N. Zabolockijs Weiße Nacht

Gedichtgedicht zum Thema Lebensbetrachtung

von  Roger-Bôtan

Weiße Nacht

Sieh zu: Kein Ball, kein Mummenschanz.
Wüst sind die Nächte dieses Lands.
Verzerrt durch den Verzehr von Wein,
Gelächter gleichen Papagein.
Man hat die Brücken hoch gehoben,
die wilde Schar der Lover rennt,
der eine keucht, der andre brennt,
der dritte mit den Füßen oben…
Die Liebe stöhnt im Laubgewinde,
sie wechselt Stellungen geschwinde,
bald ist sie nah, bald ist sie weit…
Allein die Musenliebe bleibt.

Es schaukelten die Newka-Wellen.
Da hört man plötzlich Trommeln grellen.
Im Kreise aufgestellt, Raketen
die eine nach der andren flirrten,
wobei bengalische Feuerbirnen
blitzartig ihre Bäuche drehten. 

Es regnet Ringe auf die Bäume,
von Fackeln fallen dunkle Schäume.
Entlang dem kleinen Mündungsflüsschen
liefen Sirenen oder Flittchen.
Zumindest glichen sie eiskalten
sirenenähnlichen Gestalten
im Schein von silberblauen Lichtern,
und lockten dennoch an mit Lippchen,
die reglos waren wie Medaillen, – 
Betrug und Traum zu gleichen Teilen.

Ich ging dahin. Die Nacht lag blass,
weiß wie die Kreide auf dem Gras.
Gesträuche standen auf ihm steil
in Scheiden aus buntfarbnem Stahl.
Man hörte trauriges Geächze
der Nachtigallen im Geäste:
Ein Mangel an wollüstigen Trieben
schien ihre Seelen zu betrüben.

Gleich einem Engel, der sich ärgert,
da er Scheinheilige enttarnt,
erhebt sich stumm Jelagin-Werder:
Hat eben derer zwei ertappt.

Ein Dampfschiff sieht man sich bewegen,
an Deck – Musik, verträumt-betrübt.
Es kommen Boote ihm entgegen,
die Ruderer sind ungeübt.
Mit seinem Rumpf stößt es die Lümmel,
sie prallen ab und fliehen weg,
doch bald schon kommen wieder keck.
Es schreit: „Ich werde euch verstümmeln!“
Sie sind sich sicher, dass es scherzt…

Und alles ist vom Wahn beherrscht.
Die weiße Luft klebt an den Dächern,
die Nacht vergeht, wird immer schwächer,
sie schaukelt wie auf einer Schale,
zur Schau gestellt in weitem Saale,
zu früh gebornem Engel gleich,
der durch das Glas, wo er sich wiegt,
mit milchigen Augen vor sich blickt
und will hinauf ins Himmelreich.

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Kommentare zu diesem Text

MelodieDesWindes (36)
(10.03.13)
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 Roger-Bôtan meinte dazu am 10.03.13:
Der Text ist nicht ganz von mir. Er ist eine Nachdichtung. Das Original ist fast ein Jahrhundert alt, auf Deutsch aber bestenfalls in prosaischen Übersetzungen vorhanden, wenn überhaupt. Bin immer zu Änderungen bereit.
(Antwort korrigiert am 10.03.2013)
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