Über die natürliche Nekromantie des Gatten Weismut oder Post tenebras lux

Text

von  Akzidenz

Vom Zusammengehen von Tod und Licht



[..] Hier nun lag das Testamentum wie das Schreiben eines Toten über seinen Tod vor uns. In Schmähsucht durchblättert und ehrrührigen Grolls über seinen Nekrolog beschrieben: eine Anleitung zum Bau von Bäumen, ein Vademecum über die Deräa, Über die Zunft - und nicht darüber, wie sehr er sie verteufelte -, Von Raserei, Injurien, über die Schöngüte und den Verlust der Jugend über dieselbe, Pennalismus, Eos und Astraios und dass ihre Verbindung mit der Ehe ähneln würde, obtrotz die Ehen und Konkubinate zu verachten pflegte dieser kleine Narr, so er sich zeither der Misogamie angerechnet glaubte, weshalb oder bevor er die von Rotterdams virgo misogamos, deren männliches Pendant er im Priapus gefunden glaubte, sehr sehr liebte - der, welcher die rächerische Frau schon ahnte, ehe sie bei vollem Stand noch aus einem Grab zu steigen scheint. Buch wollte Ich werden und fand ein Gegenteil von Buch. Wir wären erobert worden bei dem Anblick dessen, was er während der Vigilien aß und vorstellte: eine halbe Weinbergschnecke, zum Atmen Käs, diätetische Ampullen, gezuckertes Taubenfleisch - ein Schmeiß im Winter - und voller Liebesleid ein Wort vom Monde; der schönen Selene wegen deutsch gesagt, um sie nicht zu verdeutschen an diesem Polysyndeton der herben Worte, welche in Wahrheit schon die Speisen sind, von der sie reden und die Frauen anekeln. Frauen wie Enkel und Kognaten, Tanten, Nichten, und wie sie im Innern gebaut sein mögen:

». . da ist der Ballen, aus dem die Propoetide wie aus einem Schlauche entschlüpft und all ihr Hexenmehl ins Wasser pfeift! [..] Man sollte nicht auf Füßen gehen; sie erwecken mit Rechte den Anschein der Höhe und Ordnung und dass jene es wert sei, getragen zu werden. Liefe alle Welt auf ihrem Kopfe, wer weiß, wie schön die Füße küssen. Liefe man auf dem Rücken, würde man kriechen wie die Herpetonen, wir würden seitwärts der Klippe mit dem Horizonte eins liegen und uns beim Rückgrat erhängen! [..] Sie macht die Sonne zu Schlick und Ich watte darin; sehe Ich hinab, sehe Ich bloß den podophilen Versuch. Sehe Ich hinauf, sehe Ich, dass meine Füße sich spiegeln und dass mein Spiegel einst Sand war - und Blei - und dass die Dämmerung ihn quälte. Ein gequältes Licht! das klingt nicht besser als ein schüchternes Dunkel!«

Der Herr Notar schlug vor, zu reszindieren. Von Makulatur sei nicht die Rede, aber Beleidigungen seien der Fall! Man habe nicht nur uns, ja man habe auch noch ihn verlacht und großtümlich vorausgesehen, wie so eine Verlesung abläuft.

Der tote Testator, der war ein Dach des kühlen Brunnens, in welchen wir hinabgestiegen, um das Senklot aus dem zähen Nichts zu ziehen und neue Winkel zu vermessen . Derselbe Mensch musste es sein(!), einen Toten zu erneuern. Oder bist Du Niederster im Morast des schönsten Schloßes Hof? Oder bist Du Meuchelmörder? Der stuprator meiner geliebten Frau - in meiner Wunderkammer lag das Glück eines Gespenstes an agnusdeihaftigen Fenstern; es wahrte mich und ging hinaus, da war das Gewissen ein altes Insekt; wenn Insekten sterben scheint es, als vergrüben sie sich in sich selbst! Ich werfe Dir ein Schäuflein zu! Vielleicht sind Geburten immer Wunsch gewesen! und Dein Niederkommen meine Brunft! und Schaufel meiner Galatea! Schwangerschaft, das heißt - und das wissen die Mütter - nicht nur den Müttern die Wunde auf des Mannes Seelenkampf und Phallophoria, sondern des Mannes Jung- und Wundwerden zur Zunft der Frau! Ich sage Dir, Ich kann den Teufel riechen und das Bett in einst! Jähtaufe gebe Ich Dir und die Umlaute der Exekration - wähltest dreckigste Tode, mich zu letzten! und die größten Hände, im Schönen zu sterben und zu dolchen - und noch das Gift in Deinen Armen zu wiegen, meine Venen rechtzuschaffen!

Hier am Tische sitzen wir! Und hier am Tische blute Ich auch - bei den Intarsien, gespiegelt, und wie Ich sie hasste, diese Frau! Zwei Tote habe Ich hier; des einen Todes Gast und des anderen Todes Geißel bin Ich! Wessen! Nicht ein Lebenswerk hast Du mit Tod vollbracht, sondern der drei! Und nicht nur eines Engels verlangt's Dir und nicht nur eines Frevels Niederungen, des Acherons Giebelungen zu graben!

