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Tagebuch zum Thema Psyche

von  keinB

"Wie geht es Ihnen jetzt?"

Ich zögere.
Das Besprechungszimmer ist klein, ein Fenster, mit, wie für ein Zimmer dieser Art typisch, Regalen zugestellt, die ihrerseits mit Fachbüchern zugestellt sind, an den noch nicht zugestellten Wänden hängen Anatomie-Lehrtafeln. In den letzten drei Stunden habe ich abwechselnd auf ebendiese Lehrtafeln gestarrt, einige der Buchtitel in den Regalen entziffert, den Blick auf den Musterfehler im PVC direkt an der Tür vermieden (ich hasse Musterfehler!) und gelegentlich der Frau mir gegenüber ohne Blinzeln direkt in die Seele zu schauen versucht, während ich bemüht war, ihre Fragen so objektiv und ehrlich wie möglich zu beantworten.
Jetzt fällt der Blick hinter ihr aus dem Fenster, auf die Baumspitzen, die sich gegen den klarblauen Sommerhimmel abzeichnen.

"Ich weiß nicht", fange ich an.
"Ich bin erleichtert, einerseits. Anders als in den letzten Jahren muss mich jetzt nicht mehr in Frage stellen, nicht immer zweifeln, ob ich mir alles vielleicht nur einbilde oder nicht. Ich meine, ich hab jetzt was in der Hand. Es ist offiziell und ich bin endlich diagnostiziert."
Ich halte inne.

"Und andererseits?" hakt sie nach.
Andererseits fühlt es sich ein bisschen so an, als sei die Schublade jetzt zu. Abgeschlossen.  Ich bin, wie schon lange vermutet, krank, chronisch, unheilbar. Sicher, das Symptomniveau wird schwanken und aus vielfach gewälzter Fachliteratur weiß ich, dass sich über die Jahre eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit mir selbst einstellen wird, die das Problem nach außen hin unsichtbar werden lässt, aber ich werde immer wissen, dass etwas mit mir nicht stimmt. Dass da ein paar Synapsen in meinem Kopf verdreht sind und ich, harmlos formuliert, immer wieder komische Verhaltensweisen und Reaktionen an den Tag legen werde, die mir das Leben unnötig erschweren werden.

"Ich bin genervt. Eigentlich hab ich echt keinen Bock auf den Scheiß. Ich will nicht ständig hyperemotional, impulsiv und unberechenbar sein. Können wir nicht einfach so tun, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden, ich geh nach Hause, besauf mich haltlos und vergesse die letzten drei Stunden?"

Sie grinst.
"Eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung ist kein Todesurteil."
"Na, wenn Sie das sagen!"

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Kommentare zu diesem Text

Stelzie (55)
(09.06.16)
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 keinB meinte dazu am 16.01.18:
Oh, hier habe ich wieder mal eine Antwort verpeilt - sorry. ;)

'Krank' ist ja auch nur ein Stempel von außen. Sind ja alles mehr so ... Umstände, mit denen man sich halt arrangieren (oder gegen die man vorgehen) muss.

Liebe Grüße
Tina
bbx (68)
(13.03.17)
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 keinB antwortete darauf am 13.03.17:
Nicht bei Fliesen. Überhaupt gar nicht bei Fliesen ... *schüttel*
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