Demophilus

Text

von  Akzidenz

Man muss den Kritikern vertrauen können. Man muss vor allem ihrer Sprache, ihrem Duktus vertrauen können! Sie erklären den Spruch zu einer schönen Regel, einem Edikt über die Nachsicht und die Milde und die Mühe, die sie daran taten, sich etwas wohl oder übel zu Gemüte geführt zu haben. Wenn es eine u n v e r z e i h l i c h e Beleidigung gibt, so scheint sie mir argusäugigen Kritikern vortrefflich zu passen(!); sie sind es gewohnt, zu glauben, mit jedem Bissen, Aufmühen und Ohrlappen nur noch Eulen nach Athen zu tragen. Das kann insbesondere dann nach hinten losgehen, wenn Sie es mit einer Anwandlung zu tun kriegen, deren Beherrschung selbst den vornehmlichsten Kritikern versagt ist. Ja! sie haben die Sprache zu einer Laune gemacht! Wen Ich eigentlich damit beleidigen möchte; man lasse die Öffentlichkeit mal machen! -- denn ehe man mich missversteht: es zeigt sich recht in ihrer Sprache, worauf sie große oder kleine Stücke halten - was es grundlegend auch bedeutet, öffentlich zu kritisieren, eine zutunliche Sprache zu haben. Dies ist, wenn wir Kristeva Glauben schenken wollen, ein wohlberatener Instinkt ihrer Intertextualität; sie erheben das Zitat - nicht nur das Zitat; sie erheben das Vorrecht, sich daran zu Bombasten zu machen. Sehen wir zu, dass wir die Dichter nicht verwechseln (oder übersehen)! Denn dass es Kritiker von Größe gibt, steht hier außer Frage! Die Katalogkritiker, die Boulevardkritiker, die Journalkritiker, das birgt so eine Unmenge an Ostentation, Zurschaustellung, Beweisführung, Proselytenmacherei, dass sie es wohl nicht nötig haben, sich Kritteleien vom Erzfeind zu bestellen, wofern sie Unrecht an ihm taten. Wenn sie recht tun, wird das bemerkt, wird das angerechnet - auch von mir, dem Dankbaren. Ich muss sogar gestehen, kein Deut von Recht und Unrecht an (der) Kritik jemals für m a ß l o s empfunden zu haben: vielmehr war es etwas, das Ich durchaus noch süffisant nennen wollte. Eine Vorwarnung an das, wie sie sich einvernehmen - vielleicht verekeln - ließen von Opern, Büchern, Filmen oder sonstwas: was sie fast behauptet hätten, ging die Liebhaber nichts an. Was sie nicht behauptet haben, darüber setzte sich das Volk hinweg!


„... Man sollte aber glauben, daß auch einer deutschen Mehrheit, die aus Geschöpfen Gottes besteht, diese Lautsprecher von Natur, denen sie sich ausgeliefert hat, Mißbehagen verursachen; man sollte hoffen, daß ihr die Erweiterung der akustischen Möglichkeiten des Rundfunks und der optischen einer illustrierten Presse das Bewußtsein der Absurdität beibringt, die ihrem kulturellen Dasein nunmehr aufgezwungen ist. Fällt es den Deutschen nicht auf – denn den andern fällt es auf –, daß keine Nation nicht nur so häufig sich darauf beruft, daß sie eine sei, sondern daß im Sprachgebrauch der ganzen Welt durch ein Jahr nicht so oft das Wort »Blut« vorkommt wie an einem Tag dieser deutschen Sender und Journale? Blut und Erde, als gäbe es so etwas nur hier.“

Karl Kraus: Vor der Walpurgisnacht - Aufsätze 1925-1936 - Kapitel 12

(Karl Kraus' Œuvre zählte während der NS-Zeit zur „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“.)


„Eine gut gemeinte Geschichte um die erbauliche Feststellung, daß es unter allen Völkern gute Menschen gibt, wurde von Regisseur Hans Deppe aller psychologischen Schattierungen beraubt und statt dessen mit handfester Bilderbuchdramatik ausgeschmückt. Dem vorzeitig aus dem Zuchthaus entlassenen kernigen deutschen Bauern (Willy A. Kleinau) verhilft der farbige US-Soldat (Kenneth Spencer) mit Liedern zur Laute und spontanem Ernte-Einsatz zu neuer Geltung in der klassenbewußten Dorfgemeinschaft, was in vielen Kinos, wie ein Beobachter des US-Hauptquartiers Heidelberg feststellte, lediglich Lachsalven auslöste.“

Filmkritik, Mein Bruder Josua
(Deutscher Heimatfilm, 1956)
- Der Spiegel, 42/1956, S. 49

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