufstehmarotte so ein Gesumms; von wegen antriebsarm ; du bist doch bloß faul."

Trotzdem: wenn ich das schon höre:"den Tag geniessen, wissen was los ist" - da denke ich "den Tag verfluchen, nicht wissen was los ist". Aber gut - ich habe - nicht zuletzt wegen meiner Gesundheit - insgesamt knappe fünf Jahre gearbeitet - und da sind die Ausbildung und die Umschulung schon mitgerechnet. Das ist nicht viel, wenn man sich überlegt, dass ich 48 Jahre alt bin. Aber das sind nun mal meine Ansichten; und irgendwie werde ich mein Leben schon rumkriegen. Das ewige Herumgezweifel, die Stimmen von rechts und links - so schlimm ist das auch nicht. Was mich eher sorgt, ist die Frage nach dem Wert des Geschriebenen. Spricht bzw. schreibet nur die Sucht aus mir? Aber verdammt: warum bin ich wegen meiner Abhängigkeit nicht ernst zu nehmen? Oder bin ich - wie mein Arzt einst sagte - entartet?

Hartes Wort. Kannte ich bisher nur aus dem dritten Reich (entartete Kunst). Wobei ich eh glaube dass er mich falsch einschätzt. Er sieht scheinbar in mir jemanden, der völlig abstinent leben kann bzw. mit irgendwelchen Pillen, die nicht gar so süchtig machen. Manchmal komme ich mir schon wie ein Versuchskaninchen vor. All die Dinge, die er schon getestet hat und ich nehme immer noch täglich eine Subutex, dazu - damit der Kopf mal Ruhe gibt - etwa ein Mal pro Woche ein, zwei Diazepam (okay, daran arbeite ich und habe es geschafft die Pausen zu vergrössern). Aber völlig und für immer nix? Geht nicht! Ich kann mir vorstellen mir das Rauchen abzugewöhnen - habs sogar schon mal geschafft - allerdings nur zwei Tage; oder meinetwegen muss ich nicht täglich eine Tablette einnehmen - wenn die Entzugssymptome nicht so fies wären.

Aber spätestens zum Wochenende will ich nicht auf einen Joint verzichten, nur weil es illegal ist - oder zu Sylvester oder zum Geburtstag ein Glas Sekt, ein paar Diazepam etc.. Darauf kann, will und werde ich nicht verzichten.


Anmerkung von Stone:

Der "zweite Teil" meiner Sicht aus der Sucht Notitzen, die ich jetzt, da ich wieder täglich die Möglichkeit habe ins Internet zu kommen, reinstellen werde - ob ihr wollt oder nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (13.10.11)
Aber spätestens zum Wochenende will ich nicht auf einen Joint verzichten, nur weil es illegal ist - oder zu Sylvester oder zum Geburtstag ein Glas Sekt, ein paar Diazepam etc.. Darauf kann, will und werde ich nicht verzichten.

Das ist der einzige ehrliche Satz. Ein wirkliches Manifest.

Von einem, der immer noch zufrieden ist mit dem, wie es so abläuft in seinem Leben. Alles andere ist ein am Stück geschriebener Tagebucheintrag. Nicht mehr.
Lu ♥
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