Dem Leben, sage Ich, stand das Alte immer schon an einer Schwelle zum Höheren hin. Das Junge hingegen erfrischte sich ewig und lief eitel sich wund sein fekundes Gebein, am Boden zum Flachen und am Wachsen zur Zwiebel. Sie sind der Morgen - was stirbt, das ist Nacht! Signaturen des Himmels und der Höhe gibt es, die weiden sich von Sproß zu Sproß an Länge und Zeit, und von prometheischen Gefilden an Größe, bis sie zum Überleben überteten. Und haben sie der Schönheit Brust in in ihre rhizoiden Krallen gefasst, denn saugen sie ein Lustrum dran, bis ihnen der Bauch verblitzet ist vom Safte des Frühlings - denn er gilt ihnen nicht mehr: deshalb begreift das Alte üblich, was ein neues Leben lindern möge, und nur deshalb ist das Alte, was der Geschichte das verlängerte Bewusstsein, das Unveränderbare ist, ein entetierter Stein von tausend Schichten; er stehet schon am Quell und seufzet kühn der Nachzügler, wie weit sie es bis zu ihm brächten, das Seelenwasser mit dem Nekrolog und die Kylix mit den sumpf'gen Steinen: alles kippen wir hinab zum Neuen und können mit Argusaugen abwärts gehen und mit Ariadnes Faden sehen, wo schon die heis're Frucht zu Tag zu treten und die alte aufzulösen scheint. Dein Leser wird noch geboren sein, und dann erinnert er sich gar nach vorn und schürt der dunklen Wunden aus, sein Licht, bis neue Haut entsteht und Brust, und dann leget er den Lein aufs Loch und kränget damit den Menhir, sein Stift, dass, was in die Höhe geht, bereits die Niederkunft von hinten sieht - und umgekehrt! wer gehet zurück, der Eurybia in die Augen blickt und sagt vom Fernen in das Lächeln, ehe dieser schreit nach hinten in den Kuss ihr's schönen risus sardonicus: Ich komme Dir, Du suchst, entgegen, und Du mit mir nun ineinander. Das ist das Sterben und mein Thron!



(1)

Aber ihr Richter, es gibt eine moralischen, ungespiegelten Zustand der Schönheit im Gesetze, ein spiegelverkehrtes Gesetz, ein Talionsrecht der Verzückung, die sie so zur philomathischen Begierde aller Erdendinge ausweiset,
und die sie gar mehr noch erwäget, wenn einem Mann ein Eheweibe geschändet und getötet wurde, dann versuche er sein Recht nicht daran, ein Unrecht rechtbarer zu machen, als es ist, indas er Gleiches mit Gleichem- was da gleichfalls heißt seinen Schaden mit Schaden - entrichte, auf dass es dem Bluttäter schnell um seine Tat gelöst werde, füsiliert oder gesteinigt zu werden - denn das entfächert uns das Kleid vom Neuen und wird der Zeter nicht beenden können. Mehr noch, ihr, die richtet, misstrauet denen, die euer Recht vervollkommnen und denen es gestiftet, euch des Mordios zu sorgen, und umwandelt sie mit Feinerem und nicht mit Vorbildern des Todes!
Ist es denn möglich? Wie den Tod so sehr fürchtet man die, die töten! Aber nicht denen, die leben fürchtet man die Demut hoch und den demütigen Grund, dass mit ihr nicht zu scherzen sei! wie mit der Musik gleichwie der Landschaft: dass sie keine Fratzen hat! Aber ius talionis, wohlan, die ihr die Quäler quält mit ihren Spiegeln! Der erste Spiegel war das Wasser - Narkissos gar der erste Mensch? Und wenn ihr Blut verteilt, dann seid ihr Honig dem Wasser, wenn aber Becken, seid ihr Talg und Schlamm den Schlemmenden! Dieser Vitren Frucht und Erd frischen auf euch gegen den Tode! und nun erfrischet euch gegen das Leben! Derart angetan ist es, zu glauben, wir gehen das Recht an gegen die, die es verletzen können ohne Recht - und ebendie sollen es entsühnen können mit ihrem Recht- und Reuelosen, als sei die Demut heimgekommen? Der sie empfängt hält auch große Weisen auf sich, gut zu sein, wo es vonnöten, und wo der Mensch nicht besser ward, als man es glaubte - und so dünkeln auch die Präzeptoren. Sie sagen: Gott, wir haben es versucht mit ihm! Und in Wahrheit sagen sie nur Gott und Wir - und mir scheint, mich weckt ein stolzer Mensch! Der Früherwachende!

Franchement! wie grault es uns! Ich sage euch, die ihr der Gefangenschaften müde und die Karzer unterhaltet: an einer Lehre ist es bloß, die geht noch über den Tod hinaus! und wie sie lachet eurer vanitären Last, dass sie der Erden Fäulnis zu den Engeln hob, und wie gülden sie erstrahlt vor der Friedlichkeit Wollust, und wie sich's mächtig verziehen der Propoetiden giftige Brust, der bietet sie das Messer dar, woran sie Wohlgefallen stirbt - denn darob vergehet ihr die Lüsternheit; dass sie zu weit gegangen ist! Und nur so schämet sich der Mensch sein Bestes: dass er Schmerz und Glück vereinen kann! Niemands Ketten solltet ihr euch hören schätzen, vielmehr der Hand, die ihnen entrinnt!

Ich entstehe aus Flammen.

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