Kuppelei I.

Erzählung zum Thema Mitmenschen

von  pentz

Ich habe es mir in den Kopf gesetzt, einen Freund unter die Haube zu bringen. Er ist nicht der einzige Single, Solitär, Zelibatär und Ledige unter meinen Bekannten. Aber der Hartnäckigste.
Er ist katholischer Bruder eines Ordens, den es nicht gibt: er ist Pfarrer ohne Sprengel und Schäfchen – und verhält sich zur Weiblichkeit wie Öl zu Wasser, nämlich unverträglich und bindungslos. Er ist nicht gänzlich asexuell gegenüber Frauen, war es nie, nämlich, wie er gezählt hat und hervorkehrt, viermal nicht.
Ist in nächster Nähe eine Weiblichkeit, geht bei ihm sofort der Laden herunter. Am liebsten würde er stehenden Fußes davonrennen, wenn ich ihn nicht am Ärmel festhielte (bildlich gesehen).
Man sieht, die Herausforderung ist immens, geradezu geschaffen für mich.
Er ist zudem einer von drei Brüdern, wovon der älteste das familiäre Gasthaus übernommen hat, mit etlichen Bediensteten, weiblichen, versteht sich! Auf dem Lande findet man in der Landwirtschaft männliche Orginale, in den Gastwirtschaften weibliche: Jungfern, die jüngferlich sind im Gegensatz zu Jungmänner, die jungmännlich sind – kann man so sagen?
Kurz eine Definition von Orginal: Ein Original ist jemand, der eine besondere, merkwürdige Eigenschaft besitzt und sie hatte diese insofern, als sie nach jedem Absatz kicherte.
Dabei ist sie, was am wichtigsten ist, sittsam, fleißig und strebsam – Attribute, die bei meinem Freund oberste Stellenwert haben. Das Mädchen, was aber nicht wichtig ist, wurde vom meines Freundes Bruder bereits vom verstorbenen Vater wie das elterliche Besitztum mitübernommen. Eigentlich geschaffen dafür, gleichfalls von einem Sohn mit in die Ehe hinübergenommen, besser „-geführt“ zu werden, sofern dieser romantische Ausdruck hier angemessen erscheint.

Bereits bei der ersten Begegnung erkannte ich die in ihr steckenden Potentialitäten, nämlich die Chance für mich einerseits und die Perspektive für meinen Freund andererseits. Er selbst wollte ja auch eine Frau haben, fürs Bügeln, für den Haushalt nur, wer weiß, wozu noch – wozu er sich nicht weiter äußerte.
Wie konnte ich ihm diese Wahl schmackhaft machen? Natürlich, indem ich seine eigenen Worte gebrauchte.
„Ist die aber ein sauberes Ding: Ordentlich, fleißig...“ Mein Freund, die Eigenschaft, ins Wort zu fallen, führte meine begonnene Ausführung in den buntesten Farben weiter: „Und so strebsam, das kam man wohl sagen. Dabei immer pünktlich, akkurat, zuverlässig...“ Er zählte die ausgesuchtesten Eigenschaften auf, die man so einem Faktotum nur anhaften kann: einfach ideal.
Er musste dies selbst erkannt haben, denn seine Rede stockte plötzlich, konsterniert blickte er mich an, merkte also, dass er sich wie die Kuh auf dünnem Eis befand.
Das nächste Mal trafen wir das Jüngferlein auf meinem Terrain, bei mir zuhause am Ort. Wir Freunde besuchten uns gegenseitig und sie kam aus einer anliegenden Gemeinde. Wir saßen im Café, einem dieser Ausgangs-, Durchgangs- und Stehcafés, innerhalb eines Supermarktes, bei dem man so tun konnte, dass man sich nur zufällig über den Weg gelaufen ist und es offenließ, ob man überhaupt den geringsten Wert auf eine solche Begegnung legte. Außerdem war der Fluchtweg immer offen.
Sie war dabei, zur nahen Bushaltestelle zu gehen, um in das Dorf meines Freundes zu dessen Bruders Gasthof, ihrer Arbeitsstelle, zu fahren – sagte sie. Trotzdem setzte sie sich zu uns her.
Wir waren bereits eine Stunde hier gesessen, ich fand, eine günstigere Gelegenheit aufzubrechen, gäbe es nicht für meinen Freund: „Da kannst Du doch die Dame gleich mit nach Hause, zu Eurem Wohnort fahren!“ Ein sehr pragmatischer Vorschlag, auf welche Art von Vorschlägen mein Freund großen Wert legte.
Er japste nach Luft und schlug vor, dass wir beide doch noch ein anderes Lokal besuchen gehen sollten. „Wolltest Du nicht gerade nach Hause fahren?“
„Ach, na ja!“ Es sei noch zu früh, nach Hause zu fahren.
Die Dame verabschiedete sich kichernd.

Bis zu dieser nächsten Begegnung musste ich ihn darauf vorbereiten, worauf’s ankam. Sehr wohl wusste er’s, wie er gestand, vier Mal!, aber in diesem Fall musste er vielleicht die Initiative ergreifen. Eine gründlichen Vorbereitung in jeglicher Hinsicht musste geboten werden.

Ich modellierte eine geile Puppe aus Zeitungspapier und Leim, nur ein Torso, aber worauf‘s bei ihm ankam, die sekundären Geschlechtsmerkmale, waren eindeutig. Ich musste ihn jedoch ein paar Mal daraufhin weisen, dass es den Anschein hatte, er nehme es wahr. Man konnte bei ihm nicht sicher sein. Er hatte eine sehr gute Schule besucht, ein katholisches Internat und war sogar Mitlglied im „Marianischen Orden".
„Marianischen Orden“ - der Ausdruck flößte mir Hoffnung ein, weil es sich doch wenigstens namentlich um Maria handelt. Aber ich weiß, sie wissen, jungfräuliche Empfängnis, Paradoxon schlechthin;  Aristotoles; Widerspruch im Menschen ist normal usw. - wir kommen hier nicht weiter. Es musste gehandelt werden, ganz einfach (Marx oder/und Engels!)
Und ich hatte meine Tricks.
So schickte ich ihn unter einem beliebigen Vorwand vom Keller, in dem wir uns gerade befanden, in die obere Wohnung.
„Mensch, ich habe etwas vergessen!"
„Auweh!"
„Holst Du mir es, bitte!"
„Wo ist der Schlüssel?“
„Steckt im Körper, du weißt schon von wem.“
Die Torso-Puppe hatte er schon gesehen und erfolgreich ignoriert.
„Wo?“
„Wer suchet, der findet!“
Hm - als er gerade nach oben ging, wurde mir bewusst, dass ich den Schlüssel an den falschen Ort, vulgo in das falsche Loch gesteckt hatte. Nein, das würde ihn nur mehr in seinen bisherigen Neigungen bekräftigen, ungeachtet der vorne herauspollernden Busenmonster. Es sollte wie ein lustvolles Vergnügen sein, diesen zu entdecken. Wahlweise konnte ich ihn zwischen den Vorbau, zwischen die Titten und den Tittis stecken, wo er aber zu offensichtlich in Erscheinung trat. Nein, da musste mehr Suchen, lust- oder frustvolles Vorspiel stattfinden
So legte ich mir die Mühe der Veränderung der Plastik auf, in dem ich den bezeichneten Ort nach vorne verlegte, tief ausgepullert, damit der Schlüssel nicht herausstakte. Gleichzeitig erweiterte ich in einem Lexika für Medizin und Anatomie meine körperlichen Kenntnisse des anderen Geschlechts.
Gut, insofern hilfreich, dass der Entdeckende verschlungenste Wege befingern und erkunden durfte.
In anderer Hinsicht war es aussichtsreich, wennauch nicht mit großer Wahrscheinlichkeit, aber bei diesen unsicheren Zeiten konnte es durchaus möglich sein, dass ich nicht doch einmal Frauenarzt werden würde.
Des ungeachtet war der vordere Punkt hinsichtlich der Einbruchssicherheit gefährlich. Jeder Dieb konnte sofort den Schlüssel entdecken.
Also verband ich Nutzen mit Schönheit und Kunst!
Erfreulicherweise war das zu knetende Material nocht nicht hart geworden, so dass ich mir keinen Finger brach...

Nicht mal realistische Bildende Kunst, üppig und sehr weiß, blassiert, jegliche Weiß- bis Gelb-Tönung malend, steckte, sprach und sprang ihn an,– nein, stattdessen ein El Greco-Bild, welches unglücklicherweise auf der selben Seite der Zeitung abgedruckt war, der entkleidende Christus, war ihm Anlass, sein Augenmerk darauf zu wenden, mit einer Einführung in die verschiedenen Stationen des Rosenkranzbetens.
„Warum ist die Station, die Du hier siehst, die Entkleidung Jesu, nicht im Rosenkranz enthalten?“
„Naja, ja! Halt!“, typische Reaktion, wonach allerdings eine Antwort ausblieb.
Hatte der Religionsunterricht mir auch Nutzen gebracht, stellte ich im Nachhinein befriedigt fest.

copyright @ werner pentz

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (12.04.15)
Was ist ein "Zelibatär"? Habe ich keinen Nachschlagewerk finden können.
Graeculus (69) meinte dazu am 12.04.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 pentz antwortete darauf am 12.04.15:
"Je suis Charlie" und du weißt nicht, was ein Zolibatär ist. - peinlich!

im uebrigen fuer jede deutschsprachige korrektur dankbar

gruß

werner
Graeculus (69) schrieb daraufhin am 13.04.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 13.04.15:
Lieber Pentz,

ich weiß durchaus, was ein "Zölibatär" ist.
Aber wieso schreibst Du dann, zweite Zeile:

"Zelibatär" ?

Wer erzeugt hier die größere Peinlichkeit, frage ich mich...
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